Erwartungen
Warum wollen Sie dieses Buch lesen? Weil Sie Kinder haben, die in der Pubertät sind oder kurz davorstehen? Weil Sie die Beziehung zu Ihrem Teenager verbessern wollen oder sich eine atmosphärische Veränderung in Ihrer Familie wünschen? Vielleicht sind Sie aber auch gar nicht sicher, ob Sie dieses Buch überhaupt brauchen. Wenn Sie sich mit anderen Familien vergleichen, wird Ihnen klar, dass es auch noch viel schlimmer sein könnte. Aber selbst wenn Sie eine gute Beziehung zu Ihrem Kind haben, wer sagt denn, dass sie nicht noch besser werden könnte?
Normalerweise haben wir Erwartungen an unsere Kinder; wir haben Träume, was sie im Leben einmal erreichen und was für Menschen aus ihnen werden sollen; wir wünschen uns, dass sie ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, besonders vor unseren Freunden. Bei diesen Erwartungen geht es um Dinge, die sie tun oder lassen sollen. Je nachdem, ob unsere Kinder diese Erwartungen erfüllen, können sie uns ein Lächeln aufs Gesicht zaubern oder in Verlegenheit bringen. Aber oft vergessen wir, auch an uns Eltern Erwartungen zu stellen. Wir kritisieren, fordern, stellen Regeln für unsere Kinder auf und hoffen auf positive Veränderungen. Aber trotzdem bleiben wir gefangen in diesem Teufelskreis aus Enttäuschung und Angst, dass unsere Träume vielleicht nie wahr werden. Dabei vergessen wir manchmal – oder uns ist vielleicht noch nicht bewusst geworden –, dass wir aus diesem Kreislauf auch ausbrechen können, wenn wir bereit sind, unsere Erwartungen an unsere Kinder aufzugeben, und stattdessen Erwartungen an uns selbst stellen.
Wenn wir in diesem Buch von Erwartungen sprechen, ist uns bewusst, dass dieses Wort sowohl positive als auch negative Aspekte hat. Es ist ungesund und wir setzen uns nur Enttäuschungen aus, wenn wir erwarten, dass unsere Kinder die Träume erfüllen, die wir selbst nie verwirklichen konnten. Dagegen ist es angemessen, wenn wir erwarten, dass wir uns selbst auf eine bestimmte Weise verhalten, um im Umgang mit unseren Kindern besser klarzukommen. Die meisten Eltern wünschen sich von ihren Kindern ein positives Verhalten, aber ohne das nötige Verständnis und die Grundlage für bleibende Veränderungen erreichen sie zwar vielleicht, dass sich ihre Kinder gut benehmen, aber mehr auch nicht. Letztendlich muss die Veränderung aus dem Herzen kommen, und Herzen werden durch Beziehungen verändert. Deshalb ermutigen wir Sie, die Erwartungen zu überprüfen, die Sie an sich selbst stellen, um Ihre Beziehung zu verbessern.
Eine Erwartung an Sie selbst könnte etwa so aussehen: „Ich werde nicht mehr laut, wenn ich sehe, dass mein Sohn sein Fahrrad abends draußen stehen lässt“ oder: „Ich werde keine kritischen Bemerkungen mehr über die neue Frisur meiner Tochter machen, auch wenn ich sie furchtbar finde“ oder: „Ich werde mich bewusst dafür entscheiden, mich ruhig auf einen Konflikt einzulassen, statt wütend oder ausweichend zu reagieren, wenn Probleme angesprochen werden müssen“.
Als Eltern sollten wir uns nicht darauf fixieren, dass unsere Kinder alle unsere Erwartungen erfüllen, sondern lieber Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich unser Kind zu dem Menschen entwickelt, zu dem Gott es geschaffen hat. Aber letztendlich entscheidet unser Kind selbst, was es tut. Vergessen Sie nicht: Unser Ziel ist es, eine gute Beziehung zu unserem Kind zu haben, es bedingungslos zu lieben und es in seinem Leben zu begleiten.
Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit und bitten Sie Gott, Ihnen drei greifbare Ergebnisse zu zeigen, an denen sichtbar werden würde, dass Sie Fortschritte dabei machen, alte Erwartungen aufzugeben, die Kontrolle aus der Hand zu geben und neue, angemessene Erwartungen zu entwickeln. Machen Sie sich bewusst: Wirklich beeinflussen und kontrollieren können Sie nur Ihr eigenes Verhalten. Achten Sie darauf, dass diese Ergebnisse messbar sind, damit Sie, wenn Sie die Liste später wieder durchgehen, erkennen können, ob sich etwas verändert hat. Auf diese Bereiche sollten Sie sich konzentrieren. Eine Seite in Ihrem Tagebuch könnte vielleicht so aussehen:
Erwartungen an mich als Mutter
- Ich werde eine Möglichkeit finden, mir mindestens einmal am Tag 15 Minuten Zeit für meine Tochter Lisa zu nehmen und etwas mit ihr zu machen, das uns beiden gefällt: spazieren gehen, basteln, etwas Schönes einkaufen, über ein interessantes Thema diskutieren oder eine heiße Schokolade trinken.
- Ich werde mich beherrschen und kein Wort darüber verlieren, wie sich Lisa kleidet, auch wenn ich es nicht gut finde, dass sie so viel nackte Haut zeigt. Sie kennt meinen Standpunkt und meine Worte stoßen sowieso auf taube Ohren. Deshalb beschließe ich, keine Diskussionen mehr zu diesem Thema anzufangen.
