EINLEITUNG
Als ich vierzehn war, beluden meine Eltern unseren Wilkerson-Familien-SUV und zogen mit meinen Brüdern und mir von unserer geliebten Heimatstadt Tacoma (Washington) nach Miami (Florida), an einen Ort, der uns so fremd vorkam wie der Mars. Von der Westküste an die Ostküste. Von Kalt nach Heiß. Vom Regen in die Sonne. Von Englisch zu allem anderen als Englisch. 3.668 Kilometer. Genauso gut hätten es drei Millionen sein können. Alles war fremd. Alles, außer dem Strand. Selbst im tristen, verregneten Tacoma hatte die Wilkerson-Sippe schöne Tage zusammen am örtlichen Strand verbracht. Und Miami hatte einen der besten Strände der Welt. Alles an ihm gefiel mir. Die Wellen, der Sand, die Geräusche. Aber vor allem gefiel es mir, Sandburgen zu bauen.
Erinnerst du dich noch an Sandburgen? Weißt du noch, wie toll es sich anfühlte, wenn du deine Hände in den kühlen Sand gegraben und deinen Eimer mit Sand gefüllt hast, der genau die richtige Konsistenz hatte – feucht genug, damit er zusammenpappte, aber nicht so nass, dass man ihn nicht formen konnte? Weißt du noch, wie du Mauern und Brücken gesetzt und den Burggraben mit genügend Meerwasser gefüllt hast, damit jeder Feind, der dumm genug war, deine Burg anzugreifen, darin ertrank? Meine Brüder und ich bauten stundenlang Sandburgen. Schaufel um Schaufel formten wir eindrucksvolle Bauten aus weißem Sand, glätteten sorgfältig die Ecken und höhlten Fenster und Türen aus. Wir gruben Flüsse und Teiche, bauten Türme und Brücken und verzierten alles mit Muscheln (denn das war es doch, was die Prinzessin gewollt hätte). Wir erschufen die Burgen; wir waren die Könige.
Am Schluss, als unsere Schultern schon rot waren von der Sonne, gaben wir den Burgen den letzten Schliff – ein Zweig hier, ein bisschen Seetang dort – und bestaunten, was wir gebaut hatten. Den Rest des Tages spielten wir dann am Strand und brüsteten uns jedes Mal, wenn wir an unserer Burg vorbekamen. Abgesehen von dem Fußball, der versehentlich dorthin geschossen wurde, oder dem Fuß, der tollpatschig darauf trat, blieben unsere Sandburgen den ganzen Tag über stehen und trotzten den Meeresbrisen und den Sonnenstrahlen, die erbarmungslos auf sie herabschienen.
Aber dann, gegen Ende des Tages, wenn die Sonne langsam unterging und die Flut kam, dachten wir an das, was alle Sandburgenbauer wissen und von dem sie sich wünschten, es wäre nicht wahr. Das Meer würde unsere Sandburg zerstören. Am nächsten Morgen würde sie nicht mehr da sein. Wir fuhren nach Hause und wussten, dass wir diese Burg nie wiedersehen würden. So gewiss, wie die Sonne im Osten aufgeht, würde unsere Burg am nächsten Tag verschwunden sein. Keine Spur würde mehr da sein – nur flacher, sandiger Strand, so weit das Auge sehen kann –, als ob wir nie dagewesen wären, als ob unsere Anstrengungen nie stattgefunden hätten. Als Lohn für unsere Mühen blieb uns nur der schmerzhafte Sonnenbrand vom Tag zuvor.
Beim Lesen in der Bibel ist mir etwas klargeworden: Kinder sind nicht die Einzigen, die mit Sand bauen und Sandburgenkönige werden. Im Matthäusevangelium erklärte Jesus dies folgendermaßen:
Wer auf mich hört und danach handelt, ist klug und handelt wie ein Mann, der ein Haus auf massiven Fels baut. Auch wenn der Regen in Sturzbächen vom Himmel rauscht, das Wasser über die Ufer tritt und die Stürme an diesem Haus rütteln, wird es nicht einstürzen, weil es auf Fels gebaut ist. Doch wer auf mich hört und nicht danach handelt, ist ein Dummkopf; er ist wie ein Mann, der ein Haus auf Sand baut. Wenn der Regen und das Hochwasser kommen und die Stürme an diesem Haus rütteln, wird es mit Getöse einstürzen. – Matthäus 7,24 – 27
Jesus redet nicht um den heißen Brei herum. Ein Haus, das auf ein solides Fundament gebaut ist, ist stabil und robust; ein Haus, das auf Sand gebaut ist, ist wackelig und einsturzgefährdet. Wenn die Stürme kommen (und früher oder später kommen Stürme), wird das stabile Haus stehen bleiben und das wackelige Haus umfallen. Das sagt uns unser gesunder Menschenverstand, stimmt’s?
Doch wenn es darum geht, wie wir unser Leben bauen, bauen wir leider viel zu oft auf Sand anstatt auf massiven Fels. Manche bauen ihr Leben auf Geld. Andere bauen auf eine Beziehung oder körperliche Gesundheit oder Ruhm oder Wissen oder sogar ihre Familie. Falsche Möglichkeiten, ein Leben zu bauen, gibt es wohl so viele, wie es Sandkörner am Strand gibt.
Das Problem ist nicht, dass diese Dinge an sich schlecht wären. Die meisten Dinge sind an und für sich gut. Darum kann es auch so verlockend sein, unser Leben darauf zu bauen. Wer will denn nicht gut sein bei der Arbeit, eine starke Ehe führen, gesund und gebildet sein und tolle Kinder haben? Diese Dinge sind gut. Wir sollten sie haben wollen.
