Studienarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Europa, Note: 1,5, Universität Leipzig (Institut für Kulturwissenschaften), Veranstaltung: Weimarer Klassik als symbolische Konstruktion, Sprache: Deutsch, Abstract: Wahrscheinlich kein deutscher Autor hat sein eigenes Leben so akribisch festgehalten wie Johann Wolfgang von Goethe, und wohl ebenso hat kein anderer sich darum bemüht, sich selbst so sehr in Szene zu setzen. Goethe hat zu seinen Lebzeiten einen Großteil seiner Energie darauf verwendet, sich selbst unsterblich zu machen. Nie hat er eine umfassende Autobiografie geschrieben, und doch ist beinahe jeder Tag in Einzelheiten noch heute aus Selbstzeugnissen nachvollziehbar. Aus unzähligen Briefen, die den Großteil seiner Gesamtausgabe ausmachen, lässt sich sein Leben rekonstruieren. In späteren Lebensphasen entstanden rückerinnernde Aufsätze, in denen er ausgesuchte Ereignisse seines Lebens noch einmal niederschrieb und sie so stilisiert für die Nachwelt konservierte. Ab 1823 beschäftigte er Johann Eckermann einzig dafür, Gespräche, die er ihm diktierte, aufzuschreiben. Darüber hinaus sorgte er mit ebenso großer Energie dafür, dass er seinen Zeitgenossen präsent war. In jungen Jahren zeigte er regen Anteil an Versammlungen, später konnte er es sich leisten, in seinen eigenen Räumen regelrechte Audienzen zu geben, bei denen er sich nach Belieben inszenierte, bevorzugt in der Rolle des Kauzes. Diese ein Leben andauernde Selbstinszenierung hat ihre Wirkung nicht verfehlt, sie hat zur Goetherezeption der vergangenen 170 Jahre, die um 1900 in gottesähnlichen Glorifizierungen kulminierte1, maßgeblich beigetragen. Grundlegend für diese Entwicklung war sicherlich die Einführung des Abiturs in Preußen 1818, das Pflicht zur Zulassung an der Universität wurde. Sie machte die Einführung eines Lehrkanons in Lehrplänen um 1830 notwendig, der ganzdeutsch sein musste, denn die Lehrplankommissionen mussten ein Curriculum erarbeiten, das überall im Land angewendet werden konnte, und was bot sich mehr an als Goethe und Schiller, die in ihren Werken gerade das Grundlegende in der Kunst gesucht und eine Einheit der deutschen Kunst angestrebt hatten. Darüber hinaus waren sie in Bezug auf die Bikonfessionalität der Deutschen nicht anstößig, da sie sich in ihrem Werk nicht religionspolitisch engagierten. So wurden Goethe und Schiller bereits unmittelbar nach Goethes Tod Bestandteil des deutschen Schulkanons, und die Germanistik brachte um 1850 die ersten Schulbücher heraus, die die Schüler flächendeckend mit Texten von Goethe und Schiller versorgten. 1 Ein gutes Beispiel dafür ist Bielschowsky 1896-1904.
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