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Revolution im Denken: Rudolf Steiner

Warum Computer nicht denken können

AutorHans Bonneval
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl92 Seiten
ISBN9783743135161
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
"Erkenne dich selbst!" lautete die zentrale Aufgabe, die dem Mysterienschüler alter Zeiten gestellt wurde. Ziel dieser Aufforderung war, daß der Betreffende sich als ein ewiges geistiges Wesen - in einem sterblichen Körper lebend - erkannte, was eine spirituelle Transformation seiner Persönlichkeit zur Folge haben sollte. Die Zeiten haben sich geändert, doch die Aufgabe bleibt bestehen. Heute muß das "Erkenne dich selbst!" auf dem Wege des Denkens verwirklicht werden. Rudolf Steiner hat das Denken in spiritueller Forschungsweise umfänglich ergründet und wie keiner vor ihm beschrieben. Er erkannte das Denken als die Grundkraft des Kosmos, die in allen Erscheinungen schaffend wirksam ist und vom Menschen zum Erkennen des Geschaffenen verwendet wird. Diese bahnbrechende Erkenntnis ermöglichte es ihm, den alten Weg zum "Erkenne dich selbst!" neu, in zeitgemäßer Weise, zu gestalten, wie z. B. in seinem wohl bekanntesten Werk "Die Philosophie der Freiheit" geschehen. Und wollte man das alte Motto an diesen neuen Weg anpassen, so könnte man sagen: "Erkenne das Denken, dann erkennst du die Welt und dich selbst!"

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Leseprobe

4. Wahrnehmung als Maja – Die große Täuschung


Der orientalische Begriff »Maja« hatte ursprünglich eine sehr spezielle Bedeutung, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Heute versteht man darunter, daß die materielle Welt nur eine Täuschung sei, das dahinterliegende Geistige sei das eigentlich Wichtige. Das hat z. B. in Indien dazu geführt, daß viele gläubige Menschen das irdische Leben gering achten und ihr Verhalten entsprechend ihrer Karma-Lehre so ausrichten, daß sie nach ihrem Tode ein gutes Dasein im Geistigen haben werden. Dieser Auslegung des Maja-Begriffes will ich nicht folgen, sondern auf eine ganz andere Art von Täuschung hinweisen, über die uns die Angaben Rudolf Steiners aufklären.

Die Frage, wie der Mensch zum Erkennen der Welt und seiner selbst kommt, scheint leicht zu beantworten, denn gewöhnlich nimmt man an, daß er die Dinge wahrnimmt und dadurch auch erkennt. Wie im Zitat von Dr. Alexander zu lesen ist, nimmt auch er an, daß man erkennt anhand von » … Informationen, die über die Sinne hereinkommen …«. Man sieht etwas, und erkennt dadurch, was man sieht, man hört etwas und versteht dadurch, was man hört – so meint man. Aber ist das wirklich so? Wie Rudolf Steiner in »Die Philosophie der Freiheit« ausführlich darlegt, hat Wahrnehmung grundsätzlich keinen sinnhaften Inhalt. Heute würde man sagen, sie enthält keine Information über das Wahrgenommene. Dem würde natürlich jeder sofort widersprechen – etwa mit dem Argument: »Wenn ich etwas sehe, dann weiß ich doch, was ich sehe«, was durchaus zutreffend, aber unvollständig ist, denn es muß die Frage geklärt werden: Wodurch weiß man, was man wahrnimmt? Und hier ergibt die vertiefte Beobachtung, daß Wissen oder Kenntnis allein durch Denken möglich wird. Wahrnehmung löst lediglich den Denkvorgang aus und sie lenkt ihn auf die jeweiligen Objekte, aber sie gibt keine Auskunft über dieselben. Dies vermag allein das Denken.

