Die Beschäftigung mit Qualität ist uralt. Gesetzlich vorgeschriebene Anforderungen an Bauwerke etwa sind schon aus babylonischen Zeiten überliefert (Codex Hammurabi) und im Mittelalter spielte der Qualitätsgedanke in den Regeln und Normen der Zünfte eine zentrale Rolle (Seghezzi, 1996, S. 5). Amtliche Beschauzeichen bestätigten die Qualität geprüfter Produkte, Meisterzeichen identifizierten den Hersteller. Aus ihnen entwickelten sich mit zunehmender Industrialisierung die Fabrik- und Qualitätsmarken (Wolters, Albrecht & Schwabe, 1995, S. 5).
Die Herkunftskennzeichnung für Produkte, wie sie ein britisches Gesetz von 1887 aus protektionistischen Gründen vorschrieb, wandelte sich als "Made in Germany" vom Brandmal zum ausgesprochenen Qualitätsbegriff. Da die internationale Konkurrenz aufholte, verlor dieses ungewollt zum Gütesiegel gewordene Zeichen später einen erheblichen Teil seiner Wirkung. Es bedurfte neuer Methoden und Etikettierungen, um Qualität als kaufentscheidungsrelevantes Produktmerkmal zu entwickeln und nachzuweisen.
KundInnen wollen von einem Produkt in erster Linie einen Nutzen haben; sie wünschen sich jedoch auch einen angemessenen Preis und eine gute Verfügbarkeit in benötigter Menge, indem es z. B. zum gewünschten Zeitpunkt auf einfache Art beschafft werden kann (vgl. Seghezzi, 1994, S. 11). Um den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, müssen Anbieter von Produkten ihrerseits die Qualität, Kosten und Lieferbereitschaft bezüglich Menge und Termin optimal gestalten. In diesem unternehmerischen Spannungsviereck (Seghezzi, 2003, S. 20) aus Qualität, Geld, Quantität und Zeit sind die einzelnen Faktoren ständig gegeneinander abzuwägen, um den besten Erfolg zu erzielen.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts lag die innerbetriebliche Verantwortung hierfür in einer Hand. Mit Einführung der industriellen Arbeitsteilung, wie sie vor allem mit dem Namen des Amerikaners Frederick W. Taylor und dem von ihm begründeten scientific management ("Taylorismus") verbunden ist, wurde diese Verantwortung aufgespalten.
"Überspitzt ausgedrückt wurde die Arbeitsvorbereitung für die Kosten, die Fertigung für die Zeiten und die Qualitätskontrolle für die Qualität verantwortlich gemacht. Dadurch entwickelte sich in den Fertigungsabteilungen eine Art ‘Schmugglermentalität’. Es kam nicht mehr darauf an, fehlerfreie Produkte zu fertigen, sondern ‘durch die Kontrolle zu kommen’. Gleichzeitig führte dies zu einer Vielzahl von Qualitätsprüfern. In vielen Betrieben waren mehr als 10% der Belegschaft in der Qualitätsprüfung beschäftigt" (Seghezzi, 1996, S. 5). Entsprach ein fertiges Produkt nicht den Anforderungen, wurde es aussortiert oder nachbearbeitet.
Spätestens seit den Sechzigerjahren steht nicht mehr diese Endkontrolle des Produkts im Mittelpunkt der Qualitätskontrolle. Solche Prüfungen erhöhen nämlich nicht die Qualität, sondern dienen nur zur Trennung von "gut" und "schlecht" (Daumenlang & Palm, 1997, S. 356). Da Fehler sich umskostspieliger auswirken, je später sie im Produktionsprozess auftreten oder auffallen, sind Endkontrollen letztlich teurer als Fehler vermeidende Maßnahmen (Wolters et al., 1995, S. 16). Aufgrund dieser Erkenntnis geriet zunehmend die vorbeugende Gestaltung und ständige Verbesserung der betrieblichen Prozesse ins Blickfeld, um möglichst gar keine Qualitätsfehler entstehen zu lassen und Qualität optimal zu bewirtschaften. Dabei veränderten sich auch die Rollen der MitarbeiterInnen, des Managements und der KundInnen, deren Einbeziehung in die Leistungserstellung zunehmend umfassender geriet.
Ein solches "Qualitätsmanagement" – lange Zeit unter Bezeichnungen wie Qualitäts-kontrolle oder Qualitätssicherung firmierend – entstand in der Praxis auf pragmatische Art (Seghezzi, 1994, S. 11); seine Umsetzung in theoretische Konzepte und die Gestaltung als eigene Disziplin im Rahmen der Unternehmensführung entwickelten sich erst viel später (vgl. Kap. B 2.). In Europa wurde Qualität zwar traditionell groß geschrieben, jedoch nicht im eigentlichen Sinne systematisch bewirtschaftet wie die übrigen Faktoren des unternehmerischen Spannungsvierecks im Rahmen von Logistik, Materialwirtschaft, Finanz- und Rechnungswesen (a.a.O., S. 12). Es verwundert daher nicht, dass diese Entwicklung sich in Ländern vollzog, die keine lange Tradition mit hoher Produktqualität haben, nämlich in Japan und in den USA (S. 2).