Das Problem entsteht erst, wenn wir eines dieser guten Dinge zu etwas Grundlegendem machen. Wenn wir der Vorstellung glauben, irgendetwas sei das Einzige, das uns Glück und Erfüllung schenkt, wird es in unserem Leben zur Priorität. Wir verfolgen es dann mit all unserer Kraft.
Wenn Geld unsere Grundlage ist, strengen wir uns nicht nur an und geben bei der Arbeit das Beste. Wir arbeiten abends und am Wochenende. Wir verpassen Geburtstage und Schulaufführungen. Wir vernachlässigen die Familie und Freunde. Wir denken nie darüber nach, welchen persönlichen Preis wir für unseren Erfolg zahlen. Wir denken nie darüber nach, was wir verlieren könnten.
Wenn Beziehungen unsere Grundlage sind, dann lieben wir andere Menschen nicht einfach nur. Dann suchen wir unsere Identität und unseren Wert in ihrer Liebe zu uns. Wir lassen zu, dass sie diktieren, wer wir sind. Wir verändern unseren Kleidungsstil, die Art, wie wir reden, die Dinge, die wir gern machen, und sogar unsere Moralvorstellungen; und all das, um sie dazu zu bringen, uns zu mögen. Wir halten nie inne, um darüber nachzudenken, dass das »wir«, das sie mögen sollen, gar nicht wirklich »wir« sind. Wir sind Blender; Rollen, die wir spielen. Wir merken nicht, dass wir, wenn wir die Maske zu lange tragen, sie vielleicht nie wieder abnehmen können.
Wenn körperliche Gesundheit unsere Grundlage ist, machen wir nicht nur für unser Wohlbefinden Sport oder um Krankheiten vorzubeugen. Wir machen Sport, um besser auszusehen als derjenige, der neben uns trainiert, damit wir am Strand von jedem um unseren Waschbrettbauch oder unsere straffen Arme und Beine beneidet werden. Wir machen Sport, damit wir beim Blick in den Spiegel unser Äußeres mögen, ohne uns dabei Sorgen darüber machen zu müssen, wer wir in unserem Inneren sind.
Die Ziele und Methoden sind unterschiedlich, aber das Ergebnis ist dasselbe.
Wenn wir aus etwas Gutem etwas Grundlegendes machen, sind Enttäuschung, Kummer und Verzweiflung vorprogrammiert. Egal wie hübsch unsere Sandburg aussieht, wie robust du ihre Mauern baust, wie tief den Burggraben, wie hoch die Türme – die Wellen werden sie am Ende überrollen und das Sandburgenkönigreich wird weggespült werden.
Wenn du die Schlagzeilen deiner Lieblings-Nachrichtenwebsite durchgehst, wirst du sehen, wie deutlich sich diese Wahrheit im Leben der Reichen und Berühmten zeigt. Wie viele junge Popstars sind wie ein Komet am Himmel aufgestiegen, hatten fast über Nacht unglaublichen Erfolg, dem unberechenbares Verhalten, Drogenmissbrauch, ein erfolgloser Reha-Aufenthalt folgten, bevor sie dann quasi wieder in der Versenkung verschwanden? Wie viele Ehen von Prominenten endeten mit der Scheidung, noch bevor die Flitterwochen vorbei waren? Wie viele Wirtschaftsmagnaten machten sich krumm und ergaunerten sich ihren Weg an die Spitze und verloren dabei ihre Ehe? Wie viele mussten erfahren, von den eigenen erwachsenen Kindern gehasst zu werden und wie ihre Firmen in einen Unternehmensskandal verwickelt werden? Sandburgenleben gibt es überall. Wir lesen jeden Tag von ihnen.
Aber das geschieht nicht nur in Hollywood oder an der Wall Street, stimmt’s? Wir alle kennen in unseren eigenen Kreisen Menschen, die ähnliche Geschichten haben. Der Nachbar, der ein Workaholic ist und dessen Ehe sich nach zwanzig Jahren am Rand des Abgrunds bewegt. Der Cousin, der Alkoholiker ist und keinen Job behält. Die zweimal geschiedene Freundin, die dich immer wieder einlädt, damit du ihren neuen Freund kennenlernen kannst, von dem sie begeistert behauptet, er sei »der Richtige«. Der Bruder, der Triathlon macht und die Diagnose Krebs im Endstadium erhält.
Vielleicht hast auch du eine solche Geschichte erlebt. Vielleicht erlebst du sie jetzt gerade. Stürme kommen. Die Flut steigt. Die Frage ist, was passieren wird, wenn das Wasser in deine Burg einbricht. Besteht sie aus massivem Fels oder aus Treibsand? Das solide Haus wird Bestand haben. Das wacklige Haus wird einstürzen.
In diesem Buch geht es um verschiedene Menschen aus der Bibel, die ihr Haus, vollständig oder teilweise, auf Sand gebaut haben. Der Regen kam, der Fluss stieg an, der Wind blies und ihre Häuser stürzten um sie herum ein. Ihr Leben stürzte ins Chaos. Ihre Angehörigen wurden krank oder starben. Sie waren Ausgestoßene in ihrer Gesellschaft. Sie verloren die Hoffnung. Sie waren arm, mittellos, ruiniert. Mit einem Wort, sie waren »bankrott«. Du kennst das Gefühl, oder? Viele von uns kennen es. Und normalerweise spüren wir die Anzeichen dafür.
Obwohl wir es nicht gern zugeben oder zu lange darüber nachdenken, gibt es wahrscheinlich eine tiefe Sehnsucht in uns, die uns unsicher, unruhig, unzufrieden macht. Durch sie wünschen wir uns etwas...