Stellen wir uns als Beispiel einen gewöhnlichen Computer vor. Man kann diesem seltsamen Kasten nicht ansehen, was sein Sinn, seine Bedeutung ist – man muß es wissen. Aber das heißt, wenn Sie einen solchen Kasten sehen, dann müssen Sie denken: »Es ist ein Computer«, sonst wissen sie eben nicht, was es ist. Jede Einzelheit, die Sie benennen, ist Resultat eines Gedankens, genauer gesagt, eines Begriffes, denn der Gedanke vermittelt zwar Verständnis, ist aber noch nicht aussprechbar. In die Form des Aussprechbaren gebracht, wird der Gedanke zum Begriff. Wenn Sie also sagen: »Da ist ein Bildschirm«, so ist das ein Begriff – oder: » … eine Tastatur …«, dann ist das ebenfalls ein Begriff. Sehen können sie die Bedeutung nicht, sondern nur die äußere Erscheinung. Jede Art von Erklärung ist ein Gedanke bzw. Begriff, der nicht wahrgenommen, sondern gedacht wird. Schon der Sprachgebrauch weist auf diese Tatsache. Wie bereits erwähnt, sagt niemand: »Meine Augen sehen einen Computer«, sondern: »Ich sehe einen Computer«, wobei das etwas ungenau ausgedrückt ist. Korrekt formuliert müßte gesagt werden: »Ich erkenne bzw. ich verstehe, daß meine Augen einen Computer sehen«. Die Augen können zwar sehen, aber nicht erkennen, die Ohren können hören, aber nicht verstehen, denn das kann nur das stets erforderliche Denken, bzw. das denkende Ich des Menschen. Man kann daher keinerlei Aussage über das bloße Wahrgenommene machen, sondern nur über das, was das Denken über das Wahrgenommene erkennt. Dazu Rudolf Steiner:

GA 004/5/30

»Was ist also die Wahrnehmung? Diese Frage ist, im allgemeinen gestellt, absurd. Die Wahrnehmung tritt immer als eine ganz bestimmte, als konkreter Inhalt auf. Dieser Inhalt ist unmittelbar gegeben, und erschöpft sich in dem Gegebenen. Man kann in bezug auf dieses Gegebene nur fragen, was es außerhalb der Wahrnehmung, das ist: für das Denken ist.«

Auch dieses Zitat zeigt: Man bemerkt das Denken nicht, man glaubt, man würde allein durch Wahrnehmen etwas erkennen, etwas wissen können. Das ist die große Maja unserer Zeit. Die Wahrnehmung selbst enthält nichts, wodurch man sie erkennen könnte.

Der Grund, warum dies nicht erkannt wird, liegt darin, daß das Denken in der unbemerkten Aktivität besteht, welche nach innen gerichtet, Substanz und Form unseres Körpers schafft, nach außen gerichtet, den Sinn der Wahrnehmungsobjekte vermittelt. Dieser Sinn liegt dem Schaffen, dem Denken des Geistes des Objektes zugrunde. Deshalb vermag der aus dessen Denken gewonnene Gedanke uns das Wahrgenommene zu erklären. Doch ähnlich, wie wir unseren Stoffwechsel nicht bemerken, bleibt uns auch das Denken verborgen. In Wirklichkeit denken wir ständig. Doch wenn man sich einmal klar macht, daß keine Wahrnehmung ohne Denken verläuft, dann wird man allmählich das permanente Denken gewahr: Es ist überall dort, wo Sinn aufleuchtet, wo Erkennen, Begreifen, Verstehen auftritt.

GA 002/11/15

»Man ist so gewohnt, die Welt der Begriffe für eine leere, inhaltslose anzusehen, und ihr die Wahrnehmung als das Inhaltsvolle, durch und durch Bestimmte gegenüberzustellen, daß es für den wahren Sachverhalt schwer sein wird, sich die ihm gebührende Stellung zu erringen. Man übersieht vollständig, daß die bloße Anschauung das Leerste ist, was sich nur denken läßt, und daß sie allen Inhalt erst aus dem Denken erhält.«

