Minirituale für jeden Tag
Kennst du diese Erfahrung? Der Tag wird so, wie du selbst bist. Bist du gut gelaunt, läuft alles bestens. Bist du schlecht drauf, scheint dir auch die Welt unfreundlich zu begegnen. Kleine Rituale helfen dir, dich selbst positiv zu stimmen, dich auf das auszurichten, was dir wichtig ist, und deine Kraft bei dir zu behalten. Es gibt dafür viele spielerische Möglichkeiten: am Morgen, auf dem Weg zur Arbeit, im Büro, in der Mittagspause, am Abend …
MORGENS: AUSRICHTUNG FÜR DEN TAG
Jeden Morgen werden wir mit einem neuen Tag beschenkt, mit der Chance, weitere vierundzwanzig Stunden zu gestalten, zu erfahren, vielleicht sogar zu genießen. Manche Tage gelingen, andere erleben wir als schwierig oder anstrengend, wir sind unzufrieden mit uns oder mit der Welt. Vielleicht hast du auch schon die Erfahrung gemacht, dass sich ein Tag umso besser gestaltet, je klarer du ihn morgens beginnst. Man spricht auch davon, dass jemand »mit dem falschen Fuß aufgestanden« ist und deswegen die nächsten Stunden mit schlechter Laune verbringt. Wenn an dieser Idee etwas Wahres dran ist, müsste das heißen, dass wir nur mit dem richtigen Bein – welches auch immer das ist – aufzustehen brauchen, und schon wird dieser Tag ein schöner Tag.
Vieles, was uns im Laufe des Tages begegnet, können wir nicht beeinflussen. Wahrscheinlich das meiste nicht. Aber wir können in uns für so viel Klarheit sorgen, dass wir nicht einfach zum Spielball dessen werden, was der Tag uns vor die Füße spült. Wenn wir achtsam und fokussiert sind, dann ist in uns ausreichend Raum, um auf die Ereignisse bewusst einzugehen. Dann können wir entscheiden, wie wir reagieren, wenn uns die S-Bahn vor der Nase wegfährt, wenn im Job etwas schiefläuft oder unsere Kinder gar nicht so wollen wie wir. Wir bemerken viel feiner, was tatsächlich geschieht, und können so damit umgehen, dass es uns und der Situation guttut.
Genau diese Achtsamkeit – diesen inneren Abstand zu den Dingen, die im Außen geschehen, diese Fähigkeit, bewusst mit den Dingen umzugehen, statt sich von ihnen überrollen zu lassen – kann uns ein Morgenritual schenken, das wir regelmäßig praktizieren. Ich möchte dir dafür ein paar Ideen geben und dich anregen, selbst kreativ zu werden und dein ganz eigenes Ritual zu finden. Vielleicht behältst du es eine Woche lang bei und entwickelst dann ein neues, oder du bleibst bei einem Ritual und erfährst es Tag für Tag tiefer.
Gerade von Krafttieren fühlen sich sehr viele Menschen stark angezogen. Sie berühren uns emotional, und wenn wir sie bei der schamanischen Arbeit einmal wirklich intensiv gespürt haben, dann wissen wir für unser ganzes Leben um ihre vielfältige Kraft. Mir fällt hierbei eine Klientin ein, die in einer beruflichen Krise steckte und dann ihr Krafttier fand: einen Marienkäfer. Man könnte meinen, dass das ein ganz harmloses und eher schwaches Geschöpf ist. Sie aber konnte sich ganz auf ihn einlassen und seine verborgenen Kräfte spüren. Eine Zeit lang machte sie es sich zum Ritual, jeden Morgen ein paar Minuten lang mit diesem Krafttier ins Gespräch zu kommen. Sie setzte sich hin, atmete einige Male tief durch, um ganz bei sich anzukommen, und dann begrüßte sie ihren Marienkäfer. Sie nahm dazu eine kleine Holzfigur eines solchen Käfers in die Hand, um ihn sich besser vergegenwärtigen zu können. Sie fragte ihn, was heute wichtig sei – und immer erspürte sie intuitiv eine Antwort, die ihr half. Dieses Krafttier trug sie tatsächlich Schritt für Schritt aus der schwierigen Phase heraus und schenkte ihr neue Lebensfreude und Leichtigkeit.
Morgenroutine
Viele Menschen meditieren am Morgen, praktizieren Yoga, sprechen ein Gebet oder stimmen sich auf eine ähnliche Weise auf den Tag ein. Sie zentrieren sich, spüren sich selbst in ihrer Mitte und richten sich innerlich auf das aus, was ihnen im Leben wichtig ist. So kann es ihnen in den Strudeln des Alltags nicht so leicht abhandenkommen, denn jeden Morgen orientieren sie sich wieder neu darauf. Deswegen kann eine sogenannte Morgenroutine – immergleiche morgendliche Abläufe, die uns Kraft und Ausrichtung geben – ein schönes Ritual sein, Tag für Tag gelingen zu lassen und sich selbst treu zu bleiben. Für eine solche Praxis gibt es unendlich viele Möglichkeiten: klassische wie Meditation oder Tai Chi oder auch ausgefeilte kleine Rituale, wie du sie hier im Buch findest.
INNEHALTEN
Was ist dir wichtig?
