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Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur

AutorJulius Höxter
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl672 Seiten
ISBN9783843800242
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
'Der Höxter' gilt als ein bedeutendes Standardwerk für die Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte, Literatur und Kultur. Die zwischen 1927 und 1930 erstmals erschienene systematische Quellensammlung des jüdischen Frankfurter Lehrers und Schriftstellers Dr. Julius Höxter (1873-1944) verdeutlicht den immensen Beitrag der jüdischen Religion zu den bleibenden Errungenschaften der Geistes- und Kulturgeschichte. Das Buch enthält zahlreiche wesentliche und beispielhafte Zeugnisse des vielfältigen inneren Lebens und der bewegten äußeren Geschichte des Judentums von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Die Quellenstücke sind in wortgetreuer und sinngemäßer deutscher Übersetzung dargeboten. Die umfassende Textsammlung wird in dieser Neuausgabe erstmals durch zentrale Dokumente aus der neuesten Zeit erweitert und durch aktuelle Literaturangaben ergänzt.

Julius Höxter (1873-1944) wirkte seit 1904 als Lehrer in Frankfurt/Main. Er gehört zu den Gründern der Frankfurter 'Vereinigug israelitischer Religionslehrer und -lehrerinnen' und des 'Jüdischen Beamtenbundes'. Eine von ihm begründete Stiftung förderte wissenschaftliche und didaktische Arbeiten. Als aktives Mitglied der Frankfurter Israelitischen Gemeinde wirkte er bis seiner Emigration nach England (1939) als Vorsteher und Leiter des konservativen Gottesdienstes.

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Leseprobe

2. Seder Moed (Ordnung »Feste«).


Traktat Joma (Versöhnungstag). VIII. Abschnitt, 9. Mischna.

Sündenvergebung.

Wenn jemand sagt: Ich will sündigen und Buße tun, (wieder) sündigen und Buße tun, so wird ihm nicht vergönnt, Buße zu tun. (Wer spricht): Ich will sündigen und der Versöhnungstag wird es sühnen, für den hat der Versöhnungstag keine sühnende Wirkung. Sünden des Menschen gegen Gott sühnt der Versöhnungstag, Sünden des Menschen gegen seinen Nebenmenschen sühnt der Versöhnungstag nicht, bis man seinen Nebenmenschen besänftigt hat. Das leitete R. Eleasar ben Asarja aus der Schriftstelle ab: »Von all euren Sünden vor Gott sollt ihr rein werden.« (III. B. M. 16, 30.) Sünden des Menschen gegen Gott sühnt der Versöhnungstag, Sünden des Menschen gegen den Nebenmenschen sühnt der Versöhnungstag nicht, bis man seinen Nebenmenschen besänftigt hat. R. Akiba sprach: »Heil euch, Israel! Wer ist’s, vor dem ihr euch reinigt, und wer ist’s, der euch reinigt? Euer Vater im Himmel.« Denn so heißt es: »Ich werde reines Wasser auf euch sprengen und ihr werdet rein werden.« (Ez. 36, 25.) …

3. Seder Nesikin (Ordnung »Schäden«, Privat- und Strafrecht).


a) Traktat Baba kamma (Erste Pforte). III. Abschnitt, 2. Mischna.

Schadenersatz.

Wenn jemand im öffentlichen Gebiete Wasser ausgießt und es wird dadurch ein anderer beschädigt, so ist jener zum Schadenersatz verpflichtet. Wenn jemand Dornen oder Glas (im öffentlichen Gebiet) verwahrt oder sich einen Zaun von Dornen macht, ebenso wenn seine ihm gehörige Einfriedigung nach dem öffentlichen Orte hin eingestürzt ist und andere dadurch beschädigt worden sind, so ist er zum Schadenersatz verpflichtet.

b) Traktat Baba mezia (Mittlere Pforte). VII. Abschnitt, 1. Mischna.

Ortsübliche Behandlung der Arbeiter.

Wenn jemand Arbeiter mietet und zu ihnen sagt, dass sie früh (vor Sonnenaufgang) anfangen und spät (nach Sonnenuntergang) aufhören sollen, so ist er dort, wo es üblich ist, nicht früh anzufangen und spät aufzuhören, nicht berechtigt, sie (dazu) zu zwingen. Wo es üblich ist, (die Arbeiter) zu verköstigen, muss er (sie) verköstigen; (wo es üblich ist), Süßes zu verabreichen, muss er (es) verabreichen; (kurz:) alles nach dem Brauche des Landes …

c) Traktat Sanhedrin. IV. Abschnitt, 5. Mischna.