Die Wahrnehmung ist also der stofflich gewordene Gedanke bzw. Begriff, wenn wir es radikal ausdrücken. Sie gibt dem allgemeinen Begriff eine individuelle Form. Begriffe sind allgemein und gelten für alle Exemplare ihrer Art. Schaut man einen Stuhl an, so verwendet man zum Erkennen den Begriff, der für alle Stühle gilt und bezieht diesen auf den individuellen Stuhl, den man wahrnimmt. Man erkennt gewissermaßen den Begriff in der Wahrnehmung wieder. Den auf ein Wahrnehmungsobjekt bezogenen Begriff nennt man »Vorstellung«. Der allgemeine Begriff wurde auf das Objekt bezogen und dadurch individualisiert. Ohne den Begriff ist die Wahrnehmung leeres Aggregat, die nicht erkannt werden kann, denn dazu bedarf es des Denkens, aus welchem der Begriff gewonnen und durch das Objekt individualisiert wird. Durch ihn kann das Wahrgenommene erkannt werden.

Kehren wir noch einmal zu dem Zitat des Dr. Alexander über die wissenschaftliche Auffassung der menschlichen Wahrnehmung zurück. Da heißt es:

»Unsere Gehirne formen demnach ein Bild der äußeren Realität, indem sie die Informationen, die über unsere Sinne hereinkommen, zu einem reichhaltigen digitalen Wandteppich verarbeiten. Das, was wir wahrnehmen, ist also nur ein Modell, nicht die Realität selbst. Eine Illusion.«

Wenn wir diese Auffassung auf das bisher Besprochene anwenden, bedeutet es, die Wissenschaft hält die Bilder, welche nach ihrer Auffassung das Gehirn aus den Sinneseindrücken formt, nicht für die Realität, sondern für eine Illusion. Gleichzeitig aber wird angenommen, daß wir allein aus der Wahrnehmung heraus unser Erkennen generieren. Wir erkennen die Welt aus einem Modell der Wirklichkeit, aus einer Illusion. Das ist mehr als widersinnig. Damit wären wir bei Schopenhauer und Eduard von Hartmann angekommen, welche behaupteten, die Welt sei unsere Vorstellung. Wir erlebten nur unsere Vorstellungen von der Welt, nicht ihre Realität. Schon Kant hatte formuliert, an das Ding an sich komme der Mensch nicht heran. Wer glaube, die Welt in ihrer Realität zu erkennen, sei ein naiver Realist. Eine solche Auffassung müßte selbst dem wissenschaftsgläubigsten Materialisten verdächtig vorkommen. Denn dieselbe Wissenschaft, welche dem Menschen jegliche Objektivität abspricht, betrachtet gleichzeitig ihre diesbezüglichen Erkenntnisse als wahr und objektiv. In Wirklichkeit webt das Gehirn keinen digitalen Wandteppich, sondern bildet das Wahrgenommene getreulich ab und prägt sich dazu den erklärenden Begriff ein, der durch das Denken im Bewußtsein erscheint. Erst zusammen mit dem Begriff ergibt sich die im Äußeren vorgefundene Realität auch im Innern des Menschen als Vorstellung. In der Realität, der Wirklichkeit, sind Idee und dessen Realisierung vereinigt. Sie bilden gemeinsam das Objekt, die Welterscheinung. Das Problem, den Erkenntnisvorgang zu verstehen, liegt darin, daß die eine Wirklichkeit auf zwei Wegen im Menschen auftritt: als die das Denken anregende Wahrnehmung von außen kommend und als diese erklärender Begriff von innen kommend, im Subjekt erscheinend. Zusammengefügt aber ergeben sie wiederum die vereinigte Wirklichkeit als Abbild im Menschen. Wer dort nur die Abbilder des Wahrgenommenen sucht, um allein damit das menschliche Erkennen zu erklären, muß enttäuscht werden, denn durch jene Abbilder werden die Objekte nicht verstanden, sondern allein durch die dem Abbild hinzugefügten Gedanken bzw. Begriffe.

Wir werden auf diesen Punkt noch des öfteren zurückkommen – besonders in dem Kapitel über die...

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