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E-Book

Richtig argumentieren

oder wie man in Diskussionen Recht behält

AutorJürgen August Alt
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl167 Seiten
ISBN9783406689048
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR

Daß Diskussionen schiefgehen, ist eine beinahe alltägliche Erfahrung. In diesem Buch steht, wie man es richtig macht. Man lernt praxisnah und mit vielen Beispielen nicht nur die Grundelemente vernünftiger Argumentation kennen, sondern auch geeignete Verfahren, um faule Tricks, falsche Schlüsse und rhetorische Fallen abzuwehren. Damit die eigenen Argumente gut ankommen, erklärt Jürgen August Alt darüber hinaus, wie man argumentatives Können und rhetorische Technik wirkungsvoll verknüpft.



<p>&nbsp;Dr. phil. J&uuml;rgen August Alt gibt Rhetorikkurse und Seminare in Kommunikationstraining. Er hat zu diesen Themen auch mehrere B&uuml;cher verfa&szlig;t und au&szlig;erdem eine Einf&uuml;hrung in die Kunst des Zauberns vorgelegt.</p>

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Leseprobe

5. Aussagen, Hypothesen, Theorien – was wir auf jeden Fall darüber wissen sollten


Beispiele für Aussagen haben wir bereits kennen gelernt – denken Sie nur an die Wegbeschreibung für unseren Touristen. Eine solche Beschreibung sagt etwas über die Wirklichkeit, sie ist informativ. Genau dieses Merkmal haben folgende Aussagen gemeinsam:

„Mozart starb 1791 in Wien.“

„Grippe wird durch Viren verursacht.“

„100 n. Chr. gelang es Dionysos von Alexandria, ein kleines Schnellfeuer-Katapult zu entwickeln, eine Art frühes Maschinengewehr.“ (James/Thorpe 1998, S. 181)

„Alle Planetenbahnen sind Ellipsen.“

„Je höher der Schulabschluss, desto größer die Zahl der Zahnarztbesuche.“ (Diekmann 1995, S. 112)

„Zur Auffrischung unseres Selbstvertrauens suchen wir Schwierigkeiten, nur um uns dann in ihnen bewähren zu können.“ (Dörner 1999, S. 395)

„Wenn Lebewesen Zyankali essen, dann sterben sie.“

„Es gibt knapp 15.000 Arten von Plattwürmern, die im Meer, im Süßwasser und in feuchten Landbiotopen vorkommen.“ (Campbell 1997, S. 655)

Sätze (Aussagen) dieser Sorte können sich auf ein bestimmtes Ereignis beziehen, auf eine Regelmäßigkeit in der Wirklichkeit und auf Zusammenhänge zwischen Ereignissen und Prozessen (ja sogar auf Zufälle). Aber immer behaupten sie etwas über die Realität – über vergangene, aktuelle und zukünftige Wirklichkeiten. Diese Art von Aussagen nennen wir deshalb informative Aussagen. Häufig stellt man Behauptungen auf, die – wie sich früher oder später herausstellt – nicht stimmen. Informative Aussagen können wahr oder falsch sein. Wir alle vertreten Aussagen, von denen wir mehr, und Aussagen, von denen wir weniger überzeugt sind. Der Grad unseres Glaubens an Aussagen steht aber nicht zur Diskussion, sondern die Aussagen selbst. Gerade Aussagen, an die ein Mensch mit großer Inbrunst glaubt, stellen sich nicht selten als falsch heraus. Eine informative Aussage bleibt eine informative Aussage, auch wenn sie nicht stimmt. „Der Mond besteht aus Käse“, ist also eine falsche informative Aussage. Falsche Aussagen bevölkern unsere Diskussionen und auch in der Geschichte der Wissenschaften tauchen sie oft auf. Wenn es gut geht, gelingt es rasch, die falschen Aussagen über die Welt zu identifizieren. Das Scheitern informativer Aussagen gehört zu den unverzichtbaren Bestandteilen von Erkenntnisprozessen. Es zeigt, dass wir uns oft irren. Die meisten zeitgenössischen Philosophen – und viele praktizierende Wissenschaftler – vertreten aus diesem und anderen Gründen die folgende Auffassung: Alle unsere Behauptungen über Gott und die Welt, also alle informativen Aussagen, sind Hypothesen. Allerdings gibt es einfache beschreibende Aussagen, die praktisch sicher sind, an denen kein vernünftiger Mensch zweifelt, wie: „In diesem Zimmer befindet sich kein Rhinozeros“ (ein Beispiel von Bertrand Russell). Und dank der wissenschaftlichen Erforschung der Welt können wir davon ausgehen, dass viele Hypothesen niemals wiederkehren. „Die Erde ist eine Scheibe“ ist falsch und wird falsch bleiben. Solche Hypothesen spielen in unseren Diskussionen keine Rolle – sofern wir nicht gerade über die Geschichte der Wissenschaft debattieren. In Diskussionen setzen wir uns meistens mit kühneren Aussagen auseinander, mit Aussagen, die umstritten sind. Nun gut, aber was haben wir uns unter einer Theorie vorzustellen? „Die Erde ist eine Scheibe“ ist doch eine alte ehrwürdige Theorie über den Ort, den wir bewohnen. Tatsächlich verwenden manche Autoren „Theorie“ und „Hypothese“ als (nahezu) bedeutungsgleiche Begriffe. So wird beispielsweise behauptet: Auch die großen naturwissenschaftlichen Theorien, wie die von Einstein, sind Hypothesen – Hypothesen, die sich bisher bewährt haben, die vielleicht auch wirklich stimmen. Übrigens würde Einstein, wenn er noch lebte, diese Auffassung teilen. Der folgende Differenzierungsvorschlag erscheint mir dennoch sinnvoll: Die Scheibentheorie der Erde umfasst mehr als die eine Aussage, die Erde sei eine Scheibe. Sie ist mit weiteren Aussagen verknüpft, Aussagen, die u.a. die folgenden Fragen beantworten: Wie ist diese Scheibe befestigt? Liegt sie im Wasser? Und worauf ruht dann das Wasser? Wie groß ist die Scheibe? Eine Theorie besteht folglich aus einem Geflecht informativer Aussagen. Diese Aussagen stehen in logischen Beziehungen zueinander. So sollten sich die Aussagen, aus denen eine Theorie gebaut ist, nicht widersprechen. Theorien sind verknüpfte Hypothesen.