Zeugenermahnung.

In welcher Weise machte man die Zeugen in Rechtsfällen, auf welche die Todesstrafe stand, ängstlich? Man führte sie herein und machte ihnen Angst (mit den Worten): »Vielleicht sprecht ihr aus Vermutung, vom Hörensagen, oder (ihr denkt): Wir haben es aus dem Munde eines andern Zeugen oder aus dem Munde eines glaubwürdigen Mannes gehört, oder vielleicht wisst ihr nicht, dass wir euch später durch Ausforschung und Untersuchung prüfen werden? Wisset, dass Rechtsfälle, auf welche die Todesstrafe steht, nicht wie Geldsachen sind; bei Geldsachen kann der Mensch das Geld wiedergeben, und es wird ihm eine Sühne zuteil, aber bei Rechtsfällen, auf welche die Todesstrafe steht, haftet an ihm das Blut des Hingerichteten und das Blut seiner (möglichen) Nachkommen bis ans Ende der Welt; denn so finden wir bei Kain, der seinen Bruder erschlug, da heißt es (Gen. 4, 10): ›Das mehrfache Blut deines Bruders schreit.‹ Es heißt nicht: ›das Blut deines Bruders‹ (die Einzahl Dam), sondern ›das mehrfache Blut deines Bruders‹ (die Mehrzahl Dĕme), nämlich sein Blut und das Blut seiner (möglichen) Nachkommen … Deshalb ist nur ein einziger Mensch erschaffen worden, um dich zu lehren, dass, wenn einer eine einzige Person vernichtet, es ihm die Schrift anrechnet, als hätte er eine ganze Welt vernichtet, und wenn einer eine einzige Person erhält, es ihm die Schrift anrechnet, als hätte er eine ganze Welt erhalten.«

Ferner (geschah dies) wegen des Friedens der Welt, damit nicht ein Mensch zum andern sage: »mein Ahn war größer als dein Ahn!«; auch damit nicht die Minim sagen: »Es gibt viele Mächte im Himmel«; endlich, um die Größe des Königs aller Könige, des Heiligen, gelobt sei er, zu verkünden; denn wenn ein Mensch viele Münzen mit einem Stempel prägt, sind sie alle einander gleich, aber der König aller Könige, der Heilige, gelobt sei er, hat jeden Menschen mit dem Stempel des ersten Menschen ausgeprägt, und doch ist nicht einer dem andern gleich. Daher ist auch jeder einzelne verpflichtet zu sagen: »Meinetwegen ist die Welt erschaffen worden« …

d) Traktat Makkot (Leibesstrafen). I. Abschnitt, 10. Mischna.

Gegen die Todesstrafe.

… Ein Gerichtshof, der einmal in einer Jahrwoche (im Jahrsiebent) eine Hinrichtung vollzieht, wird ein Verderber genannt. R. Eleasar, Sohn Asarias, sagt: »Einmal in siebzig Jahren.« R. Tarphon und R. Akiba sagen: »Wenn wir im Synhedrion gesessen hätten, so würde nie ein Mensch hingerichtet worden sein.« R. Simon, Sohn Gamliels, sagt: »Auch die würden die Blutvergießer in Israel vermehrt haben.«

e) Traktat Pirke Abot (Sprüche der Väter). Aus I. und II. Abschnitt.

1. Simon der Gerechte . . sprach: »Auf drei Dingen beruht die Welt: auf Gotteslehre, Gottesdienst und Liebestat.«

Antigonus aus Socho sprach: »Seid nicht den Knechten gleich, die dem Herrn dienen, um Lohn zu empfangen, sondern gleichet den Knechten, die ohne Rücksicht auf Lohn dem Herrn dienen; es sei Gottesfurcht über euch.«

Jose ben Joeser aus Zereda sprach: »Dein Haus sei eine Stätte der Zusammenkunft für Weise, bestäube dich mit dem Staub ihrer Füße und trinke mit Durst ihre Worte.«

Jose ben Jochanan aus Jerusalem tat den Ausspruch: »Dein Haus sei der Gastfreiheit offen, und Arme seien die Kinder deines Hauses …«

Josua ben Perachia: »Schaffe dir einen Lehrer, erwirb dir einen Genossen und beurteile jeden nach der guten Seite.«

Hillel pflegte zu sagen: »Sei von den Schülern Arons, den Frieden liebend, nach Frieden strebend, die Menschen liebend und sie der Gotteslehre zuführend.

