Juli 2015
Aller Anfang ist Glückssache
Montag, 20. Juli 2015 – 09:59 Uhr: Leicht angespannt sitze ich vor meinem Bildschirm im Büro und klicke in kürzesten Abständen auf die linke Maustaste, die den „Aktualisieren“-Button auf der Anmeldeseite für die Challenge Roth 2016 auslöst. Laut den Informationen der Challenge Roth Homepage wird geraten, pünktlich zum Start der Anmeldung um 10:00 Uhr online zu sein, da erfahrungsgemäß die Startplätze innerhalb von wenigen Sekunden vergeben sind.
„Das sind ja tolle Aussichten“ waren meine Gedanken damals, als ich ungefähr im Mai beschlossen habe, mich dem Projekt Ironman in Roth zu widmen. Ich weiß noch, wie ich damals mit dem Gedanken spielte, ob ich es tatsächlich machen soll. Begonnen hat das alles bereits in Jugendjahren. Zwar war ich immer 100%iger Fußballer und in meinem Leben gab es auch nichts anderes, als den ganzen Tag dem runden Leder hinterherzujagen, doch ich kann mich noch an die Berichterstattungen der sonntäglichen ZDF-Sportreportage oder der ARD-Sportschau erinnern, wenn sie vom Ironman auf Hawaii berichtet haben. Auch kann ich mich an Übertragungen vom Triathlon in Roth erinnern, wenn die Sportler diesen einen Berg (jetzt weiß ich, dass das der Solarer Berg war) hochfuhren. Ich habe diese Athleten immer bewundert. Doch so etwas zu schaffen war für mich damals irgendwie unmenschlich und unrealistisch. Es war ein Traum von Ruhm und Ehre, den man als Jugendlicher hin und wieder hat. Doch irgendwie hatte Fernsehen für mich immer etwas von einer Scheinwelt. Etwas, das es in der Realität nicht gibt.
Triathlon spielte lange Zeit ehrlicherweise keinerlei Rolle in meinem Leben. Ich war erfolgreicher Fußballer, spielte 4-5 mal die Woche auf gehobenem Amateurniveau, war dort Führungsspieler, zweiter Kapitän, war bekannt für unbedingten Willen, großer Disziplin sowie enormen Ehrgeiz, für Zuverlässigkeit und ausgeprägtem Teamgedanken und verfolgte zielstrebig meine Ziele. Doch trotzdem schaffte es die Faszination Ironman wieder in mein Leben. Im Jahr 2011 las ich zufällig in der ortsansässigen Zeitung, dass ein Jugendfreund von mir, den ich aus den Augen verloren habe, erfolgreich an der Challenge Roth teilnahm. Mein Jugendfreund war immer der talentiertere Sportler, meine Stärke war hingegen die bereits erwähnten Eigenschaften Disziplin, Wille und Ehrgeiz, wodurch ich so manch fehlendes Talent ausgleichen konnte. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich mit meinem damaligen Arbeitskollegen darüber sprach. Das war der Moment in dem ich erkannt habe, dass es wohl tatsächlich auch für einen normalen Menschen wie mich möglich ist, so etwas zu schaffen. Die Scheinwelt des Fernsehens begann zu bröckeln.
Die damalige Erkenntnis fiel mir wie Schuppen von den Augen. Georg Hettich, der 2006 bei den olympischen Spielen von Turin völlig überraschend und unverhofft die Goldmedaille im Einzelwettbewerb der Nordischen Kombination holte, beschrieb seinen Olympiatriumpf kurz nach der Siegerehrung im Fernsehinterview mit den Worten: „Olympiasieger – ich dachte, das gibt es nur im Fernsehen.“ Ähnlich war meine Erkenntnis auch. Ironmänner gibt es nicht nur im Fernsehen. Mein Jugendfreund hat bewiesen, dass es auch für normale Menschen möglich ist. Erstmals war es greifbar, doch die Vorstellung, es tatsächlich anzugehen, war auch damals noch nicht real.
Dazu brauchte es ein weiteres Aha-Erlebnis. Es vergingen fast drei Jahre, bis ich 2014 den Impuls bekam, es tatsächlich auf meine To-Do-Liste für´s Leben zu nehmen. Bei der Wahl zum Sportler des Jahres unserer regionalen Tageszeitung war ich als Gast eingeladen um auf der Bühne einen kleinen Einblick in meine Arbeit als Mentaltrainer zu geben. Im Vorgespräch berichtete mir der Sportredakteur und Veranstalter, dass ich im Anschluss an die letzte gezeitete Roth-Finisherin an der Reihe bin.
Die Einlage war gelungen, denn Ziel war es, nicht nur den Sportlern die Bühne zu schenken, die in ihren Disziplinen mit Titel oder Erfolgen glänzten, sondern auch einmal die Leistungen von Sportlern zu würdigen, die nicht den ersten Platz belegten, jedoch trotzdem Außergewöhnliches leisteten. Ich war gespannt und als sie aufgerufen wurde, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nicht wie von vielen jetzt vermutet, kam eine durchtrainierte, schlanke, 1,70m große sportlich wirkende, Modelathletin auf die Bühne.