Informative Aussagen unterscheiden sich in der Fülle dessen, was sie über die Welt behaupten. Die einen sagen mehr aus, die anderen weniger, manche (fast) gar nichts. Aber was kennzeichnet Aussagen, die einen hohen Gehalt an Informationen haben? Betrachten wir hierzu ein Beispiel:

„Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist.“

Offensichtlich können wir mit dieser Behauptung nichts anfangen. Sie sagt fast nichts aus, weil sie zu viel offen lässt. Aber Aussagen lassen sich verbessern – versuchen wir es:

„Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, verändert sich das Wetter innerhalb der nächsten 3 Tage“.

Schon besser! Jetzt wird ein Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen behauptet, und Sie und ich könnten herauszufinden versuchen, ob dieser Zusammenhang tatsächlich existiert – ob die Aussage stimmt. So richtig zufrieden sind wir aber noch nicht. Hähne krähen oft, ab wann sollen wir die Tage zählen? Machen wir einen weiteren Versuch:

„Wenn der Hahn öfter als 10mal an einem Tag kräht, dann verändert sich das Wetter innerhalb der nächsten 3 Tage“.

Diese Aussage ist besser; sie läßt sich richtig prüfen. Bitte beachten Sie, dass wir über den Gehalt einer Hypothese diskutieren können, ohne danach zu fragen, ob sie auch stimmt. Dieses kleine Beispiel zeigt uns u.a. folgendes: „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, dann ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist“ ist eine wahre Behauptung, eine Aussage, die stimmt, eine sichere Sache. Aber die Sicherheit hat einen zu hohen Preis. Sichere Aussagen zu finden – das allein reicht nicht aus. Was wir brauchen sind gehaltvolle Hypothesen, die nicht alles offen lassen, die vielmehr etwas über die Wirklichkeit behaupten, die interessante Fragen beantworten. Solche Aussagen sind Gegenstände einer Diskussion.