Der Dalai Lama sagt, dass alle Menschen glücklich sein wollen. Was heißt das für dich? Wofür schlägt dein Herz? Was könnte es ein, dass deine Augen zum Leuchten bringt? Was lässt dich die Welt umarmen? Was gibt dir einen Sinn? Stell dir solche Fragen und mach dir deine Antworten möglichst oft am Morgen neu bewusst. Das ist der beste Start in den Tag.
MINIRITUAL
Den Tag vorbereiten
Skiabfahrtsläufer gehen vor einem wichtigen Rennen im Geist die Strecke immer wieder durch. Während sie morgens noch im Bett liegen oder später dann am Startpunkt stehen, fahren sie die gesamte Piste, Kurve für Kurve, Schwierigkeit für Schwierigkeit, gedanklich bereits einmal ab und stellen sich jedes Detail vor ihrem inneren Auge vor. Sie spüren, wie ihr Körper in jeder Zelle die vorgestellten Bewegungen mitmacht.
Genauso kannst du dich auf deinen Tag vorbereiten, auch wenn du natürlich noch nicht jede Biegung und jeden möglichen Abhang kennen kannst. Das macht aber nichts, denn die wesentlichen Eckpunkte sind dir bekannt. Setz dich also morgens in Ruhe hin und geh in Gedanken die einzelnen Stationen durch, die heute höchstwahrscheinlich auf dich warten. Gönn dir an jedem wesentlichen Punkt ein paar Atemzüge und spüre dich in die Situation ein. Erlaube dir, dabei ganz ruhig zu werden und diese Ruhe sich ausweiten zu lassen. Wenn du am Abend beim Schlafengehen angekommen bist, beende diese Übungen und beginne deinen Tag.
Alternativ kannst du morgens auch durch deine Wohnung tanzen – von Tagesstation zu Tagesstation. Dann ist dein Schlafzimmer dein Zuhause, dein Bücherregal ist das Büro, der Balkon oder das Fenster steht für die Mittagspause, danach geht es zurück zum Bücherregal ins Büro … Du tanzt, hüpfst, springst, läufst in Zeitlupe, gehst rückwärts … Lass das Kindliche in dir lebendig sein, während du dich von Station zu Station bewegst. Schenke dir das Gefühl, dass dein Tag ein wundervolles, leichtes, freudiges Abenteuer ist. Dieses Gefühl wird dich dann durch all deine Vorhaben tragen und es kann dir auch dann ein Lächeln auf die Lippen zaubern, wenn mal etwas nicht so klappt wie gewollt.
MINIRITUAL
Teamwork
Wähle dir Unterstützer für den heutigen Tag. Das kann für eine längere Zeit die gleiche Kraft sein, mit der du dich dann jeden Morgen neu bewusst verbindest. Oder du wählst jeden Morgen ganz frisch, wer heute an deiner Seite sein soll. Das können Krafttiere sein, die dir nahestehen – und du kannst sie als Bild auf dem Handy bei dir tragen, als Schal im Fellmuster oder als Spielzeugfigur, die du in der Jackentasche versteckst und immer wieder in die Hand nimmst, wenn du dich der Unterstützung deines Begleiters versichern willst. Vielleicht ist es auch ein Stein, der dir gefällt, oder du suchst dir einen Duft aus, der dich stärkt und den du im Laufe des Tages immer wieder neu auf dich wirken lässt.
DIE KRAFT DER ABSICHT
Bei jedem Ritual und auch bei der Ausrichtung auf den Tag kommt der Absicht eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Es ist einerseits nötig, genau zu wissen, was dir wichtig ist und was du möchtest, und dich dann auch darauf auszurichten und darauf fokussiert zu bleiben. Wenn du zum Beispiel inneren Frieden möchtest, ist es günstig, dir das immer wieder bewusst zu machen, um auch in aufwühlenden Situationen mit dieser Absicht verbunden bleiben zu können und nicht einfach nur in den Strudel der hochschießenden Emotionen zu geraten.
Ein morgendliches Ritual, das dich deinen inneren Frieden für ein paar Momente spüren lässt, ruft genau diese Qualität in dir wach und verstärkt sie nach und nach auch in deinem Alltag. So steht sie dir mit der Zeit dann auch immer selbstverständlicher zur Verfügung, wenn es gerade mal nicht so friedlich in deinem Umfeld und in dir zugeht. Du kannst dann beobachten, dass unter fast allen Umständen doch etwas in dir friedlich bleibt und sogar an Kraft gewinnt, wenn du dich darauf ausrichtest. Mithilfe dieses Rituals kann sich dein ganzes Leben verwandeln, weil du friedvoller mit anderen, mit dir selbst und mit den Ereignissen umzugehen beginnst.
Eine Absicht zu hegen, heißt andererseits aber nicht, stur den eigenen Kopf durchsetzen zu wollen, ganz egal was das Leben oder die anderen Menschen gerade wollen. Wenn du mit dem Auto unterwegs bist und dir am Zielpunkt einen Parkplatz wünschst, dann hat es wenig Sinn, dir ganz exakt die Stelle auszumalen, wo er bitteschön frei sein soll. Das mag manchmal klappen und meistens wird es nicht funktionieren. Wenn du dir aber stattdessen die Ausrichtung gibst, im nahen Umfeld deines Zieles einen Parkplatz zu finden und dich auch ganz entspannt darauf fokussierst, dann – so erfahren es die meisten und so kennst du es sicherlich auch – klappt es. Es geht darum, sich durchaus auf eine...