Eine Rolle für die seither nicht mehr nachlassende Aktualität des Qualitätsthemas in der Wirtschaft spielt die empirisch gesicherte Erkenntnis, dass zwischen der Qualität von Produkten bzw. Dienstleistungen und dem wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen ein positiver Zusammenhang besteht; Qualität ist ein entscheidender Erfolgsfaktor (Eversheim, 1997, S. 4 ff.). Dementsprechend wird der Frage zunehmende Bedeutung beigemessen: Wie kann eine Organisation/ein Projekt/ein Prozess/ein Produkt oder – um die Terminologie der internationalen Normungsbehörde ISaufzugreifen – eine Einheit sgesteuert werden, dass Qualität systematisch optimiert wird und keine "Glückssache" ist (Gerull, 2000, S. 1-9). Qualitätsmanagement ist jener Teil der Gesamtführungsaufgabe, der dieser Frage gewidmet ist und Antworten in Form von Konzepten und Werkzeugen zu geben verspricht, die sich u. a. in den Bereichen Marketing, Organisation und Psychologie bewährt haben; Qualitätsmanagement "erfindet" das Qualitätsthema nicht neu, sondern "bringt es auf den Punkt" (Bretzke, 1995, S. 424).
Mit zunehmender Globalisierung der Märkte wurde es wichtig, einheitliche Anforderungen an Qualitätssysteme zu formulieren, die weltweit Akzeptanz finden (Seghezzi, 1996, S. 204). Diese Entwicklung wurde durch die hohen Qualitätsforderungen im militärischen Bereich und in der Luft- und Raumfahrt nachhaltig beeinflusst. Die aus den Forderungen der militärischen Beschaffungsstellen entstandenen Systeme bildeten den Ursprung der späteren DIN EN IS9000-Normenfamilie (s. Kap. C 1.4.1), die bereits in etwa 130 Ländern anerkannt wird (Zollondz, 2002, S. 46) und in über 80 Ländern institutionalisiert ist. Sie ist weltweit das angeblich in kürzester Zeit verbreitete Normenwerk überhaupt (Wolters et al., 1995, S. 3).
Mit der Normenreihe IS9000 wurden erstmals Unternehmensführungssysteme in Normen aufgenommen, während diese sich zuvor auf Maße, technische Eigenschaften und ähnliche Sachverhalte beschränkten (Seghezzi, 1996, S. 205). Inzwischen sind eine Vielzahl von branchenübergreifenden oder branchenspezifischen, mehr oder minder umfassenden, originären oder adaptierten Systemen und Verfahren auf dem Markt, die mit oder ohne Möglichkeit zur Zertifizierung, intern oder extern ausgerichtet, mit diagnostischer oder Prozess entwickelnder Fokussierung, in Selbstführung oder mit externer Begleitung implementiert werden können. Sie werden in Kap. C 1. systematisiert und teilweise ausführlicher erörtert.
Qualitätsmanagement setzt eine Vorstellung von Qualität voraus, auch wenn diese nicht immer explizit formuliert sein muss. Es ist deshalb zweckmäßig, zunächst solche Vor-stellungen zu untersuchen.
Qualität kann allgemein definiert werden als die Beschaffenheit eines Produkts, einer Dienstleistung, eines Unternehmens oder einer anderen Einheit (s. o.), gemessen an den Bedürfnissen der Anspruchsgruppen (Seghezzi, 1996, S. 17), das sind alle an dem Produkt interessierten bzw. davon betroffenen Personen (auch stakeholder genannt), vor allem die KundInnen.
Qualität lässt sich aber nicht nur neutral als Beschaffenheit einer Einheit im Hinblick auf gestellte Anforderungen definieren, sondern wird häufig auch wertend als Güte im Sinne von Zweckerfüllung verstanden. Einem solchen Verständnis von Qualität folgend, kann man unterschiedliche Anspruchsklassen bilden, wie etwa die Sterne-Kategorisierung im Hotelbereich. Dabei wird festgelegt, welche Eigenschaften jeweils zu erfüllen sind, um einer bestimmten Qualitätsklasse oder -stufe zugeordnet werden zu können. Beschaffenheit und Anspruchsklasse sind Kernbegriffe modernen Qualitätsmanagements (Zollondz, 2002, S. 145).
Definitionen von Qualität – eine Auswahl
Qualität ist die Beschaffenheit (eines Produkts), gemessen an den Bedürfnissen der Anspruchsgruppen (Seghezzi, 1996).
Qualität ist die Relation zwischen einem Ist-Zustand und einer Soll-Forderung
(Daumenlang & Palm, 1997).
Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produkts oder einer...