Nein, es war eine ca. 1,45m große Frau mit weiblichen Kurven, hinter der man diese Leistung keinesfalls vermutet hätte. Großes Staunen machte sich im Saal breit. Ich bin ehrlich, auch ich konnte nicht glauben, dass sie eine solche sportliche Herausforderung erfolgreich gemeistert hatte. Wieder einmal wurde ich darüber belehrt, dass der wahre Wert eines Menschen im seinem Inneren zu finden ist, denn sie entfachte ein Feuerwerk der Emotionen, als sie vom Event sprach. Sie inspirierte den ganzen Saal und sie schloss mit den Worten „Glaubt an eure Träume, sie können wahr werden“. Was für ein magischer Moment. Ich hatte Tränen in den Augen und wurde unsanft in meine aktuelle Realität zurückgeholt, als ich meinen Namen hörte und auf die Bühne ging. Der Moment blieb in Erinnerung und an diesem Abend fasste ich den Entschluss, dass ich es eines Tages versuchen werde.
Anfang 2015 meldete ich mich mit meiner damaligen Freundin unabhängig von den Ereignissen der Sportlerwahl zu einem Sprinttriathlon an. Da kamen die Erinnerungen wieder. Die Rahmenbedingungen es zu versuchen waren gegeben. Meine Karriere als Fußballtrainer endete im Mai 2015 und ich wusste, dass ich den Fußballsport definitiv an den Nagel hängen werde. Ich wollte meine Zeit nun etwas Neuem widmen. Beruflich schien zum damaligen Zeitpunkt auch noch nichts dagegen zu sprechen und auch privat waren die Umstände gegeben, denn ich hatte noch keine eigene Familie und trotz meinen 36 Jahren war Familienplanung auch noch nicht im Gange. Seit Januar habe ich wieder regelmäßig beim Mannschaftstraining meines Fußballteams, das ich zu der Zeit noch trainierte, teilgenommen. Dazu bin ich auch wieder öfters laufen gewesen und regelmäßig mit dem Trekking Rad in meine 20km entfernte Arbeitsstelle gefahren. Ich war also verhältnismäßig fit, wenn auch weit weg von einem Ironman.
Wenn nicht jetzt, wann dann?!
Also erkundigte ich mich nach der Möglichkeit, in Roth bei der Challenge zu starten. Klar, dass ich mich direkt auf der Homepage informierte. Es gab zwei Möglichkeiten. Erstens, sich am Tag nach dem Wettkampf direkt in Roth vor Ort für das nächste Jahr anzumelden, doch diese Möglichkeit schien mir fremd. Also blieb nur die zweite Möglichkeit: Die Online-Registrierung! Doch da stand er, dieser Satz, der das alles hat fraglich werden lassen. „Erfahrungsgemäß sind die Startplätze innerhalb weniger Sekunden vergeben.“ Die Chance auf einen Startplatz war somit nicht sehr groß. Ich fasste für michden Entschluss, das Schicksal entscheiden zu lassen. Ich dachte mir, ich probiere es einfach. Wenn das Schicksal will, dass ich einen Startplatz bekomme, dann bekomme ich einen, will es das nicht, erhalte ich eben keinen. Zwar habe ich versucht, dem Schicksal etwas zu helfen, indem ich Freunde, Familie und Bekannte animierte, sich für mich ebenfalls zu registrieren, aber alle hatten entweder selbst Termine, es vergessen, oder aber gar nicht gewusst, was sie genau machen sollten. Also hing es ganz allein an mir, dem Schicksal die Chance zu geben mich auszuwählen.
Am 01. Juli startete ich bei einem neuen Arbeitgeber als Projektleiter und ausgerechnet am Anmeldetag stand um 10:00 Uhr eine Besprechung auf dem Plan. „Nein, ich muss Prioritäten setzen“. Den Termin habe ich verschoben und so kam es, dass ich an diesem einschneidenden Tag in meinem Leben vor meinem Bildschirm sitze und auf 10:00 Uhr warte.
Noch immer klicke ich wie wild auf den Aktualisieren-Button. Nichts passiert. Gut, es ist noch immer 9:59 Uhr.
Aktualisieren – und die Uhr springt um auf 10:00 – eine Maske erscheint – schnell die notwendigen Daten (Name, Vorname, Emailadresse) eingeben - bestätigen – ein „Herzlichen Glückwunsch“ ist auf dem Bildschirm zu lesen.
Das Herz pocht. Habe ich mich gerade wirklich für einen Ironman angemeldet? Ja, habe ich, beziehungsweise fast, denn nach diesem Vorgang erhält man per Mail einen Link, über den man eine Woche Zeit hat, seine Anmeldung rechtswirksam abzuschließen.
Ich lasse mich in meinen Bürostuhl fallen, die Anspannung fällt von mir ab. Ich merke, wie sich ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert. Und dann kommt die Erkenntnis: „Ich habe tatsächlich einen Startplatz für die Challenge Roth am 17.07.2016. Oh mein Gott, was mache ich denn jetzt?“
Triathlon
Von Triathlon habe ich bis zum heutigen Tag ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es eine Kombination aus dendrei Sportarten Schwimmen, Radfahren und Laufen ist. In dieser Reihenfolge werden die drei Disziplinen auch absolviert. Was ich auch herausfinde ist, dass der Start auf unterschiedliche Arten erfolgen kann. Es gibt Massenstart,...