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Rahmen und Rahmung

Bedeutung in der psychodynamischen Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen

AutorMarie-Luise Althoff
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl189 Seiten
ISBN9783170346796
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
In der Psychotherapie ist der Rahmen das zentrale, konstituierende Element des therapeutischen Prozesses. Im optimalen Fall entsteht bei allen Beteiligten ein Erleben von Sicherheit, so dass die Sehnsüchte nach einem haltenden Rahmen, die Ängste vor genau diesem Rahmen sowie die Widerstände, die sich am Rahmen festmachen, bearbeitet werden können. Das Buch bietet Antworten auf Fragen wie z. B.: Welcher Rahmen ist für einen bestimmten Patienten bzw. die Bezugspersonen passend? Wie gehe ich damit um, wenn ich Patienten oder Eltern schwer in einem Rahmen halten kann bzw. Widerstandsphänomene heftig sind?

Dr. Marie-Luise Althoff ist Psychotherapeutin in eigener Praxis, Dozentin, Supervisorin und Lehranalytikerin an verschiedenen Instituten, Leiterin der Abteilung analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie des Lehrinstituts Bad Salzuflen.

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Leseprobe

Vorwort


 

 

 

Der Begriff des Rahmens im sozialen Miteinander scheint auf den ersten Blick sehr einfach und klar umrissen zu sein. Ein Rahmen für ein Treffen z. B. entsteht bereits mit der Vereinbarung eines Ortes und eines Termins. Wenn der Rahmen bekannt ist, dann ist klar, wie es Goffman (1974) ausdrückte, »was hier eigentlich los ist«. Ein Rahmen ist in jeder sozialen Situation präsent und wirksam, selbst wenn das den Beteiligten meist nicht bewusst ist.

Das Konzept des Rahmens ist eines der zentralen Konzepte der Psychoanalyse. Freud hat sich in seinen technischen Schriften (1911, 1912a, 1912b, 1913b, 1914a, 1915a, 1917, 1919) eingehend mit den »technischen Regeln«, die die »Ausführung der Kur überhaupt beherrschen« (1911, S. 354), also – modern ausgedrückt – den Grundregeln oder dem Rahmen der psychoanalytischen Behandlung, befasst. Der Begriff des »Rahmens« selbst taucht in Freuds Schriften noch nicht auf. Vermutlich war es die Einführung der bis heute gültigen Grundregel der freien Assoziation (bzw. des freien Spiels), die einen deutlichen Rahmen erforderlich machte. Es sollte ermöglicht werden, dass im Unterschied zu Alltagssituationen über alles gesprochen bzw. alles gespielt werden kann und dass die Grenze zwischen Fantasie und Realität damit deutlich markiert wird.

Wie wollte Freud seine »technischen Regeln« angewendet wissen? Sollten sie streng eingehalten werden, so wie es Generationen von Analytikern nach ihm verstanden:

»Regeln und Rahmen, das klingt schon nach einer gewissen Ordnung und Strenge, so wie sie uns Psychoanalytikern ja auch oft nachgesagt wird. Da wimmelt es von Gesetzen, dem väterlichen (selten dem mütterlichen…), dem Rahmen als Gesetz oder dem Analytiker als Gesetzgeber etc. Abstinent geht es da zu, dem Patienten sind keine Befriedigungen zu gewähren und seinen destruktiven Phantasien ist auf den Grund zu gehen. All dies trifft natürlich auch zu, aber manchmal wirkt das fast ein bisschen freud-los.« (Pflichthofer, 2015, S. V).

Nicht zufällig verglich Freud die Behandlungsregeln mit den Regeln im Schachspiel. In beidem ergeben sich aus den Regeln eine unendliche Vielfalt von Situationen, die nur in der Eröffnungs- und Beendigungsphase eingeschränkt sind:

»Es sind Bestimmungen darunter, die kleinlich erscheinen mögen und es wohl auch sind. Zu ihrer Entschuldigung diene, dass es eben Spielregeln sind, die ihre Bedeutung aus dem Zusammenhange des Spielplanes schöpfen müssen. Ich tue aber gut daran, diese Regeln als ›Ratschläge‹ auszugeben und keine unbedingte Verbindlichkeit für sie zu beanspruchen […] Die Plastizität aller seelischen Vorgänge und der Reichtum an determinierenden Faktoren widersetzen sich auch einer Mechanisierung der Technik und gestatten es, dass ein sonst berechtigtes Vorgehen gelegentlich wirkungslos bleibt und ein gewöhnlich fehlerhaftes zum Ziele führt. Diese Verhältnisse hindern indes nicht, ein durchschnittlich zweckmäßiges Verhalten des Arztes festzulegen« (Freud, 1913b, S. 454f.).

Freuds Rückgriff auf das Schachspiel verdeutlicht bildhaft die Variabilität der therapeutischen Behandlungsführung. So wie komplexe Strategien und Zugfolgen dem Schachspiel zugrunde liegen, so gibt es auch Strategien der Behandlungsführung. In ähnlicher Weise lassen sich Ratschläge und Regeln formulieren. Der Vergleich kommt an seine Grenzen, wenn man bedenkt, dass die Schachfiguren jeweils nur in ganz bestimmter Weise gezogen werden dürfen und nicht anders. In der Psychotherapie kann es aber keine so klaren Festlegungen geben. Es ist schwierig, immer zwischen regelwidrigem und unzweckmäßigem Vorgehen zu unterscheiden. In vielen Situationen lässt sich das – wenn überhaupt – erst im Nachhinein klären.

