Strategie 1: Fokus –
Aufmerksamkeit bewusst lenken
Sich fokussieren zu können, ist ein wesentliches Kriterium für den unternehmerischen Erfolg. Der Fokus auf bestimmte Themen erfordert eine gute Entscheidung: Wir fragen uns:
• Was ist wirklich wichtig?
• Auf was kommt es hier tatsächlich an?
Die Basis: Leverage Points identifizieren
Um den richtigen Fokus zu finden, ist es hilfreich, seine Aufmerksamkeit auf bestimmte, wesentliche Faktoren zu richten, damit zu arbeiten und diese so in ihrer Wirkung zu verstärken. Das sind die Faktoren, die das Unternehmen entwickeln und die es voranbringen. Um diese Faktoren zu identifizieren, ist eine fundierte Kenntnis des Unternehmens und der Zielmärkte erforderlich. Die Fähigkeit, das eigene Unternehmen zu beobachten, sich Zeit zu nehmen, um Muster zu erkennen und diese zu nutzen, ist hier von besonderem Wert. Sind diese sogenannten »Leverage Points« identifiziert, können Sie systematisch Ihren Fokus auf diese Punkte richten und hier die möglichen Hebel nutzen.
Flexibel bleiben
Gleichzeitig ist es wesentlich, im Rahmen des gefundenen Fokus flexibel und veränderungsfähig zu bleiben. Alles um Sie herum unterliegt einer permanenten Veränderung, die sich in Ihrer eigenen Flexibilität widerspiegelt. Dabei gilt es, eine gute Balance zwischen Stabilität und Veränderung im Unternehmen zu realisieren.
Wir widmen uns auf den folgenden Seiten diesen fünf Themen:
Fokus 1: Aufmerksamkeitsmanagement
Fokus 2: Aufmerksamkeit und Denken
Fokus 3: Leverage Points in Systemen erkennen
Fokus 4: das Prinzip Langfristigkeit
Fokus 5: Flexibilität und Veränderungsfähigkeit
Fokus 1: Aufmerksamkeitsmanagement
»Bei uns wird Multitasking verlangt. Alles gleichzeitig auf dem ›Schirm‹ haben. Dann klappt es. Aber ich habe das Gefühl, dass ich das gar nicht kann«, sagte mir einmal eine Führungskraft im Coaching. Der Manager dachte außerdem, dass seine Kollegen – anders als er – dazu in der Lage seien, ihre Aufmerksamkeit gleichzeitig voll und ganz auf mehrere Dinge zu richten, und schloss daraus, dass sie ihm überlegen waren.
Multitasking als Zaubermittel?
Multitasking scheint die Lösung für das Problem der Komplexität und Parallelität zu sein. Gut, wenn man das kann. Frauen, so meinen viele Menschen, sind in dieser Hinsicht den Männern deutlich überlegen. Das ist jedoch nur eine Hypothese.
Wie ist das zum Beispiel beim Autofahren? Gelingt es Ihnen, mit voller Aufmerksamkeit zu telefonieren oder ein Gespräch mit dem Beifahrer zu führen, wenn Sie Auto fahren? Frauen wie Männer bestätigen sofort, dass sie in einer schwierigen Verkehrssituation ihre Aufmerksamkeit für das Gespräch herunterfahren und sie dem Geschehen auf der Straße widmen. Sie bekommen von dem Gespräch nicht mehr so viel mit, bis der Verkehr wieder normal läuft. Und umgekehrt wissen die meisten Fahrer nach einem konzentriert geführten Gespräch oft nicht so ganz genau, wo sie sind. Sie können nicht beschreiben, wie sich der Verkehr in den letzten Minuten gestaltet hat, oder wissen nicht, wie schnell sie momentan fahren dürfen.
Die volle Aufmerksamkeit kann – wenn man der Gehirnforschung Glauben schenkt – nur bei einem Thema sein. Tut man zwei Dinge gleichzeitig, dann bekommt eine Tätigkeit mehr Aufmerksamkeit und die andere weniger. So lassen sich Routinetätigkeiten gut mit fordernden Tätigkeiten verbinden: Hausarbeit und Radio hören, Essen und ein Gespräch führen, joggen und nachdenken und so weiter.
Eine Versuchsanordnung
Mit der geringen Fähigkeit zu Multitasking sind Sie also in guter Gesellschaft. Die sequenzielle Verarbeitung des Gehirns wird in den letzten Jahren auch immer wieder durch die Forschung nachgewiesen – so erst kürzlich (2009) in einer Studie von Steven Yantis, Professor für Hirnforschung und Psychologie an der Johns Hopkins Universität, und seiner Mitarbeiterin Sarah Shomstein. Sie untersuchten die Gehirnaktivität von 19- bis 35-jährigen Probanden mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT). Die Versuchspersonen wurden gebeten, sich schnell verändernde Buchstaben und Zahlen auf einem Computerbildschirm anzuschauen, während drei unterschiedliche Stimmen ihnen per Kopfhörer andere Zahlen und Buchstaben vorlasen.
