4 Schattenwirtschaft
4.1 Methoden zur Erfassung der Schattenwirtschaft
Das größte Problem bei der Messung des Ausmaßes der Schattenwirtschaft besteht darin, dass die Beteiligten ihre Aktivitäten verheimlichen, um nicht entdeckt zu werden und somit der Strafverfolgung zu entgehen. Solche illegalen Aktivitäten (wie die Schwarzarbeit) hinterlassen jedoch in verschiedenen Bereichen Spuren. Diese Indizien ermöglichen es, verschiedene Verfahren zur Schätzung der Schattenwirtschaft zu entwickeln. Man unterscheidet zwischen „direkten“, „indirekten“ und „statistischen“ Methoden zur Erfassung der Schattenwirtschaft.
Auf der Mikroebene setzen meist die direkten Methoden an, welche auf Befragungen von Bürgern beziehungsweise der Analyse von Steuerhinterziehung beruhen. Mit dem Mittel der Befragungen kann man das Volumen der Schattenwirtschaft recht gut abschätzen.
Im Gegensatz dazu, setzen die indirekten Methoden auf der Makroebene an. Hier wird untersucht, in wie weit die Schattenwirtschaft ihre Spuren in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft hinterlässt.[53]
„Bei den statistischen Verfahren werden alle möglichen Ursachen in eine statistische Beziehung zu möglichen Indikatoren gesetzt.“[54]
Alle diese Methoden zur Erfassung der Schattenwirtschaft können jedoch keine exakten Ergebnisse liefern, sondern nur grobe Anhaltspunkte geben.
Die Folge dieser Annäherungsmethoden ist, dass grundsätzlich nur mit Schätzwerten der Umfang der Schattenwirtschaft ermittelt werden kann.
4.1.1 Direkte Methoden
(1) Befragungen
Mit Hilfe von Befragungen wird versucht, detaillierte Informationen über die Struktur sowie die Bereiche schattenwirtschaftlicher Aktivitäten zu erlangen. Hierbei werden Individuen in Unternehmen oder Haushalten befragt, ob, in welchem Umfang und in welcher Art und Weise sie sich an Schwarzarbeit beteiligen. Durch das erzielte Befragungsergebnis kann dann auf den Umfang der Schwarzarbeit geschlossen werden.
Der Vorteil dieser Methode ist, dass man detaillierte Informationen über die Struktur der im Schattensektor Beschäftigten, die Art der Beschäftigung sowie die Qualität der Arbeit erhält. Diese Informationen ermöglichen auch eine umfassende Analyse der Ursachen und Gründe der Schwarzarbeit und fördern damit die Entwicklung von Strategien zur Bekämpfung der Schwarzarbeit.
Der Nachteil bei Befragungen ist allerdings, dass diese anfällig für Verzerrungen sind. Schwarzarbeiter sind meist nicht dazu bereit, ihre Aktivitäten zu offenbaren, selbst wenn Anonymität zugesichert wird.
Um trotzdem verwertbare Ergebnisse zu erzielen, ist es erforderlich, durchdachte Fragetechniken anzuwenden. Die Ergebnisse der Befragungen sind leider nur schwer vergleichbar, da unterschiedliche Frageformulierungen und damit auch verschiedene Fragebögen existieren. Aber auch bei guten Fragetechniken ist es ungewiss, ob das gesamte Ausmaß der Schwarzarbeit durch Umfragen erfasst werden kann. Darum geht man, bei Umfragen zur Schätzung des Umfanges der Schattenwirtschaft, nur von einer unteren Grenze aus.[55]
(2) Steuerhinterziehung
Um Steuerhinterziehung aufzudecken, werden mittels Stichproben Personen unter Androhung von Strafen gezwungen, ihr tatsächliches Einkommen offen zu legen. Gibt es eine Differenz zwischen dem tatsächlichem Einkommen und dem deklarierten Einkommen, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um Steuerhinterziehung handelt. Die Ergebnisse aus den Stichproben werden dann für die gesamte Volkswirtschaft hochgerechnet, um das Ausmaß der Schattenwirtschaft zu ermitteln.
Wie bereits bei den Befragungen, sind auch diese Ergebnisse als untere Grenze des Umfangs der Schattenwirtschaft anzusehen.
Das Problem dieser Methode besteht darin, dass es sich nicht um eine repräsentative Stichprobe der Gesamtbevölkerung handelt.
