Das Weltbild des Menschen – damals und heute
Der altüberlieferte Glaube an die Schicksals-Gottheiten
Seit Urzeiten fragt sich der Mensch, ob es Gesetzmäßigkeiten gibt, nach denen Schicksal zugeteilt wird – oder ob das, was uns geschieht, »Zufall« ist.
In der Antike vermutete man, dass es eine ordnende (göttliche) Instanz gibt, die jedem Menschen, jeder Gruppe und auch der ganzen Menschheit die Lebenserfahrungen zuteilt, die für ihn bzw. sie bestimmt sind. Man stellte sich diese als Schicksalsgöttinnen vor, die meist in Form einer Trinität auftauchten.
- Im Slawischen17 (damit auch im russischen) Kulturraum sind diese als die drei Zorya bekannt: Morgenstern (Utrennjaja = morgendlicher Stern), Abendstern (Wetschernjaja = abendlicher Stern) und Mitternachtsstern (Polunotschnaja = mitternächtlicher Stern).
- Bei den Griechen der Antike nannte man sie Moiren (Anteil, Los, Schicksal): Klotho (die Spinnerin), Lachesis (die Loserin) und Atropos (die Unabwendbare).
- Die alten Römer nannten sie Parzen: Nona (Neunte), Decima (Zehnte) und Parca (Geburtshelferin).
- Im indogermanischen Kulturkreis werden sie Nornen genannt. Sie heißen dort Urd (das Gewordene), Verdandi (das Werdende) und Skuld (das Werdensollende). Im Vorspiel von Richard Wagners Götterdämmerung spielen diese Nornen eine entscheidende Rolle. Eine sehr schöne Skulptur der Nornen zeigt sich übrigens am Nornenbrunnen auf dem Münchener Maximiliansplatz.
Mit den monotheistischen Religionen setzte sich die Idee eines alles bestimmenden, einen Gott durch. Die durch Gottes Willen bestimmten Lebensereignisse bekamen den Namen Schicksal (vom altniederländischen schicksel, Fakt), Los (althochdeutsch; mittelhochdeutsch omen, Orakel), lateinisch Fatum, griechisch Moira, arabisch Kismet. Das Schicksal galt als »göttliche Vorsehung«, als unausweichliche Bestimmung einer unpersönlichen Macht. Christliche Kirchenlehrer wie Augustinus oder Luther führten den Glauben an die Alleinwirksamkeit der göttlichen Gnade und der Unfähigkeit des Menschen, sich ein gutes Schicksal zu verdienen, ein.
Antiken wie monotheistischen Lehren gemein ist der Glaube an die Unausweichlichkeit eines Ergebnisses (der »Bestimmung«), wie sie beispielsweise in den Sagen um Ödipus und Odysseus, aber auch im Alten Testament zum Ausdruck kommen.
Das mechanistische Weltbild
Im Zuge des bereits erwähnten naturwissenschaftlichen Denkens wandte man sich in der Neuzeit von dem Glauben an die Determination des menschlichen Lebens durch höhere Mächte ab. Stattdessen erklärte man den Zufall als treibende Kraft hinter allen Lebensprozessen. Auf der einen Seite wurde dadurch der Gedanke der Ohnmacht des Menschen gegenüber seinem Schicksal aufgehoben. Auf der anderen Seite war der Mensch jetzt dem Zufall ausgeliefert.
Aufbauend auf den Vorstellungen griechischer Vordenker wie Epikur und Demokrit, suchte man naturwissenschaftliche anstelle der mythologischen Erklärungen für die Welt. Wegweisend dafür war die Scholastik, die wissenschaftliche Denkweise und Methode der Beweisführung, die in der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt des Hochmittelalters entwickelt und bis in die Neuzeit weitergeführt wurde.
Im 17. Jahrhundert postulierte der Wissenschaftler René Descartes (1596–1650) seine Grundgedanken von einem mechanistischen (und damit in letzter Konsequenz materialistischen) Weltbild. Descartes glaubte, das Leben sei ein rein mechanisches Geschehen. Das Tier sei wie eine Uhr mit Rädchen und Sprungfedern, und auch der Mensch sei eine Art Maschine: Das Gehirn sei eine Telefonzentrale, das Herz eine Pumpe, die Verdauung ein Kohleofen und die Luftröhre ein Schornstein. Das mechanistische Weltbild betrachtet lebende Organismen als »physiochemische Maschinen«. In diesem Weltbild gibt es nur die materielle Ebene mit ihren vorherbestimmten Abläufen. Eine Wechselwirkung von nicht materiellen (Geist, Seele, Bewusstsein) und materiellen Ebenen und zwischen den verschiedenen Objekten bzw. Wesen des Universums wird verneint.
