Eine Erfolgsgeschichte im Zeichen der Krone
Hans Wilsdorf, Gründer der Uhrenmarke Rolex
Prominente Werbeträger, geschicktes Product-Placement – zum Beispiel in einigen James-Bond-Filmen – und ein von Anfang an gelungenes Marketing reichen aber als Erklärung nicht aus, warum Rolex in rund 100 Jahren vom Kunstbegriff zur Markenikone gereift ist. Dazu gehört auch ein gerüttelt Maß an Substanz, wie die Geschichte von Rolex und des Gründers Hans Wilsdorf zeigt.
Viele wichtige Menschen tragen Rolex. Der Dalai Lama etwa, der seine Datejust von einem befreundeten Staatsmann geschenkt bekam. Diese Form von PR erfreut die Rolex-Führungsriege. Dort schmückt man sich gerne mit seriösen Persönlichkeiten. Mit Freuden registrierte man in Genf einst, dass sich etwa Winston Churchill, Konrad Adenauer oder Charles de Gaulle öffentlich mit einer Rolex am Arm zeigten. Heute kommen die Testimonials der Luxusmarke eher aus den Bereichen Forschung und Sport. Einstige Champions wie der Rennfahrer Sir Jackie Stewart, der Golfer Arnold Palmer oder der Skirennläufer Jean-Claude Killy sprechen die solvente Generation 50 plus an, während sich die Jungdynamiker eher vom aktiven Tennisass Roger Federer angesprochen fühlen sollten. Sie alle werben für eine Marke, die weltweit einen Bekanntheitsgrad hat, der mit Mercedes-Benz oder Coca Cola vergleichbar ist.
Wie der Name Rolex entstanden ist, darüber scheiden sich die Geister. Der deutsche Uhrenfabrikant Hans Wilsdorf (1881–1960) aus Kulmbach erklärte, er habe den Namen, der sich angeblich von «horlogerie exquise» ableitet, selbst erfunden. Eine andere Anekdote besagt, dass ein spanischer Mitarbeiter von Wilsdorf aus dem Begriff „Relojes excellentes“ (spanisch: hervorragende Uhren) das Kürzel „Relex“ bildete. Belegt ist beides jedoch nicht.
Sicher ist jedoch, dass jener Hans Wilsdorf im Jahr 1908 die Montres Rolex SA gründete und damit den Grundstein für eine in dieser Branche bis heute beispiellosen Erfolgsgeschichte legte. Der Rolex-Gründer hatte sich zum Ziel gesetzt, eine ganggenaue Armbanduhr zu präsentieren, die mit den damals noch dominierenden Taschenuhren konkurrieren konnte.
Er definierte die Grundwerte der Marke, die bis heute den Markenkern bestimmen: Höchste handwerkliche Qualität in Herstellung und Verarbeitung, größtmögliche Präzision, dazu Robustheit und Alltagstauglichkeit – bis hin zu Modellen für verschiedene Gebrauchszwecke unter Extrembelastungen.
Wilsdorf war mehr als ein Fabrikant, er war auch ein begnadeter Verkäufer und dazu ein Fachmann für Marketing – eine Zunft, die damals noch unter dem Etikett „Propaganda“ firmierte. Rasch hatte er erkannt, wie man Menschen als „Testimonials“ einsetzt, um die Botschaft von Produkten zu transportieren – siehe oben. Mit ungeheurer Willensstärke und Entschlusskraft, versehen mit einem sicheren Instinkt, setzte er seine Ideen und Ideale um.
Dabei hatte seine Biografie mit einem großen Schicksalsschlag begonnen: Mit 12 Jahren verlor er kurz hintereinander beide Elternteile, zuerst die Mutter, dann den Vater. Um ihn und seine beiden Geschwister kümmerte sich nun die Verwandtschaft, die das väterliche Geschäft veräußerte und den erzielten Ertrag gewinnbringend anlegte. Es handelte sich dabei um die bayrische Bierbrauerdynastie Meisel, aus der die Mutter stammte. Warum aus dem kleinen Hans nicht einen tüchtigen Braumeister machen? Doch nichts lag Wilsdorf ferner.
Auf eigenen Beinen stehen
Nach der Zeit im Internat in Coburg sowie dem Abitur absolvierte er eine kaufmännische Lehre bei einem Mann in Bayreuth, der mit Kunstperlen einen weltweiten Handel betrieb. Das Kaufmännische lag ihm; gleichzeitig hatte er großes Interesse an Uhrentechnik und Fremdsprachen. So ging er mit knapp 20 Jahren in die Schweiz nach La Chaux-de-Fonds zu der großen Uhrenexportfirma Cuno Korten. Für 80 Franken im Monat erledigte er die englische Korrespondenz, machte Büroarbeiten und zog täglich die Taschenuhren auf, mit denen das Unternehmen handelte. Die Präzision der Zeitmessung wurde schnell zu seiner Obsession. Von einem Teil seines väterlichen Erbes kaufte er drei goldene Taschenuhren und ließ deren Genauigkeit an einer Sternwarte durch Gangzeugnisse protokollieren. Danach verkaufte er die Uhren gewinnbringend.