- Ich entscheide mich, keinen Konflikt vom Zaun zu brechen, wenn Lisa zu spät nach Hause kommt. Ich werde einfach das Licht ausschalten, ihr eine gute Nacht wünschen und am nächsten Morgen, wenn wir beide ausgeschlafen haben, in aller Ruhe mit ihr sprechen.
Den Eltern, die mehrere Kinder in diesem Alter haben, empfehlen wir, sich immer nur auf ein Kind zu konzentrieren. Die Erfahrung zeigt: Wenn Sie sich auf das Kind konzentrieren, mit dem es aktuell am schwierigsten ist, lernen Sie neue Fertigkeiten, die Ihnen helfen, später auch die Beziehung zu Ihren anderen Kindern zu verbessern. Stellen Sie keine zu hohen Erwartungen an sich, sondern gehen Sie einfach viele kleine Schritte.
Auf einem anderen Blatt Papier notieren Sie unter der Überschrift „Erwartungen an mein Kind, die ich an Gott abgebe“ ähnlich wie oben als Beispiel vorgeschlagen drei greifbare, messbare Erwartungen, die Sie an Ihr Kind haben. Das können Ihre unerfüllten Träume für Ihr Kind sein oder etwas, das Sie sich wünschen, das aber nicht den Interessen oder Gaben Ihres Kindes und auch nicht Gottes Plan entspricht. Das könnte zum Beispiel der Wunsch sein, dass Ihr Sohn an eine bestimmte Universität geht und einen bestimmten Beruf ergreift. Erwartungen, die Sie loslassen sollten, können auch unrealistische Forderungen an das Verhalten Ihres Kindes sein; zum Beispiel, dass das Zimmer Ihrer Tochter immer aufgeräumt sein sollte.
Erzählen Sie Ihrem Kind und Ihrem Mann nichts von diesen Erwartungen, sondern nehmen Sie dieses zweite Blatt Papier und stecken Sie es in einen Umschlag. Kleben Sie diesen Umschlag zu und schreiben Sie das Datum von genau einem halben Jahr später darauf. Hängen Sie den Umschlag an das Kalenderblatt in 6 Monaten oder legen Sie ihn an eine Stelle, an der Sie ihn in einem halben Jahr wiederfinden. Notieren Sie in Ihrem Kalender den Tag, an dem Sie diesen Umschlag öffnen. Widerstehen Sie der Versuchung, sich Gedanken darüber zu machen oder ihn früher zu öffnen. Konzentrieren Sie sich einfach darauf, diese Erwartungen wirklich an Gott abzugeben. Wenn Sie den Umschlag nach sechs Monaten öffnen, werden Sie erstaunt sein, was sich in der Zwischenzeit verändert hat. (Wenn Sie Englisch können, könnten Sie auf die folgende Website gehen: http://www.greaterimpact.org/respect-dare/the-envelope/. Dort finden Sie weitere Anweisungen, was Sie mit der Liste, die Sie angefertigt haben, tun können.)
Tauschen Sie sich mit dem Vater Ihres Kindes über Ihre guten Vorsätze und die Erwartungen aus, die Sie an sich selbst haben. Das bringt Sie beide in Ihrer Beziehung weiter. Ermutigen Sie ihn, ebenfalls das eine oder andere Verhaltensmuster zu ändern, wenn er sieht, welche Wirkung die Veränderungen, die Sie vornehmen, haben, aber widerstehen Sie dem Drang, ihn zu korrigieren, wenn er Fehler macht. Seien Sie geduldig und ermutigen Sie sich gegenseitig, es das nächste Mal besser zu machen. Manchmal müssen wir uns den alten Spruch vor Augen halten: „Wenn es sich lohnt, etwas richtig zu machen, dann lohnt es sich auch, es so lange falsch zu machen, bis wir es richtig können.“ Lesen Sie regelmäßig die Liste mit Ihren persönlichen Erwartungen, die Sie in Ihrem Tagebuch notiert haben.
Denken Sie auch daran, dass Sie an den Vater Ihres Kindes keine Erwartungen stellen sollten. Diesen Weg geht jeder von Ihnen für sich allein. Das heißt, dass jeder das eigene Tempo einschlägt. Lassen Sie sich auf keinen Fall auf das „Ich bin besser als du“-Spiel ein, sondern freuen Sie sich, dass Ihr Kind wenigstens zu einem von Ihnen eine Beziehung hat, falls dies der Fall sein sollte. Machen Sie sich außerdem bewusst, dass sich die eigenen Erwartungen nicht von heute auf morgen in Luft auflösen. Verlieren Sie nicht den Mut, wenn dieser Kampf länger dauert.
Sie sollten nicht vergessen, dass jede Situation ihre eigenen einzigartigen Umstände mit sich bringt, ob Sie nun Teil einer Scheidungsfamilie, einer Patchworkfamilie, einer Familie mit nur einem Elternteil oder einer Familie mit beiden Elternteilen sind. Gott kann in jede Beziehung Heilung bringen, wenn wir bereit sind, uns zeigen zu lassen, wo wir nach seinem Willen wachsen sollen.
Beten Sie mit uns, bevor wir diesen Weg gemeinsam antreten:
Vater im Himmel,
ich bin dein geliebtes Kind. Du verstehst viel besser als ich, wie weh es tut, wenn die Beziehung zu den eigenen Kindern nicht gut ist. Genauso wie ich in meiner Beziehung zu dir, meinem himmlischen Vater, der mir mein Leben geschenkt hat, Fehler mache und deine Anweisungen nicht immer befolge, sehe ich das Gleiche bei meinem Kind. Genauso wie du für mich Hoffnungen und Träume hast, habe ich sie auch für mein Kind.
Gott, sei mir gnädig und höre mein Gebet, wenn ich dir meine Bitten hinlege und...