Die regionalen Verteilungswirkungen der EU-Agrarstützung sind im Laufe der Zeit zu einem zentralen Thema der (agrar-) politischen und wissenschaftlichen Diskussion geworden. Als ein wesentlicher Grund hierfür ist die wachsende Bedeutung der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion als Politikbereich der EU aufzuführen. Zwar finden in der ökonomischen Literatur die Wirkungszusammenhänge zwischen der finanziellen Unterstützung des Agrarsektors und regionalen Einkommensdisparitäten gerade in der jüngeren Vergangenheit verstärkt Beachtung, allerdings sind bestimmte Aspekte noch immer kaum untersucht. Die vorliegende Arbeit versucht, diese Forschungslücke durch qualitative und quantitative Analysen weiter zu schließen. Nach einer kurzen Einführung wird zunächst die zeitliche Entwicklung der EU-Agrarstützung dargestellt und eine Wirkungsanalyse präsentiert. Anschließend wird der Zusammenhang zwischen den EU-Agrarreformen und der Faktoreinsatzmenge betrachtet. Hierzu werden auf der Basis von Statistiken der Regionalen Landwirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder (R-LGR) verfahrenspezifische Vorleistungskoeffizienten geschätzt. Die empirischen Berechnungen zum Ausmaß der agrarpolitischen Begünstigung bzw. Belastung von Regionen konzentrieren sich auf die Bundesrepublik Deutschland. Dabei werden zwei räumliche Aggregationsebenen unterschieden: zum einen die Bundesländer (NUTS 1-Ebene) und zum anderen die hessischen Landkreise und kreisfreien Städte (NUTS 3-Ebene). Der betrachtete Zeitraum erstreckt sich hauptsächlich auf die Jahre von 1991 bis 2004, in denen es zu erheblichen Anpassungen der agrarpolitischen Instrumente der EU kam. Dort wo es die Datengrundlage zuließ, sind ebenfalls die Jahre ab 1979 bzw. 1986 mit erfasst.
Der empirischen Analyse zu den Wirkungen der EU-Agrarpolitik auf die landwirtschaftlichen Erlöse und die gesamtgesellschaftlichen Einkommen liegt der Vergleich mit einer hypothetischen Situation ohne Politik zugrunde. Bezüglich der landwirtschaftlichen Erlöse lässt sich sowohl auf der Ebene der Bundesländer als auch für die hessischen Kreise und kreisfreien Städte ein positiver Zusammenhang zwischen der Höhe der landwirtschaftlichen Erlöse ohne Politik und der absoluten Agrarstützung nachweisen. In relativer Hinsicht und gemessen als Percentage PSE ist die Agrarstützung allerdings in den erlösschwächeren Regionen höher. Grundsätzlich führt die EU-Agrarpolitik zu einer Verringerung der relativen Streuung der landwirtschaftlichen Erlösen. Zudem kann beobachtet werden, dass sich der „streuungsmindernde“ Effekt der EU-Agrarpolitik seit Anfang der 1990er Jahre tendenziell vergrößert hat. Ein Zusammenhang mit den Reformen der EU-Agrarpolitik oder dem Ausmaß der Agrarstützung kann jedoch nicht festgestellt werden, so dass eher Anpassungen der Produktionsstruktur und -intensität zu diesem Ergebnis führen.
Die Untersuchung zu den Umverteilungseffekten der EU-Agrarpolitik für die Gesellschaft insgesamt macht deutlich, dass die Mehrheit der Bundesländer und die Mehrheit der hessischen Regionen durch diese Politik benachteiligt werden. Dabei lässt sich erwartungsgemäß ein negativer Zusammenhang zwischen der Höhe der Nettotransfers aus der EU-Agrarpolitik und der Bevölkerungsdichte einer Region nachweisen. Außerdem besteht ein negativer Zusammenhang zwischen der Höhe der Nettotransfers und dem verfügbaren Einkommen einer Region. Hierdurch erklärt sich auch, weshalb die EU-Agrarpolitik zu einer Verringerung gesamtgesellschaftlicher Einkommensunterschiede zwischen den Regionen führt. Demnach findet eine Einkommensumverteilung von urbanen und wohlhabenden Regionen zu ländlichen und ärmeren Regionen statt. Ein Einfluss der EU-Agrarpolitik auf Wachstumsentwicklungen im Pro-Kopf-Einkommen konnte nicht festgestellt werden. Für derartige Wirkungen erscheint der Anteil der Nettotransfers mit durchschnittlich etwa einem Prozent am verfügbaren Einkommen zu gering.
Die Ergebnisse weisen somit darauf hin, dass die EU-Agrarpolitik, obwohl es nicht zu ihren expliziten Aufgaben zählt, zu einem Abbau wirtschaftlicher Ungleichgewichte beiträgt. Insofern ist dieser Politikbereich konform mit dem Kohäsionsziel der EU, wonach Einkommensdisparitäten zwischen Regionen verringert werden sollen. Die dargestellten Umverteilungseffekte der EU-Agrarpolitik können dabei sozusagen als „Nebenwirkung“ der produktspezifischen Begünstigung landwirtschaftlicher Erzeuger betrachtet werden.
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