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Russland als Firmenstandort. Bedeutung mentaler und kultureller Differenzen: Bedingungen und Deutung des wirtschaftskulturellen Investitionsklimas

AutorVitali Shkliarov
Verlagdisserta Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl218 Seiten
ISBN9783954256396
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
In dem vorliegenden Buch wird untersucht, inwieweit sich deutsche Unternehmer und Investoren bei der Erwägung, Russland als Firmenstandort zu wählen, von mentalen und kulturellen Differenzen, die zwischen Russland und Deutschland bestehen, beeinflussen lassen. Der Autor versucht, sich dieser Frage vor allem empirisch zu nähern, durch eine qualitative (nicht repräsentative) Befragung einer deutschen und einer russischen Stichprobe. Hypothesen über das Fremd- und Selbstbild und dessen Auswirkungen auf die gegenseitige Akzeptanz als Wirtschaftspartner werden herausgearbeitet. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die Relevanz einiger signifikanter Differenzen in den Normsystemen und Zielvorstellungen beider Länder für das unternehmerische Handeln zu ergründen. Dem Verfasser geht es darum, zu klären, wie ausgeprägt das gegenseitige Verständnis bei den betroffenen Wirtschaftssubjekten wirklich ist, d.h. jenseits der öffentlichen bzw. veröffentlichten Meinung. Zu fragen ist u.a., in welchem Grad eine dramatisierende Berichterstattung über Russland, insbesondere über die dortigen politischen und gesellschaftlichen Zustände, negativen Einfluss auf die Entscheidungsfindung potentieller deutscher Investoren ausübt oder sogar zu Verzögerungen bei der weiteren Demokratisierung und dem Ausbau der Rechtssicherheit beiträgt.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4.2, Theorien der unternehmerischen Standortwahl: 4.2.1, Geschichte der unternehmerischen Standortwahl: Handwerksbetriebe haben sich, freies Niederlassungsrecht vorausgesetzt, im Kontext der Siedlungsentwicklung über Jahrhunderte hinweg vor allem stets dort angesiedelt, wo Betriebsinhaber, Kunden und Beschäftigte lebten. Mit der Ausweitung des überregionalen und internationalen Handels und dem Entstehen von Manufakturen wuchs die Bedeutung von Meeren, Flüssen und anderer Verkehrswege, insbesondere der Eisenbahn, für die Zulieferung von Rohstoffen und anderen Produktionsmitteln sowie den Abtransport der produzierten Güter. Deswegen entstanden die meisten Städte auch an Flüssen oder in der Nähe von Meeren, zogen die entstehenden, immer größer werdenden Industriebetriebe an und wuchsen, beginnend im England des 18. Jahrhunderts, durch den großen Arbeitskräftebedarf der Fabriken in kurzer Zeit kräftig an. Der älteste und gleichsam natürlichste Standortfaktor vor allem für größere Industriebetriebe im überregionalen und internationalen Kontext sind also Transportmöglichkeiten und -wege bzw. die damit verbundenen Kosten. Aus der Erkenntnis der zentralen Bedeutung der Transportkosten für Industriebetriebe entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts die erste moderne Theorie der Standortwahl durch Alfred Weber. In seiner neoklassischen Standorttheorie entwickelte Weber ein Modell zur Ermittlung optimaler Standorte für Industriebetriebe. Neben den Transportkosten als herausragendem Kriterium beschrieb er die Arbeitskosten im Zusammenhang mit dem regionalen Lohnniveau und die Agglomeration von ähnlichen, zum Teil konkurrierenden Betrieben sowie von Zulieferbetrieben als weitere Standortfaktoren. Die