In diesem Sinne sind die Behandlungsregeln meiner Auffassung nach nicht einem Regelspiel sondern eher umfassender dem freien Spiel, das ja auch ein gewähltes Regelspiel sein kann, vergleichbar. Das bedeutet aber nicht, dass die Behandlungsregeln deshalb willkürlich gesetzt werden können, sondern dass Maß ( Kap. 3), Form ( Kap. 4) und Formation ( Kap. 5) die jeweiligen Vereinbarungen und das konkrete Miteinander der an einer Therapie Beteiligten bestimmen.

Vereinbarungen sind natürlich abhängig von Erwartungen, Hoffnungen und Hintergrundannahmen, und sie sind von Land zu Land und Mensch zu Mensch verschieden. In der Psychotherapie ist es oft nicht leicht, sich der wirksamen Rahmen bewusst zu werden und passende therapeutische Rahmungen zu finden. Das gilt insbesondere in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, denn in diesem Bereich sind in der Regel mehrere Personen an der Therapie beteiligt. Diese Personen sind sich natürlich nicht immer einig. Hinzu kommt, dass die Settings- bzw. Rahmenbedingungen je jünger der Patient ist, umso mehr zwischen Bezugspersonen und Therapeut ausgehandelt und vereinbart werden (müssen). Z. B. wird die Psychotherapie eines Kindes oder Jugendlichen bis zum Alter von 16 Jahren fast immer von den Bezugspersonen initiiert. Die Aushandlungs- und Vereinbarungsprozesse finden anfangs oft unter großem Druck statt, da

»die Bezugspersonen sich oft erst dann melden, wenn bereits ein sehr kritischer Punkt erreicht ist. Drängende Gefühle wie Frustration, Ohnmacht, Wut, Enttäuschung, Trauer und Schuldgefühle und oft auch ein Wunsch nach schneller Hilfe stehen am Anfang des Kontakts zum Therapeuten« (Althoff, 2017b, S. 32).

In diesem Buch werden die Theorie des Rahmens ( Kap. 15) und die Praxis der Rahmenhandhabung ( Kap. 6–10) dargestellt. Dabei wird der Umgang mit dem Rahmen als integraler Teil jeder Therapie verstanden, insbesondere einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und auch begleitenden Psychotherapie der Bezugspersonen. Die begleitende Psychotherapie mit den Bezugspersonen verstehe ich nämlich nicht als beratende, sondern therapeutische Tätigkeit (vgl. Dührssen, 1980, S. 181; Althoff, 2017b, S. 6). Ich werde in diesem Buch der Einfachheit halber statt »begleitende Psychotherapie der Bezugspersonen« oft abgekürzt »Elternarbeit« oder »Elternpsychotherapie« schreiben. Mit Eltern meine ich die Bezugspersonen, die für den Patienten Elternfunktion haben, also z. B. die leiblichen Eltern, Pflege-, Adoptiv-, Stief-, Zieh- und Großeltern, oder diejenigen, die sorgende Aufgaben übertragen bekommen haben, z. B. Betreuer, Erzieher und Vormünder.

Das Buch beginnt mit einem historischen Rückblick auf die Vorläufer der heutigen Rahmenkonzepte ( Kap. 1). Anschließend werden verschiedene verwandte oder synonym verwendete Begriffe wie Ratschläge, Rahmen, Rahmung, Milieu, Umwelt und Setting diskutiert ( Kap. 2). Danach werden grundlegende Überlegungen zu Rahmenkonzeptionen der psychodynamischen Psychotherapie vorgestellt (das Maß, Kap. 3). Jeweils ein Kapitel ist den Besonderheiten des Rahmens in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (die Form, Kap. 4) sowie den Komponenten eines sicheren Rahmens (die Formation, Kap. 5) gewidmet.

In den dann folgenden Kapiteln geht es um die Praxis der Vereinbarung und Handhabung des Rahmens. Der Phase der Vereinbarung des Rahmens kommt eine besondere Bedeutung zu. Um ein geflügeltes Wort von Irvin D. Yalom aufzugreifen, der sagte, dass sich das Schicksal einer Gruppe vor der ersten Sitzung entscheide, so meine ich, dass sich das Schicksal jeder Therapie mit mehreren Beteiligten im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie vor der ersten Stunde entscheidet mit der Auswahl der Rahmenkomponenten und der Auswahl der beteiligten Personen ( Kap. 6). Im weiteren Verlauf einer Therapie gibt es verschiedene Bündnisaufgaben zur Rahmensicherung sowie Notwendigkeit der Rahmenhandhabung ( Kap. 7). Abschließend wird die Bedeutung des Therapierahmens als Modell für Beziehung ( Kap. 8) diskutiert.

Insgesamt gesehen wird im Buch eine vollständige Auflistung und Besprechung von Rahmenkomponenten und der dazugehörigen Technik der Rahmenhandhabung gegeben. Es kommt mir jedoch schwerpunktmäßig nicht so sehr darauf an, welche konkreten Komponenten oder welche Methoden genannt und erläutert werden, vielmehr möchte ich verdeutlichen, dass es eine große Vielzahl von Möglichkeiten gibt, Rahmen zu definieren und Komponenten für mehr oder weniger wichtig zu halten und diese methodisch-technisch zu vertreten. Jeder Psychotherapeut hat bis zu einem gewissen Grad »seinen Rahmen« und »seine Technik«, und es wird für jeden Patienten und jedes therapeutische System einzigartige Rahmenkomponenten geben, die sich aus den situativen Gegebenheiten oder der Beziehung entwickeln (vgl. Althoff, 2013). Nach Pflichthofer (2011) ist es »keine Frage, dass es keinen allgemeingültigen Rahmen gibt und jeder Behandlungsrahmen bereits etwas von der Subjektivität der Analytikerin enthält«. Dennoch ist damit, je mehr man auch die (unbewussten) Reaktionen der...

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