Bevor er 1903 in das damalige Zentrum der industriellen Welt nach London zog, absolvierte Wilsdorf in der Kaiserlichen Armee des Deutschen Reichs seinen einjährigen Wehrdienst. 1905 gründete er in London zusammen mit dem wesentlich älteren Alfred James Davis eine eigene Uhrenhandelsfirma unter dem Namen „Wilsdorf & Davis“. Sein Kapital musste er sich teilweise von Bruder und Schwester leihen, denn bei der Überfahrt nach England hatte man ihm seine 30.000 Goldmark aus dem väterlichen Erbe gestohlen.
Waren es die Taschenuhren gewesen, die Interesse und Begeisterung für die Welt der Uhren geweckt hatten, so war es jetzt vor allem die Branchenneuheit Armbanduhr in einem sich rasch entwickelnden Markt. Bei der Uhrwerkfabrik Aegler in Biel kaufte er eine solche Menge an hochwertigen, kleinen Ankerwerken, dass die zu zahlende Summe den fünffachen Betrag des Firmenkapitals betrug. Doch sein Plan ging auf und der Erfolg gab ihm Recht.
Schon 1907 eröffnete das florierende Unternehmen eine Dependance in La Chaux-de-Fonds. 1908 gehörte Wilsdorf & Davis zu den größten Firmen im europäischen Uhrenhandel und hatte 200 Modelle im Programm. Die Uhren gelangten anonym oder mit dem Logo des jeweiligen Händlers in den Verkauf. Lediglich die Gehäuse waren mit „W/D“ für „Wilsdorf & Davis“ gestempelt. Das missfiel dem Patron ebenso wie die Tatsache, dass Armbanduhren zu dieser Zeit noch fast ausschließlich der Damenwelt vorbehalten waren und als „unmännlich“ galten.
Gegen alle Widerstände
Als ersten Schritt dachte er sich dazu einen Produktnamen aus, über den er später schrieb: „Er war so kurz und dabei so einprägsam, dass daneben auf dem Zifferblatt noch der Name des englischen Händlers genügend Platz fand. Was aber besonders wertvoll war: ROLEX klingt gut, ist leicht zu behalten und wird zudem in allen europäischen Sprachen gleich ausgesprochen.“ Es sollten 20 Jahre vergehen, bis sich der neue Name etabliert hatte. Anfänglich hatte Wilsdorf einen Trick angewendet: In den Sechser-Schachteln wurden jeweils nur zwei Uhren mit «Rolex» beschriftet, später dann drei oder vier, und so konnte sich der Name auch in den Schaufenstern der Händler durchsetzen.
Natürlich musste das junge Unternehmen einen Qualitätsbeweis für kleine Uhrwerke erbringen. Konnten die zierlichen Damenuhren den respektablen Chronometern in den Westentaschen der Herren in Sachen Genauigkeit Paroli bieten? Sie konnten!
Schon 1910 hatte Wilsdorf in Biel ein Gangzeugnis erster Klasse für ein Armbanduhrwerk mit 24,81 mm Werkdurchmesser erhalten. 1914 gelang Rolex das Kunststück bei der Sternwarte Kew in England: Dort wurde die erste Armbanduhr mit einem Gangschein der Klasse A geehrt, weil sie die Gangleistung eines Marinechronometers erbracht hatte. Schlagartig gehörte Wilsdorf damit zum Kreis der renommiertesten Uhrmacher Englands – und das mit einer Armbanduhr!
Die Uhrwerke lieferte von Anfang an die Firma Aegler in Biel, hinter der Jan Aegler mit seinem 1878 gegründeten Betrieb stand. Seit 1881 hatte die Firma ihren Sitz in Rebberg bei Biel und exportierte seit 1900 Damenarmbanduhren in die ganze Welt – ausgenommen England (ab 1913), um den wichtigen Geschäftspartner Rolex nicht zu konkurrenzieren. 1914 wurde die Firma unter dem Namen „Aegler SA, Rolex Watch Company“ in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Sie beschäftigte 200 Mitarbeiter und war der Exklusivlieferant für „Wilsdorf & Davis Rolex Watch Company“. Als Unternehmen blieb Aegler selbstständig – ein Zustand, der sich erst 2004 ändern sollte, als der damalige Rolex-Präsident Patrick Heiniger das Unternehmen für die stolze Summe von 2,5 Milliarden Schweizer Franken kaufte und in die Rolex SA eingliederte.
Der Krieg als Vater aller Dinge
«Bellum omnium rerum pater est», spricht der Lateiner, und in Bezug auf die Armbanduhr mag dies auch tatsächlich zutreffen. Die zahlreichen englischen Kolonialkriege und nicht zuletzt der Erste Weltkrieg beförderten die Uhr ans Handgelenk – an jenen Ort, wo sie die Offiziere schnell und unkompliziert ablesen konnten, um Angriffe von Artillerie und Infanterie zu koordinieren.
Rolex brachte diese Entwicklung den erwünschten geschäftlichen Erfolg, auch wenn 1919 mit der Erhöhung der englischen Einfuhrzölle auf 33,3 Prozent das Aus für die „Wilsdorf & Davis Rolex Watch Company“ kam. Die Exportaktivitäten wurden an das Bieler Büro übertragen, Wilsdorf selbst zog mit seiner Frau nach Genf. 1920...