Bedeutung des regionalen Arbeitskräfteangebots thematisierte er jedoch ebenso wenig wie subjektive oder irrationale Faktoren der Standortwahl. Auch ging er implizit von einer vollständigen Information der Entscheidungsträger über die räumliche Verteilung der jeweils relevanten Märkte aus. 4.2.2, Alfred Webers Ansatz zur Erklärung unternehmerischer Standortwahl: Trotz Alfred Webers einseitiger Ausrichtung auf einige wenige zentrale Standortfaktoren und seines ebenso einseitigen rationalistischen Erklärungsansatzes für unternehmerisches Handeln gilt seine Standorttheorie bis heute als Basismodell der Wirtschaftsgeografie im Hinblick auf die räumliche Verteilung der Standorte von Industriebetrieben. Interessanterweise entwickelte er gleichzeitig eine umfangreiche Kultursoziologie, sah jedoch keinen Zusammenhang der von ihm detailliert beschriebenen 'Kultursphäre' (Kunst, Philosophie, Religion und Mythen) mit seiner Standorttheorie, sondern postulierte die Autonomie beider Bereiche. Webers Sichtweise des Unternehmers als eines reinen 'homo oeconomicus' forderte in der Folge andere Forscher heraus, sein Modell unter Hinzuziehung zusätzlicher Standortfaktoren weiterzuentwickeln. So bezog der Geograf David M. Smith in den 1960er Jahren Aspekte wie unternehmerisches Können, Regionalpolitik und regionale Steuern als weitere Faktoren mit ein und thematisierte nicht nur die Transportkosten, sondern sämtliche raumabhängigen Kosten und Erträge. Doch erst der ab 1967 entwickelte verhaltenswissenschaftliche Ansatz nach Allan Pred richtete den Blick gezielt auch auf subjektiv-emotionale Aspekte der Standortwahl und führte den 'homo psychologicus' neu in die Wirtschaftslehre ein. Da, wie uns die Psychologie nunmehr schon lange lehrt, mentale und kulturelle Eigenheiten von Ländern, Standorten und Menschen nur bedingt rational erklärbar sind - und deswegen von der neoklassischen Standorttheorie auch nicht aufgegriffen wurden -, stützt sich die vorliegende Arbeit weitgehend auf die umfassend bzw. nach heutigem Verständnis 'ganzheitlich' angelegte verhaltenswissenschaftliche Standorttheorie nach Allan Pred. 4.2.3, Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz nach Allan Pred: Der US-amerikanische Geograf Allan Pred entwickelte Mitte der 1960er Jahre seine bis heute richtungsweisende behavioristische Standorttheorie, die insbesondere auf Konzepten der Diffusionsgeografie von Torsten Hägerstrand, der die räumliche Verbreitung von Innovationen auf Lern- und Informationsprozesse zurückführte, aufbaute. Im Unterschied zur neoklassischen Standorttheorie erklärte Pred die unternehmerische Standortwahl verhaltenswissenschaftlich. Er unterstellte, dass Unternehmer über verschiedene Informationen und Fähigkeiten zur Standortwahl verfügen, dass diese also nicht, wie es die neoklassische Theorie impliziert, gleich sind. Entscheidend ist nach Pred auch die Fähigkeit, aus einer Fülle von Standortinformationen die für das spezifische Vorhaben des Unternehmers wirklich relevanten auszuwählen. Hierbei verfahre der Unternehmer jedoch nicht ausschließlich objektiv-rational, sondern zu einem erheblichen Teil auch subjektiv-emotional. Ein eher intuitives denn rationales Vorgehen führt nach Pred auch zur Nachahmung der Standortwahl erfolgreicher Wettbewerber, wobei die rationale Analyse eines solchen vorbildlichen Konkurrenten durchaus zur Identifizierung nachvollziehbarer Beweggründe für eine bestimmte Standortwahl beitragen kann. Systematisch nach der Methode des 