Der Vorteil der direkten Methoden zur Erfassung der Schattenwirtschaft ist, dass man genaue Hinweise erhält, in welcher Größenordnung und in welchen Bereichen „schwarz“ gearbeitet wird. Die Untersuchungsergebnisse erfassen jedoch nur einen Teil der Schattenwirtschaft und geben wenig Auskunft über die Entwicklung im zeitlichen Ablauf. Darum werden diese Untersuchungen häufig als Ergänzung zu den Ergebnissen der indirekten Methoden herangezogen.[56]
4.1.2 Indirekte Methoden
(1) Die Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben:
Bei dieser Methode wird das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben untersucht. Übersteigen die Ausgaben die Einnahmen, wird auf schattenwirtschaftliche Aktivitäten geschlossen. Bei der Berechnung des offiziellen Sozialproduktes in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung kommt es zur Gegenüberstellung der Ausgaben und Einnahmen. Die Ausgaben für Güter und Dienstleistungen werden in der Verwendungsrechnung erfasst. Dem gegenüber stehen die Einnahmen / Einkommen, die in der Verteilungsrechnung zusammengefasst werden. Als Maß für die Größe der Schattenwirtschaft wird die Differenz zwischen der Verwendungs- und der Verteilungsrechnung angesehen.[57]
Bei diesem Verfahren ergeben sich jedoch 3 Probleme:
Die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen beinhaltet Messfehler.
Die Differenz ist abhängig von den angewandten statistischen Erhebungs- methoden, deren Veränderung, dem Untersuchungszeitraum sowie dem Vorgehen der statistischen Ämter und Steuerbehörden.
Die Ausgaben- und Einkommensseite der Sozialproduktrechnungen werden abhängig voneinander erstellt.[58]
(2) Die Diskrepanz zwischen tatsächlicher und offizieller Erwerbsquote:
Bei diesem Ansatz geht man davon aus, dass eine zunehmende Tätigkeit in der Schattenwirtschaft auch die Erwerbsquote beeinflusst, sofern im offiziellen Sektor (wenigstens teilweise) nicht weiter gearbeitet wird. Ein Zeichen hierfür könnte schon eine starke Verringerung der Überstunden sein. Als Maß für die Größe der Schattenwirtschaft dient die Differenz zwischen offizieller und der tatsächlichen Erwerbsquote.
Auch diese Methode zur Erfassung der Schattenwirtschaft zeigt verschiedene Mängel auf. Da die Erwerbsquote auch von vielen anderen Faktoren, die mit der Schattenwirtschaft nicht zusammenhängen, beeinflusst wird, ist die Annahme einer über die Zeit bzw. zwischen verschiedenen Ländern konstanten Erwerbsquote fraglich. Zudem kommt hinzu, dass ein großer Teil der Schwarzarbeiter auch einer offiziellen Tätigkeit nachgeht und nicht nur in der Schattenwirtschaft beschäftigt ist. Um diese zusätzlichen Faktoren zu berücksichtigen, müsste ein neues Verfahren unter sonst gleichen Bedingungen entwickelt werden.[59]
(3) Monetäre Ansätze zur Erfassung der Schattenwirtschaft:
Bei den monetären Ansätzen geht man davon aus, dass schattenwirtschaftliche Aktivitäten üblicherweise in bar abgewickelt werden, damit man möglichst keine Spuren hinterlässt.
Steigt nun der Bargeldbedarf über einen als normal betrachteten, relativen Wert, liegt die Vermutung nahe, dass schattenwirtschaftliche Aktivitäten vorliegen. (siehe Abbildung 2)
Abbildung 2: Grundidee der monetären Ansätze zur Erfassung der Schattenwirtschaft (Quelle: Schneider; Enste, 2000, S. 15)
Monetäre Ansätze lassen sich grob in zwei Verfahren, den Bargeldansatz und den Transaktionsansatz, gliedern.
Der Bargeldansatz: Hierbei wird aus der Differenz zwischen der tatsächlichen Entwicklung der Bargeldnachfrage und dem errechneten „normalen“ Bargeldumlauf auf die Größe und Existenz der Schattenwirtschaft geschlossen. Dies geschieht unter der Annahme, dass die Geschäfte in der Schattenwirtschaft ausschließlich bar abgewickelt werden. Aber Schecks und Naturaltauschaktionen spielen als Entlohnung auch eine Rolle. Weiterhin kann nicht ausgeschlossen werden, dass Abweichungen bei der „normalen“ Bargeldnachfrage nicht nur auf die Schattenwirtschaft zurückzuführen sind. Heute zählt der Bargeldansatz zu den am meisten verwendeten Analysetechniken zur Berechnung des Umfanges der Schattenwirtschaft.[60]
Der Transaktionsansatz: Dieser Ansatz bezieht sich auf das Verhältnis zwischen dem Transaktionsvolumen (Bar- und Giralgeld) und dem Bruttosozialprodukt einer Volkswirtschaft....