Wer seinen Namen zu verbreiten trachtet, verliert ihn, wer nicht zunimmt, nimmt ab; wer nicht lernen will, ist todeswürdig, und wer die Krone der Lehre missbraucht, schwindet dahin.

Wenn ich nicht für mich bin, wer ist für mich? Wenn ich aber nur für mich bin, was bin ich dann? und wenn nicht jetzt, wann sonst?

Schließe dich nicht aus von der Gemeinde, glaube nicht an dich selbst bis zu deinem Todestage, verurteile deinen Nebenmenschen nicht, bis du dich in seiner Lage befunden hast.«

Schammai sprach: »Mache das Lernen der Tora zu einer festbestimmten Beschäftigung; sprich wenig, tue viel und empfange jeden Menschen mit freundlichem Angesichte.«

Simon, der Sohn Rabban Gamliels, sagte: »All mein Lebtag bin ich unter Weisen aufgewachsen und habe nichts Besseres für den Menschen gefunden als Schweigen; nicht das Forschen ist die Hauptsache, sondern die Tat, und wer viel Worte macht, bringt Sünde zuwege. Durch drei Dinge hat die Welt Bestand: durch Wahrheit, Recht und Frieden!«

2. Rabbi (Juda Hanassi,) sagte: »Bedenke drei Dinge, und du wirst nicht zur Sünde kommen: Wisse, was über dir ist: ein sehendes Auge, ein hörendes Ohr, und alle deine Taten werden in ein Buch verzeichnet.«

Gamliel III., Rabbis Sohn, sprach: »Vollführe seinen (Gottes) Willen wie deinen eigenen, damit er deinen Willen wie seinen eigenen vollführe; gib deinen Willen vor seinem auf, auf dass er den Willen anderer vor dem deinigen aufhebe.«

R. Jochanan ben Sakkai sprach: »Hast du viel Tora gelernt, so tue dir nichts zugute darauf; denn dazu bist du geschaffen.«

Er sprach zu seinen Schülern: »Geht und seht, welches ist ein guter Weg, den sich der Mensch erwählen soll?« R. Elieser sprach: ein wohlwollendes Auge; R. Josua: ein guter Genosse; R. Jose: ein guter Nachbar; R. Simon: wer die Folgen voraussieht; R. Eleasar: ein gutes Herz. Da sagte er (R. Jochanan) zu ihnen: »Ich ziehe die Worte R. Eleasars, des Sohnes Arachs, den eurigen vor; denn in seinen Worten sind eure Worte mitenthalten.«

XIII. Die Amoräer in Palästina und Babylonien.


1. R. Jochanan bar Nappacha. (3b u. 12a)


(200–279 n., hervorragendster palästinensischer Amoräer, in Sepphoris, später in Tiberias. – Babyl. Talm. Běrachot 5 b.)

Als R. Elieser erkrankte, besuchte ihn R. Jochanan. Er sah ihn in einem dunkeln Zimmer liegen. Da entblößte er seinen Arm und es verbreitete sich Licht. (Nach Baba mezia 84 a war R. Jochanan von solcher Schönheit, dass die Haut seines Körpers im Finstern Licht verbreitete.) Er sah R. Elieser weinen und sprach zu ihm: »Warum weinst du? Vielleicht etwa, weil du dich nicht genug mit der Tora beschäftigt hast? Wir haben doch gelernt, (es ist gleich), ob einer viel oder wenig leistet, wenn nur sein Herz auf den Himmel gerichtet ist. Wenn etwa wegen Nahrungssorgen, so sind nicht jedem Menschen beide Tische (Toragelehrsamkeit und Reichtum) beschieden. (Oder geschieht es) wegen der Kinderlosigkeit? Dies ist der Knochen meines zehnten Sohnes.« (Er hatte zehn Söhne verloren; einen kleinen Knochen seines jüngsten Sohnes trug er stets bei sich und tröstete damit die Trauernden.)

Da erwiderte R. Elieser: »Ich weine über diese deine Schönheit, die in der Erde verwesen soll.« Da sprach R. Jochanan zu ihm: »Darüber weinst du mit Recht.« Sie weinten nun beide. Inzwischen sprach R. Jochanan zu ihm: »Sind dir die...

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