'benchmarkings' betrieben (Lernen durch den Vergleich der Besten), kommt ein solches Nachahmungsverhalten dem nahe, was in Wissenschaft und Praxis seit Jahren als 'learning from the best' bzw. kürzer als 'best practice' ('Erfolgsmethode') bekannt ist und zum Beispiel im Rahmen diverser Förderprogramme der EU sowie in der Praxis vieler Wirtschaftsberatungsunternehmen breite Anwendung findet. Pred war es auch, der erstmals grundlegend auf die Bedeutung mentaler und kultureller Eigenarten des Standorts bzw. der dortigen Bevölkerung für die Standortwahl hinwies, worauf die Idee für das vorliegende Buch zurückgeht. Diesen Aspekt griff unter anderem der Schweizer Alfred K. Fernau 1997 im Rahmen seiner Theorie regionaler Branchencluster auf, in welcher er kulturelle und mentale Eigenheiten sowohl als mögliche Standortvorteile als auch mögliche Standortnachteile für bestimmte Branchen beschrieb. Demnach bevorzugen Unternehmen, die im Bereich der regenerativen Energieerzeugung tätig sind (etwa Betreiber von Windkraftanlagen), als Standorte Regionen mit einem hohen Umweltbewusstsein (wie Dänemark oder mittlerweile auch Deutschland). Die noch vergleichsweise junge Kultur des Bewusstseins für eine nachhaltige, das heißt umweltschonende Wirtschafts- und Lebensweise ist in diesem Falle also ein entscheidender Faktor der unternehmerischen Standortwahl, womit auch deutlich wird, dass der Kulturbegriff in diesem Kontext sehr weit zu fassen ist. Pred unterscheidet bei der Standortwahl zwischen den Phasen der Informationsgewinnung, der Informationsverarbeitung und der Entscheidungsfindung. Informationsgewinnung und -auswertung sind mit Kosten verbunden und daher abhängig von den verfügbaren finanziellen Mitteln, wobei das mittlerweile weit verzweigte Internet hier heute sicher einiges an Einsparmöglichkeiten bietet. Pred beschreibt das Herausfiltern bestimmter relevanter Informationen aus einer Fülle recherchierter Standortinformationen im Rahmen der Informationsverarbeitung als subjektiven Prozess und weist darauf hin, dass sich Entscheidungsträger aus Gründen der Aufwandsbegrenzung und Zeitnot tendenziell auch mit einer weniger objektiven als vielmehr subjektiven Lösung abfänden. Zur Standortentscheidung würden insbesondere die Ziele und das Wertesystem der Unternehmer maßgeblich beitragen. In seiner 'behavioral matrix' wird der Qualität und Quantität standortbezogener Informationen die unternehmerische Fähigkeit gegenübergestellt, diese Informationen systematisch für eine gute Standortentscheidung zu nutzen. Hierin sind ausgeprägt rationale Anteile der Standortsuche nach der Theorie von Pred zu sehen. Unternehmen, die einen guten Informationsstand haben und diese Informationen effizient nutzen, würden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen gewinnbringenden Produktionsstandort entscheiden. Aus familiären Gründen oder subjektiven Wertvorstellungen heraus werde jedoch nicht immer der optimale Standort gewählt. Unternehmen mit durchschnittlichem oder schlechtem Informationsstand hingegen würden sich tendenziell für suboptimale oder sogar nicht wettbewerbsfähige Standorte außerhalb der Gewinnzone entscheiden. Eine wichtige Rolle spiele jedoch auch die Zeit, da sich der Informationsstand zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel durch neue Kommunikationstechnologien (insbesondere Computer und Internet), verändern könne. Die Entscheidungen der Unternehmer würden mit fortschreitender Recherchedauer und verbesserter Technologie immer rationaler ausfallen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Russland als Firmenstandort. Bedeutung mentaler und kultureller Differenzen: Bedingungen und Deutung des wirtschaftskulturellen Investitionsklimas1
