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Reisende in Südafrika (1497-1990)

Ein kulturhistorisches Lesebuch

AutorDavid Livingstone, Mahatma Gandhi, Nelson Mandela, Vasco da Gama, Winston Churchill
VerlagPromedia Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl232 Seiten
ISBN9783853718049
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Die Geographin Ulrike Keller hat 28 Originalberichte aus fünf Jahrhunderten zusammengetragen, die ein komplexes kulturgeschichtliches und gesellschaftspolitisches Bild Südafrikas vermitteln. Von Vasco da Gamas Bericht über seine Landung in der Bucht von Sankt Helena und Mosselbay bis Nelson Mandelas Erinnerung an den Tag seiner Entlassung aus jahrzehntelangem Gefängnisaufenthalt spannt sich ein Bogen der besonderen Art, dieses faszinierende Land kennenzulernen.

Ulrike Keller, geboren 1948 in Oldenburg, studierte Geographie und Volkswirtschaft in Göttingen und München. Nach zweijährigem Aufenthalt als Stadtplanerin in Nepal lehrte sie an der Universität Stuttgart. Seit 1982 bereist sie regelmäßig die Länder Asiens und Afrikas.

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Leseprobe

1497 · Vasco da Gama


Auf dem Weg nach Indien


In der Bucht von Sankt Helena und Mosselbay


Vor Vasco da Gama hatten schon andere portugiesische Seefahrer das südliche Afrika erreicht. 1486 hatte Diego Cao an der Küste Namibias ein Kreuz aufgerichtet – noch heute heißt die Stelle Cape Cross, nördlich von Swakopmund gelegen. Der nächste war Bartolomeo Diaz, der 1488 in die Bucht von St. Helena – nicht weit von Kapstadt – einlief, vom Sturm um die Südspitze Afrikas geblasen wurde und in Mosselbay an Land ging. Dort kann man heute einen Nachbau seines Schiffes besichtigen und den Mut bewundern, mit dem sich die Seefahrer jener Tage in kleinen Nußschalen in unbekannte Meere wagten. Auf dem Rückweg kam Diaz zum Kap und taufte es das Kap der Stürme – der portugiesische König benannte es um in »Kap der Guten Hoffnung«, denn die Expeditionen auf der Suche nach dem Seeweg nach Indien gingen weiter.

Zehn Jahre später sollte Vasco da Gama Erfolg haben: nach seinem Besuch in Südafrika, dessen Beschreibung aus einer Zusammenstellung zeitgenössischer Quellen folgt, segelte er weiter nach Mombasa und Malindi und kreuzte dann den Indischen Ozean nach Calicut, das er im Jahr 1498 erreichte. Damit war der Seeweg nach Indien gefunden.

Die portugiesischen Flotten ver­pro­viantierten sich auf der Insel St. Helena (nicht zu verwechseln mit der Bucht nördlich von Kapstadt) oder in Angola, fuhren dann um das Kap bis nach Moçambique, so daß Landungen in den folgenden hundert­fünfzig Jahren auf einzelne Besuche beschränkt blieben .

1580 segelte Francis Drake in höchster Eile am Kap vorbei, die »Golden Hind« beladen mit Schätzen, die er den Spaniern im Pazifik abgenommen hatte und die er seiner Königin Elizabeth bringen wollte – er soll gesagt haben, dies sei das schönste Kap der ganzen Welt.

An einem Mittwoch, dem 1. November – es war Allerheiligen –, entdeckten wir vielerlei Zeichen von Land, nämlich verschiedene schwimmende Tangarten, wie sie normalerweise entlang der Küsten wachsen.

Am vierten Tag desselben Monats, einem Samstag, fanden wir zwei Stunden vor Morgen bei höchstens hundertzehn Faden Tiefe Grund, und um 9 Uhr morgens kam Land in Sicht. Darauf vereinigten wir uns alle und grüßten den Kommandanten mit vielen Flaggen und Wimpeln und Salutschüssen, und wir waren alle dabei festlich angezogen. Noch am selben Tag kehrten wir ganz nah am Land wieder nach der hohen See um und verzichteten, zu erforschen, wie das Land beschaffen sei.