Es zeigte sich, dass die Gehirnaktivität sich veränderte, je nachdem, welcher Sinneskanal in den Vordergrund der Aufmerksamkeit rückte: Achteten die Probanden primär auf die visuellen Informationen, sank die Aktivität in den für das Hören zuständigen Gehirnregionen deutlich ab. Im umgekehrten Fall reduzierte sich die Aktivität im visuellen Kortex (Gehirnrinde):
Die Aufmerksamkeit wird geteilt
»Wenn wir die Aufmerksamkeit dem Hören zuwenden, regelt dies gleichzeitig die Signalstärke der eintreffenden Signale im visuellen Bereich unseres Gehirn herunter«, erklärt Yantis. »Die Daten, die wir jetzt haben, deuten stark darauf hin, dass unsere Aufmerksamkeit streng limitiert ist – ein Nullsummenspiel. Wenn die Aufmerksamkeit auf einen Kanal gerichtet ist – beispielsweise das Telefonieren mit einem Handy –, geht dies auf Kosten eines anderen Sinneskanals – in diesem Fall die visuelle Leistung des Fahrens.« (The Journal of Neuroscience)
Diese Auffassung teilen verschiedene Hirnforscher. So zum Beispiel auch Gerald Hüther und Manfred Spitzer, mit deren Erkenntnissen wir uns noch beschäftigen werden.
Aufmerksamkeitslevel wählen
Das Aufmerksamkeitsdilemma
Aufmerksamkeit kann also verteilt, aber nicht vermehrt werden. Vielleicht erleben Sie es auch häufiger, dass viele Dinge, die gleichzeitig ablaufen, Sie eher zerstreuen, als Sie zu fokussieren. Stellen Sie sich einen Tag vor, an dem Sie versucht haben, viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten und parallel an Lösungen zu arbeiten. Außerdem haben Sie sich dabei auch noch bemüht, strategisch an die Dinge heranzugehen. Vermutlich werden Sie anschließend das Gefühl nicht los, nichts wirklich geschafft zu haben – ganz im Gegensatz zu dem Erlebnis, ein Thema tatsächlich durchdrungen und zufriedenstellend bearbeitet zu haben. Die volle Aufmerksamkeit fehlt und damit leidet die Verarbeitungstiefe, die für ein wirkliches Durchdringen einer Thematik Voraussetzung ist.
Es scheint eher unpopulär zu sein, sich mit voller Aufmerksamkeit einem Thema zu widmen. Vermutlich wird man sogar aktiver und energetischer wahrgenommen, wenn man vieles gleichzeitig und nichts richtig macht. Die Qualität leidet aber langfristig unter einem solchen Verhalten und die fehlenden soliden Ergebnisse fallen nach einiger Zeit auf Sie selbst zurück.
Wie Aufmerksamkeit verteilt werden kann
Was schon gelingen kann, ist, seine ungeteilte Aufmerksamkeit im schnellen Wechsel verschiedenen Themen zuzuwenden. So ist es denkbar, ein großes Projekt zu verfolgen, daran strategisch zu arbeiten und immer wieder zwischendurch zu anderen Themen Entscheidungen zu treffen. Sie arbeiten dann an Thema A, bis Ihnen nichts mehr dazu einfällt, dann arbeiten Sie an Thema B, dann an C und dann nehmen Sie sich wieder A vor. Meistens fällt Ihnen dann wieder etwas dazu ein. Das wäre vielleicht auch passiert, wenn Sie intensiver darüber nachgedacht hätten. So haben Sie das Thema A nur in den Hintergrund gebracht und sich mit voller Aufmerksamkeit mit B und C beschäftigt. A blieb aber präsent. Es arbeitete im Hintergrund weiter und wurde dann wieder fokussiert, als B und C entschieden waren.
Aufmerksamkeit ist also kein geschlossenes Konzept, sondern kann eher in verschiedenen Intensitätsstufen betrachtet werden. So können Sie Ihre Aufmerksamkeit gestuft vergeben:
Intensitätsstufen der Aufmerksamkeit
• Level 1 – fokussierte Aufmerksamkeit: Sie versuchen, ein Thema voll fokussiert zu verstehen und sinnvolle Schritte abzuleiten. Dabei nutzen Sie alle Ihre Sinneskanäle und Kontextinformationen, Ihre Aufmerksamkeit schwingt also frei zwischen verschiedenen interessanten und zum Thema gehörenden Aspekten. Ihre Interaktion mit den beteiligten Personen ist fokussiert. Sie lassen sich nicht durch andere Themen ablenken. Diese Mischung aus Fokussieren und freier Aufmerksamkeit bringt viele gute Ergebnisse.
• Level 2 – einfache Aufmerksamkeit: Sie bearbeiten ein Thema, das nicht Ihre gesamte Kapazität benötigt, weil es eine Routinearbeit ist. Sie recherchieren etwas im Internet oder beobachten eine Sitzung. Gleichzeitig denken Sie über andere Dinge nach. Sie haben Ideen und es fallen Ihnen Dinge ein, die Sie noch erledigen möchten, Sie springen gedanklich von Thema zu Thema. Sie lassen Ihre Gedanken treiben. In diesem Modus arbeiten Sie nicht voll fokussiert und das, was Sie vordergründig tun, enthält leicht Fehler. Sie bearbeiten aber gleichzeitig mit entsprechend weniger Tiefe andere Themen.
• Level 3 – Hintergrundaufmerksamkeit: Ein Thema ist für Sie im Hintergrund präsent. Sie denken nicht aktiv darüber nach. Es entwickeln sich möglicherweise dennoch Lösungen, die Ihnen erst bewusst werden, wenn Sie sich wieder voll fokussiert...