Relationship Marketing im Retail Banking
A Einleitung
1. Problemstellung der Arbeit
In der Einleitung zu dieser Arbeit soll der Stellenwert des Retail Banking innerhalb des deutschen Bankgeschäfts aufgezeigt werden. Das Retail Banking der deutschen Kreditinstitute war lange Zeit mit einem durchaus negativen Image behaftet und wurde deshalb von der Mehrzahl der Verantwortungsträger innerhalb der Branche eher kritisch betrachtet. Das Geschäft mit größtenteils standardisierten Finanzdienstleistungen für eine breite Kundenschicht mit eher geringem Einkommen schien lange Zeit nicht lukrativ und aus diesem Grund einfach zu unattraktiv.[1] Dieser Umstand lässt sich größtenteils mit den niedrigen Zinsmargen sowie mit den sich verändernden Wettbewerbsbedingungen auf dem deutschen Retailmarkt begründen. [2] Seit Beginn des neuen Jahrtausends betrug der durchschnittliche Zinsüberschuss der deutschen Kreditinstitute gemessen an ihrer Bilanzsumme 1,2 %. Damit konnte einem internationalen Vergleich mit Ländern wie Spanien, Italien oder Frankreich nicht standgehalten werden.[3]
Der deutsche Finanzmarkt transformierte sich schon während der sechziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts in einen Käufermarkt.[4] Auf diesem konkurrieren seitdem die Universalbanken, sowie in neuester Zeit, auch zahlreiche Wettbewerber aus dem Ausland und dem Spezialbankenbereich um die knappen Einlagen der Kundschaft.[5] Aus diesem Grund ist der Konzentrationsgrad in der deutschen Kreditwirtschaft im europäischen Vergleich auch sehr niedrig.[6] Zudem wird der Wettbewerbsdruck noch durch die europäische Integration und die Globalisierung der Finanzmärkte weiter verstärkt.
Der deutsche Retailmarkt wird seit langer Zeit von den Sparkassen und Genossenschaftsbanken dominiert. Diese Banken können u.a. hohe Marktanteile in den älteren Kundensegmenten vorweisen, welche traditionell ihre Bankverbindung, auch bei Unzufriedenheit, nur selten wechseln. Zudem wurden diese Institute bis zum Jahre 2005 durch die Gewährträgerhaftung auf Sparkassenseite sowie dem Altlastenausgleich bei den Genossenschaftsbanken staatlich subventioniert. Dies verzerrte den Wettbewerb und senkte die Marktchancen anderer Institute.[7] Sparkassen und Genossenschaftsbanken können derzeitig bei den Giro-, Gehalts-, und Sparkonten ungefähr 70 % des gesamten Marktanteiles sowie eine marktführende Stellung im Bauspar- und Versicherungsgeschäft dank ihrer Tochtergesellschaften LBS, Schwäbisch Hall sowie DEKA Fonds und Union Invest vorweisen.[8]
Aufgrund dieser gespannten Marktsituation konnten im deutschen Retail Banking keine wirklich achtenswerten Gewinne präsentiert werden. Dies spiegelte sich auch in einer insgesamt geringen Eigenkapitalrentabilität sowie Gesamtkapitalrentabilität der deutschen Banken wieder.[9] Die durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität der deutschen Kreditinstitute lag nach einer OECD Studie im Zeitraum von 1991 bis 2001 lange Zeit im einstelligen Prozentbereich. Im internationalen Vergleich liegt der Richtwert hingegen bei zirka 20 %. Die Deutsche Bank hatte den besten Return on Equity (RoE) der deutschen Kreditinstitute, konnte sich international aber mit durchschnittlich 16 % nur im unteren Mittelfeld platzieren.[10] Erst im Jahre 2006 wurde die Deutsche Bank durch eine Verschlankung ihrer Konzernstruktur und einer Konzentration auf Kernkompetenzen mit einem RoE von 25 % international wirklich konkurrenzfähig. Dennoch bedrohen externe Faktoren wie die aufkeimende europäische Finanzmarktintegration, die zunehmende Bedeutung der neuen Informationstechnologien sowie die tiefgreifenden sozioökonomischen sowie demographischen Veränderungen die Gewinnmargen auf dem deutschen Retailmarkt zusehends.