Am Dienstag fuhren wir auf die Küste zu, und es kam ein niedriges Land mit einer weiten Bucht in Sicht. Der Kommandant schickte den Pero de Alemquer in einem Boot ab, um herauszufinden, ob es einen guten Anker­­platz gäbe, und Alemquer fand die Bucht gut und sicher und geschützt gegen alle Winde, außer gegen Nordwest; sie erstreckt sich in west­östlicher Richtung, und Vasco da Gama gab der Bucht den Namen S. Helena.

Am Mittwoch warfen wir in der besagten Bucht Anker und blieben acht Tage dort liegen, reinigten die Schiffe, besserten die Segel aus und frischten unsere Holzvorräte auf.

Vier Léguas südöstlich dieser Bucht liegt ein Fluß, der aus dem Inneren des Landes kommt. Er ist an der Mündung einen Steinwurf breit, zwei bis drei Faden tief und heißt Rio de Santiago.

In diesem Lande wohnen Menschen von brauner Hautfarbe, die sich von Seelöwen ernähren, von Walfischen, Gazellenfleisch und von Pflanzen­­wurzeln. Sie gehen in Felle gekleidet und tragen über ihren Geschlechtsteilen eine Art von Scheide. Ihre Waffen sind im Feuer gehärtete Hornstücke, die sie in Stöcke von wildem Ölbaum einsetzen; und sie halten sich viele Hunde, gerade wie die Portugiesen auch, und diese bellen in derselben Manier.

Die Vögel dieses Landes sind, ebenfalls wie die in Portugal, Seeraben, Möwen, Tauben, Haubenlerchen und viele andere Arten. Das Land macht einen sehr gesunden Eindruck, hat ein gemäßigtes Klima und einen guten Graswuchs.

Einen Tag nachdem wir Anker geworfen hatten – es war ein Donners­tag –, gingen wir mit dem Kommandanten an Land und fingen einen der Eingeborenen. Dieser war klein von Gestalt und ähnelte Sancho Mexia, einem Mitglied unserer Besatzung. Er hatte in der Heide Honig gesammelt, weil in diesem Lande die Bienen den Honig unten in den Büschen bereiten. Wir nahmen unseren Gefangenen mit auf das Schiff des Kommandanten, der ihn dann zu sich an den Tisch setzte, und von allem, was wir aßen, aß er auch. Am folgenden Tag ließ der Kommandant ihm schöne Kleider anziehen und ihn wieder an Land bringen. Tags darauf kamen vierzehn oder fünfzehn von ihnen dorthin, wo wir die Schiffe liegen hatten. Vasco da Gama ging an Land und legte ihnen verschiedene Waren vor, um zu erfahren, ob ihr Land irgendeine davon hervorbrächte, und zwar Zimt und Gewürznelken, Edelsteine und Gold und noch andere Dinge, aber sie verstanden nichts von den Waren, so wie Menschen, die so etwas noch nie gesehen hatten, und der Kommandant gab ihnen deshalb Schellen und Ringe von Zinn. Dies geschah am Freitag und ebenso am darauffolgenden Samstag. Am Sonntag kamen etwa vierzig oder fünfzig von ihnen, und wir gingen, nachdem wir ge­gessen hatten, an Land und tauschten Kupfer­münzen, die wir mitgenommen hatten, gegen Muscheln ein, die sie am Ohr trugen und die versilbert schienen, und gegen Fuchsschwänze, die sie an Stöcken festgebunden hatten und mit denen sie sich Luft zufächelten. Ich kaufte mir für einen Ceitil die Scheide, die einer von ihnen am Geschlechtsteil trug. Kupfer schien uns deshalb hoch bei ihnen im Wert zu stehen, weil sie selbst kleine Kettchen von Kupferkernen im Ohr trugen.