Wir klassifizieren Aussagen


Mit den informativen Aussagen haben wir bereits eine der Sorten kennen gelernt, die wir beim Diskutieren auf eine besondere Weise behandeln müssen. Nun ist es durchaus möglich, auch noch innerhalb dieser Gruppe informativer Aussagen weitere Unterscheidungen vorzunehmen. Zum Beispiel gibt es Sätze, die ein einzelnes Ereignis beschreiben, und andere, die mit dem Wort „alle“ beginnen, wie z.B.: „Alle Menschen sind sterblich.“ Um diese Differenzierungen müssen wir uns hier aber nicht weiter kümmern. Was wir brauchen, ist eine überschaubare Aussagenklassifikation, die Ihnen beim Diskutieren wirklich weiterhilft. Eine wichtige Sorte von Aussagen, die man vielleicht zu den informativen zählen könnte, nehmen wir so jetzt etwas genauer unter die Lupe: die technologischen Aussagen, Aussagen über Mittel. Diese werden in der Fachliteratur von einigen Autoren als „instrumentelle Äußerungen“ bezeichnet, andere nennen sie „technologische Hypothesen“, und wir finden ohne Mühe noch ein paar weitere Begriffe. Natürlich kommt es nicht darauf an, sich all diese Begriffe zu merken. Entscheidend ist vielmehr, die diversen Aussagen-Arten zu unterscheiden, also richtig einordnen zu können. Technologische Aussagen dienen dazu, Vorschläge zu unterbreiten, wie ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann. Beispielsweise raten wir einer Freundin, die an Magenschleimhautentzündung leidet, morgens Kamillentee zu trinken und Entspannungsübungen zu machen. Einer solchen Aussage liegen Hypothesen zugrunde – in diesem Fall vermuten wir einen Zusammenhang zwischen Stress und der Erkrankung; darüber hinaus erwarten wir, dass bestimmte Übungen den Stress abbauen helfen. Des weiteren nehmen wir an, der Verlauf der Erkrankung ließe sich durch die Wirkstoffe im Kamillentee beeinflussen. Solche Annahmen, die hinter unseren technologischen Aussagen stehen, werden beim Diskutieren oft als bekannt vorausgesetzt. Die Frage, welche Mittel geeignet sind, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen, beschäftigt uns in Diskussionen – und beim Nachdenken – sehr häufig. Nicht immer ist den Beteiligten das Ziel wirklich klar, noch wissen sie, dass Aussagen über Mittel aus Theorien entwickelt werden – und zwar im Hinblick auf Ziele. Das kann Diskussionen erheblich beeinträchtigen.

Während uns bei den informativen Aussagen interessiert, ob diese stimmen, ob sie der Realität entsprechen, beschäftigt uns im Falle der technologischen Aussagen die folgende Frage: Erreichen wir mit den vorgeschlagenen Mitteln...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel2
Zum Buch3
Über den Autor3
Impressum4
Inhalt5
1. Einleitung7
2. „Warum soll ich überhaupt vernünftig sein?" – ein Plädoyer für die Kunst vernünftiger Argumentation9
3. Voraussetzungen vernünftiger Argumentation13
Zwei Hauptregeln16
4. Wie wir Diskussionen vorbereiten und leiten können – einige nützliche Tips18
5. Aussagen, Hypothesen, Theorien – was wir auf jeden Fall darüber wissen sollten21
Wir klassifizieren Aussagen24
Wir gliedern eine Rede28
6. Begriffe, Definitionen, Klassifikationen – wie wir richtig damit umgehen30
7. „Können Sie das auch beweisen?"36
8. Kritik üben38
Wir kritisieren informative Aussagen39
Wir kritisieren technologische Aussagen43
Wir kritisieren normative Aussagen46
Ein Gespräch über Moral51
Sein und Sollen: Wie vernünftig ist die Unterscheidungzwischen informativen und normativen Aussagen? – ein kleiner Exkurs55
Ideologiekritik – ein Überblick57
9. Fehler beim Argumentieren: Fehlschlüsse, faule Tricks und Immunisierungsstrategien64
Achtung Fehlschlüsse!65
Genetische Fehlschlüsse65
Angriffe auf die Person66
Intentionalistische Fehlschlüsse71
Performative Widersprüche72
Naturalistische Fehlschlüsse74
Faule Tricks76
Trick Nr. 1: Die Entweder-Oder-Taktik76
Trick Nr. 2: Aussagen entstellen78
Trick Nr. 3: Ausweichen in Details79
Trick Nr. 4: Definitionen-Abfrage81
Trick Nr. 5: Gegenfragen81
Trick Nr. 6: „Ja, aber“82
Immunisierungsstrategien – nur nicht die Nerven verlieren82
Vage und schwärmerisch formulieren83
Mit Begriffsmonstern argumentieren84
Eine privilegierte Position haben84
Alles eine Frage des Glaubens87
Thesen nachträglich verändern90
Ad hoc-Thesen erfinden91
10. „Ich habe aber die Erfahrung gemacht …" – Erfahrungen als Argumente?93
Theorien und Erfahrungen – einige Erläuterungen94
11. „Als Betroffene muss ich dazu sagen …" – Betroffenheit als Argument?98
12. „Alles hängt doch vom jeweiligen Standpunkt ab, alles ist relativ" – ist der Relativismus vermeidbar?101
Der Relativismus der Esoteriker105
13. Die Gesprächspartner – wie wir sie unterscheiden können110
14. Argumentieren und kommunizieren – die Botschaften des Körpers und der Stimme112
Frauen und Männer – wie verschieden reden und argumentieren sie?115
15. Gut präsentieren, vernünftig argumentieren120
Richtig vorbereiten121
Gut gliedern123
Richtig sprechen132
Verständlich formulieren139
16. Die Präsenz – wie wir sie optimieren können146
Über den richtigen Umgang mit Medien150
17. Ein Fazit: Möglichkeiten und Grenzen vernünftiger Argumentation154
18. Das große Finale155
Literaturhinweise161
Register166

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