Inhaltsverzeichnis3
Abbildungsverzeichnis5
1 Einleitung7
1.1 Fragestellung7
1.1.1 Erkenntnisinteresse7
1.1.2 Faktor kulturelle Differenz10
1.1.3 Faktor Medienberichterstattung10
1.1.4 Faktor „Image“11
1.2 Inhalt und Aufbau13
2 Der Begriff der Kultur und ihre Bedeutung im wirtschaftlichen Bereich15
2.1 Der Begriff der Kultur15
2.2 Kultur als Thema empirisch-wirtschaftswissenschaftlicher Forschung21
2.3 Die kulturelle Fragestellung der vorliegenden Untersuchung26
3 Ausgangslage: politisch-ökonomische Rahmenbedingungen, Auslandsinvestitionen und Russlandbild der Deutschen27
3.1 Politisch-ökonomische Rahmenbedingungen27
3.1.1 Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland27
3.1.2 Globalisierung und Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise28
3.1.3 Das Erbe der Planwirtschaft31
3.1.4 Das Erbe der Diktatur34
3.2 Auslandsdirektinvestitionen (ADI)36
3.2.1 ADI in Russland36
3.2.2 Deutsche ADI39
3.3 Das Russlandbild der Deutschen41
4 Theoretische Grundlagen zu Globalisierung und Standortwahl45
4.1 Globalisierung45
4.1.1 Begriff45
4.1.2 Ebenen und Felder der Globalisierung45
4.1.3 Wirtschaftspolitische Implikationen46
4.1.4 Innovationszyklen48
4.2 Theorien der unternehmerischen Standortwahl48
4.2.1 Geschichte der unternehmerischen Standortwahl48
4.2.2 Alfred Webers Ansatz zur Erklärung unternehmerischer Standortwahl49
4.2.3 Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz nach Allan Pred50
4.2.4 Kritische Würdigung von Preds Ansatz52
4.3 Standortfaktoren und Theorien wirtschaftlicher Entscheidungen52
4.3.1 Standortfaktoren und kulturelle Eigenheiten52
4.3.2 Rationalität, Fakten und Vorurteile55
4.3.3 Erwartungsnutzentheorie58
4.3.4 Ankertheorie58
4.3.5 Prospekttheorie59
4.4 Image-Forschung und Wirtschaftsstandorte61
4.4.1 Interkulturelle Kompetenz61
4.4.2 Motive für Auslandsaktivitäten von Unternehmen63
4.4.3 Weitere Theorien zu Auslandsinvestitionen71
4.4.4 Nationalstaatliche Rahmenbedingungen72
5 Empirische Untersuchung zur Standortwahl75
5.1 Vorüberlegungen zur Untersuchungsmethode75
5.1.1 Identität nach Lothar Krappmann75
5.1.2 Entwicklung einer operationablen Fragestellung76
5.1.3 Stichprobenauswahl79
5.1.4 Erhebungstechnik81
5.2 Konstruktion des Fragebogens83
5.2.1 Entwicklungsraster in Analogie zur „Lebenslinie“83
5.2.2 Fragen nach dem Grad der Zustimmung: Profildarstellungen90
5.2.3 Szenarien93
5.2.4 Prüfung der Geeignetheit der Fragebögen94
5.3 Untersuchungsergebnisse94
5.3.1 Basis der Erhebung94
5.3.2 Politischer Komplex95
5.3.3 Wirtschaftlicher Komplex103
5.3.4 Der wirtschaftskulturelle Komplex119
6 Fazit133
6.1 Die Bedeutung der kulturellen Differenz133
6.1.1 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse133
6.1.2 Fazit und Hypothesen134
6.2 Bedeutung des wirtschaftskulturellen Investitionsklimas135
6.2.1 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse135
6.2.2 Fazit und Hypothesen135
6.3 Politische, wirtschaftliche und private Entwicklungsmuster136
6.3.1 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse136
6.3.2 Fazit und Hypothesen137
7 Dokumentation der Fragebögen139
7.1 Fragebogen in deutscher Fassung139
7.2 Fragebogen in russischer Fassung171
8 Anhang203
8.1 Abkürzungsverzeichnis203
8.2 Literaturliste205

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