Am selben Tag wollte ein gewisser Fernão Velloso, der auf dem Schiff des Kommandanten fuhr, mit zu den Hütten der Eingeborenen gehen, um zu sehen, wie sie lebten und was sie äßen, kurzum, wie ihre Lebensweise wäre. Und er bat den Kommandanten um Erlaubnis, mit ihnen zu den Hütten der Eingeborenen zu gehen. Vasco da Gama, der sich von ihm be­lästigt sah und ihn nur durch diese Erlaubnis loswerden konnte, ließ ihn mitgehen. Und während wir zum Schiff des Kommandanten zum Essen zurückgingen, entfernte er sich in Gesellschaft der besagten Schwarzen. Nachdem sie uns verlassen hatten, erlegten sie einen Seelöwen und gingen zum Fuß einer Bergkette in ein Dickicht, brieten den Seelöwen und gaben ein Stück davon dem Fernão Velloso, der sie dahin begleitet hatte, und desgleichen von den Pflanzenwurzeln, die sie aßen. Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, sagten sie ihm, er solle zu den Schiffen zurück­gehen, denn sie wollten nicht, daß er sie weiter begleitete. Besagter Fernão Velloso fing, sobald er das Ufer gegenüber den Schiffen erreicht hatte, sogleich an, uns zu rufen, während die Schwarzen in dem Gebüsch verharrten. Wir waren noch beim Essen, und als wir ihn hörten, standen sogleich die Kapitäne und wir anderen mit ihnen vom Essen auf, setzten uns in das Segelboot und fuhren auf das Ufer zu, während die Schwarzen begannen, längs dem Strande auf Velloso zuzulaufen. Sie waren zur gleichen Zeit bei ihm wie wir. Als wir ihn in das Boot aufnehmen wollten, fingen sie an, mit Speeren zu werfen, die sie bei sich hatten, und sie verwundeten den Komman­danten und weitere drei oder vier Leute. Dies war nur möglich, weil wir ihnen getraut und geglaubt hatten, sie hätten nicht genügend Mut und würden nicht wagen, das zu tun, was sie nun getan hatten. Deshalb waren wir auch unbewaffnet losgefahren. Dann ­zogen wir uns zu den Schiffen zurück.

Als wir unsere Schiffe wieder instandgesetzt, gereinigt und genügend Holz geschlagen hatten, fuhren wir an einem Donnerstagmorgen, es war der 16. November, von diesem Lande ab, wobei wir im ungewissen waren, wie weit wir noch vom Kap der Guten Hoffnung entfernt waren. Pero de Alemquer meinte, wir könnten höchstens noch dreißig Léguas bis zum Kap haben. Der Grund, warum er sich nicht genau festlegen wollte, war der, daß er eines Tages am Morgen vom Kap abgefahren und bei günstigem Wind in der Nacht an dieser Bucht vorübergefahren war und daß sie zuvor den Hinweg ebenfalls auf offener See gemacht hatten, so daß er die Entfernung zu Land nicht genau nennen konnte. So gingen wir nun in süd­östlicher Richtung in See, und am Samstagabend kam das besagte Kap der Guten Hoffnung in Sicht. Wir wendeten und hielten zunächst aufs offene Meer, um dann in der Nacht beizudrehen und wieder auf die Küste zuzufahren. Am Sonntagmorgen, es war der 19. November, kamen wir abermals auf die Höhe des Kaps, konnten es aber nicht bezwingen, weil der Wind Südsüdost war und das Kap selbst Nordost-Süd­west liegt, so daß wir unser Manöver wiederholten. Wir drehten ins offene Meer, wendeten und fuhren Montagnacht wieder dem Lande zu. Am Mittwoch­mittag endlich glückte es uns, vor dem Winde um besagtes Kap, der Küste entlang, herumzufahren. Und nahe dem Kap der Guten Hoffnung liegt nach Süden hin eine weite Bucht, die gut sechs Léguas ins Land hineingeht und an ihrer offenen Seite gut ebensoviel Léguas haben wird.

Am 25. Tag besagten Monats, an einem Samstagabend, dem Tag der heiligen Katharina, fuhren wir in die Bucht von S. Braz ein, in der wir dreizehn Tage ankerten, während wir dort das Proviantschiff abtakelten und den Proviant in unsere Schiffe umluden.

Am folgenden Freitag, als wir noch in der besagten Bucht von S. Braz lagen, näherten sich uns ungefähr neunzig Schwarze, die denen in der S.-Helena-Bucht ähnelten. Ein Teil von ihnen kam herunter an den Strand, ein Teil von ihnen blieb auf den Anhöhen. Wir waren um diese Zeit gerade alle, oder doch der größte Teil von uns, auf dem Schiff des Kommandanten, und als wir sie sahen,...

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