Das mechanistische Denken geht von geschlossenen Systemen aus: Ich bin getrennt von dem Ganzen (der Mensch als »hautverkapseltes Ego«). Im Zuge des Denkens in geschlossenen Systemen entwickelten viele Menschen eine rücksichtslose materialistische Lebensweise (»Machbarkeitswahn«). Die negativen Auswirkungen zeigen sich auch noch heute in dem rücksichtslosen Profitdenken Einzelner, der Ausbeutung der Erde, der Versklavung der Natur und der Unterdrückung weniger entwickelter Völker durch eine Minderheit. Weniger Erfolgreiche erlebten ihre eigene Ohnmacht als ihr persönliches Scheitern, da es keine Schicksalsgötter mehr gab, denen sie ihren Misserfolg zuschreiben konnten.
In unserer Zeit wird immer mehr Menschen bewusst, dass weder der Glaube an eine schicksalsgestaltende ferne Gottheit noch der Machbarkeitswahn auf Dauer befriedigen können. Wir wissen heute, dass es keine geschlossenen Systeme gibt, sondern Einflussfaktoren, die in den etablierten Religionen wie auch im logisch-analytischen Denken bisher unbeachtet geblieben waren, und sind dabei, zu uns selbst und dem uns innewohnenden Potenzial zu erwachen.
Bescheidne Wahrheit sprech ich dir.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,
Gewöhnlich für ein Ganzes hält,
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht.
Goethe, Faust. Der Tragödie erster Teil
Wie materiell ist die Materie? – Das Quantenvakuum
Die Materie ist die Vergangenheit des Bewusstseins.
Svetlana Smirnova, Sergey Jelezky
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts lösten Wissenschaftler wie Max Planck, Niels Bohr, Albert Einstein, Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger, John Archibald Wheeler das Bewusstsein von den Fesseln des mechanistischen Weltbildes. Sie erkannten: Wenn man nur tief genug in die subatomaren Bereiche eindringt, dann löst sich die Materie auf. Max Planck postulierte vor etwa 80 Jahren, dass es keine Materie gibt, nur einen hinter allem wirkenden intelligenten Geist.
Der wesentliche Bestandteil des Universums und auch jeder Form von Materie ist das sogenannte Quantenvakuum (auch »Quantenfeld« genannt). Das Quantenfeld ist jedoch nicht leer. Im Quantenfeld gibt es unendlich viele gleichschwingende (kohärente) Wellen (Schwingungen). Diese Schwingungen sind erst einmal Potenziale. Wie wir noch näher ausführen werden, steht das menschliche Bewusstsein in ständiger Wechselwirkung mit diesem Quantenfeld und verändert es ständig.
Kommt es z. B. durch das menschliche Bewusstsein zu einer Interferenz mit den kohärenten Wellen des Quantenfeldes, verändern sich seine gleichschwingenden (kohärenten) Wellen. Die Wellen werden dekohärent18 und konkretisieren sich. Indem die Sinnesorgane des Menschen die dekohärent gewordenen Wellen erkennen und »übersetzen«, erlebt der Mensch seinen Sinneseindruck als »materielle Realität«. Dies bedeutet, dass Materie durch das Bewusstsein erschaffen und durch unsere Sinnesorgane konkretisiert wird. Da die Sinnesorgane von den Menschen – und von den meisten Tieren – auf ähnlich gestimmte Wellenfunktionen geeicht sind, entsteht dadurch die Wahrnehmung, in einer gemeinsamen Welt zu leben.
Was wir als Realität wahrnehmen, ist somit die Projektion von etwas viel Grundlegenderem, das auf einer tieferen Schöpfungsebene vor sich geht.19
Die Materie ist im Wesentlichen nichts, völlig substanzlos. Das Sicherste, was man über diese substanzlose Materie sagen kann, ist, dass sie mehr wie ein Gedanke ist, sie ist eine Art konzentrierte Information.20
Durch die Sinnesorgane wirkt die Materie wie ein fester solider Körper oder wie ein Gefühl oder Gedanke, aber in der Essenz handelt es sich um Informationen aus dem Quantenfeld, die die Sinnesorgane dekodieren. … Dass sich die Welt in jedem Augenblick wiedererschafft, so wie wir sie kennen, hängt zu einem wesentlichen Teil von unserer Erinnerung – auch Information – ab, die sie immer wieder in der gleichen Weise herstellt.21
Das Leben, das wir mit unseren fünf Sinnesorganen wahrnehmen, ist keine »wahre Realität«. Die Quantenphysik hat gezeigt, dass Raum und Zeit nur eine Illusion unserer Wahrnehmung sind. Das Atom (alles, was wir sehen, und auch wir selbst bestehen aus Atomen) besteht zum größten Teil aus dem leeren Raum. Aber wie können dann diese Atome die Welt um uns herum erschaffen? Unsere Körper sind »Transportmittel« für unsere geistigen Strukturen, für den göttlichen Geist. Alles schwingt, angefangen von Elektronen bis hin zum unendlichen Universum. Wir leben in einer Illusion unseres Körpers und der Illusion des Getrenntseins. In Wirklichkeit gibt es eine allgemeine geistige Verbindung zwischen allen Universen, und wir sind ein Teil von... |