Die generelle Ertragsschwäche verdeutlicht das Betriebsergebnis vor Bewertung in % der Bilanzsumme, bei welchem Deutschland mit der generellen europäischen Entwicklung nicht mithalten kann.[11] Zusätzlich zur schlechten Ertragssituation blieben die Aufwendungen der deutschen Kreditinstitute auf einem konstanten Niveau, während diese in anderen Staaten teils stark reduziert werden konnten.[12]
Als bedeutenden Kostenfaktor in Deutschland wird oft der Personalaufwand zitiert. Hierbei wird zumeist auf die umfangreiche Struktur des deutschen Filialnetzes verwiesen.[13] Diese Behauptung kann aber teilweise widerlegt werden. So hat das deutsche Bankensystem einen niedrigen Personalaufwand in % der Bilanzsumme im europäischen Vergleich. Zwar unterhalten die Banken ein umfangreiches Zweigstellennetz, dennoch liegt Deutschland bei den Einwohnern pro Bankstelle aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte im europäischen Schnitt. Dies ist auch bei den Mitarbeitern je Bank bzw. Geschäftsstelle der Fall.[14]
Als wichtige Ursache für den hohen Gesamtaufwand ist das über die Jahre hinweg schwache Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital der gesamten deutschen Bankenbranche, das in einem durchschnittlich hohen Zinsaufwand im Zwölf-Jahres-Vergleich von 4 % der durchschnittlichen Bilanzsumme resultiert.[15] Die hohen Aufwendungen sind z. T. auch dem grundsätzlichen Wesen des Privatkundengeschäfts geschuldet, in welchem, besonders bei den Universalbanken, traditionell hohe Verwaltungskosten anfallen. Dies kann mitunter auf die schlechte Aufwand/Ertrags-Relation der deutschen Banken zurückgeführt werden.[16]
Auch das Verpassen internationaler Entwicklungen hat zu dem heutigen Erfolgsdilemma beigetragen. Allgemeine Zukunftstrends im Strategie- und Strukturbereich wie das Lean Retail Banking wurden größtenteils nicht bzw. nur Ansatzweise umgesetzt.[17] Aufgrund dieser unzureichenden Wirtschaftlichkeit und mangelnden Perspektive muss die Zukunftsfähigkeit des Retail Banking der deutschen Banken ernsthaft hinterfragt werden.
Vergleicht man die einzelnen europäischen Finanzmärkte miteinander, liegen die deutschen Banken in der Kosteneffizienz an letzter Stelle.[18] Das bedeutet, dass diese aufgrund der schlechteren Rahmenbedingungen auf dem deutschen Markt weniger Gewinn erwirtschaften, als das auf anderen Finanzmärkten der Fall wäre. So ist zum Beispiel vonseiten der deutschen Banken auf dem einheimischen Markt ein viel größerer Gesamtaufwand notwendig, um an die Ergebnisse der europäischen Konkurrenz auf deren heimischen Märkten heranzureichen.
Um in der fortschreitenden Globalisierung des Wettbewerbs noch bestehen zu können, rückte die Maximierung der Rendite in den Vordergrund. Aus diesem Grund entließ die Deutschen Bank zahlreiche Mitarbeiter trotz eingefahrener Rekordgewinne.[19] Auch die Allianz AG, mit ihrer Tochtergesellschaft Dresdner Bank, gab 2006, trotz Milliardengewinnen, den Abbau von 7.500 Stellen aus Gründen der strategisch abfallenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit bekannt.[20]
In der Folge richteten sich die deutschen Kreditinstitute neu aus.[21] So konzentrierte man sich vermehrt auf lukrativere Geschäftsbereiche mit größeren Ertragspotenzialen wie beispielsweise dem internationalen Investment Banking. Die Dresdner Bank akquirierte beispielsweise das englische Wertpapierhaus Kleinworth Benson, da dieses aufgrund der Verankerung innerhalb des englischen Trennbankensystems traditionell über mehr Erfahrung und Expertise im internationalen Investment Banking verfügte.[22] Auch die Kreditvergabe an Unternehmen im Rahmen des Aufschwungs boomte. Aber gerade die Talfahrt der internationalen Börsen, der Einbruch der New Economy und die steigenden Unternehmensinsolvenzen im Rahmen des Konjunktureinbruchs vor einigen Jahren haben die Einstellungen der meisten deutschen Banken in dieser Hinsicht stark verändert.[23] Auch die derzeitige Finanzkrise tat in diesem Zusammenhang ihr übriges. Hatten die Banken das Jahr 2007 noch recht unversehrt überstanden, fielen die Zahlen zu Beginn des Jahres 2008 deutlich ab, sodass eine Orientierung an den Ergebnissen des Vorjahres kaum mehr möglich war. Das Bankengeschäft in Deutschland war insgesamt einfach zu riskant aufgestellt und zu sehr von weltwirtschaftlichen Veränderungen abhängig. Eine Neuausrichtung der Strategie im Risikomanagement stellt demnach eine wichtige Maxime für die Zukunft der deutschen Bankwirtschaft dar.
Während die deutschen Banken auf dem einheimischen Markt aufgrund dieser Krisen einbrachen, erzielten ausländische Kreditinstitute hauptsächlich mithilfe des Retail Banking positive Ergebnisse. Das Geschäft mit den Privatkunden bildete die stabile Basis des Bankgeschäftes dieser Institute, mit der die Verluste anderer Sparten halbwegs ausgeglichen werden konnten. Das Retail Banking erwies sich somit als durchaus krisenresistent und konjunkturunabhängig, wodurch konstante Erträge erwirtschaftet werden konnten. Denn auch in Krisenzeiten...