DIE GESCHICHTE, GEGENWART UND ZUKUNFT VON »KAMERAS«
Okay. Also. Wir werden über Kameras reden. Über Smartphone-Kameras. Wir werden auf jeden Fall über Fotos und über Videos reden.
Zu Beginn deutlich mehr über Fotos, weil sich die technischen und gestalterischen Grundlagen der Videofunktion an denen der Fotos orientieren und die Videofunktion sich sozusagen nur »draufsetzt« aufs gemachte Nest … also »ins« gemachte Nest. Typisch.
Viele von euch nehmen moderne Technologien für selbstverständlich. Das nervt. Eure stundenlangen Gaming-Sessions an der Xbox auf Twitch entstammen auch Gameboys oder gar Pong-Maschinen. Euer dauerunbefriedigtes Songgeskippe auf Spotify entstammt Schallplatten oder gar Tonbändern.
Eure überzüchteten Drölf-Megapixel-Serienbild-Selfie-Monster aka »Smartphone« entstammen Filmrollen oder gar Fotoplatten. Vielleicht gehört der ein oder andere von euch auch noch zu der Generation, die sich mit Freunden über die Megapixelzahl auf dem Nokia 3310i unterhalten hat.
Wie stolz wir damals waren: Fotos mit dem Handy machen! Hätten wir da schon gewusst, wohin sich Kameras von Mobiltelefonen entwickeln würden, hätten wir wohl nur müde gelächelt. Na ja, das Internet hatte ja auch »keine Zukunft« und überall hätte es schon fliegende Autos oder selbstschnürende Turnschuhe geben müssen.
Für uns eröffnete sich damals eine ganz neue und faszinierende Welt, in der wir nicht immer unsere »Partyknipse« dabeihaben mussten. Fotos (ja, und Musik) wurden via Infrarot und Bluetooth miteinander getauscht. Auch wenn man sich keinen Millimeter dabei bewegen durfte, war das der Wahnsinn! Der Weg bis dorthin und inzwischen bis hierhin war aber lang und teilweise furchtbar.
Das zu wissen und zu verstehen, ist eine Herzensangelegenheit unsererseits und ein erster wichtiger Schritt, um das Thema Kameras in Smartphones zu verinnerlichen. Das sagen wir nicht, weil wir alte, verbitterte »früher war alles besser«-Hinterhertrauerer sind, sondern weil es – neben nützlichem Angeber-Party-Wissen – vor allem Sicherheit und Vertrauen gibt. Ihr werdet sehen: Smartphone-Fotografie ist kein moderner Firlefanz. Die Grundsätze sind seit Jahrzehnten gleich, nur die Möglichkeiten verändern sich. Und dich. #Bushidoanspielung.
KAMERAS, WIE WIR SIE EINST KANNTEN
Schauen wir doch mal: Wann und womit ging es eigentlich los? Wie sah die erste Kamera aus und wie sah überhaupt die erste Smartphone-Kamera aus? Was hat sich technisch bis heute verändert und ab wann war es überhaupt möglich, Fotos sofort mit allen zu begucken und zu teilen?
Im 4. Jahrhundert v. Christus beschrieb Aristoteles erst mals das optische Grundprinzip der »Fotografie« (altgriechisch »Licht« und »zeichnen«) oder bessser gesagt: das Prinzip der Camera obscura. Diese wird auch als Lochkamera bezeichnet. Guckt euch das Bild an. In dem Raum mit dem Loch auf der einen Wand trifft das durch das Loch kommende Licht eines Motivs auf die gegenüberliegende Wand. Dabei entsteht ein auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes Bild. Unser Auge funktioniert übrigens fast genauso. Unser Gehirn dreht das Bild dann »richtig herum«. Wir nennen das: sehen. Wow. #Brainplosion.
Das sichtbare Bild hat man damals salopp gesagt »abgepaust«. Es gab noch kein beständiges Medium, das die Abbildung »speichern« konnte.
Die eigentlichen Erfinder der Fotografie sind jedoch Joseph Nicéphore Niépce und Louis Daguerre. Joseph nahm 1826 das erste Foto auf. Es war der Ausblick aus seinem Arbeitszimmer. Was erkennt ihr auf dem Foto? Nichts, oder?
Das erste Foto, das jemals aufgenommen wurde.
Die Aufnahme dauerte damals unfassbare acht Stunden und wurde auf eine Zinnplatte belichtet, also »gespeichert«. Wie anstrengend wohl erst ein Selfie gewesen sein müsste. Heute schimpft ihr doch schon über vier Sekunden Ladezeit bei Netflix. In der Zeit könntet ihr wirklich eine Menge Kaffee oder glutenfreies Bio-Wasser in euch hineinschütten. Louis wurde im Laufe der nachfolgenden Jahre Josephs Partner und entwickelte 1839 ein Aufnahme- und Entwicklungsverfahren mit Kupferplatten und Quecksilberdämpfen. Die Dauer bis zum fertigen Bild wurde – für damalige Verhältnisse – enorm kurz. Man nannte es die Daguerreotypie. Ja, das war gesundheitlich wirklich richtig mies. Aber technisch top! Das war so gut, dass man auf so einer Fotoplatte unter der Lupe noch feine Details in den Gesichtern oder der Kleidung erkennen konnte! 1840 hatten Kameras also schon einen besseren Standard als heutige Billigkameras.
Die Kamera, die man wirklich tragen konnte: die Kodak 1.
Bis hierhin war das alles aber sperrig. Eine Kamera, ein Bild, ewige Wartezeiten, bis man mit dem Foto irgendwas anfangen konnte. Fotos machen war dann doch etwas für Leute mit zu viel Zeit, zu viel Geld und Pferdekutschen für die umzugskartongroßen Kameras … oder? Fast. Wie alles im Leben wurden auch Kameras irgendwann »industrialisiert« und Industrialisierung setzt zumindest ein Minimum an Standardisierung voraus. Im Jahr 1888 kamen die ersten Aufnahmemedien in Rollenform heraus (Fotofilme), zusammen mit der ersten tragbaren Kamera, der Kodak 1.
Hat eigentlich »nur« 25 Dollar gekostet. Schnapper! Von wegen. Das wären heute satte 700 Dollar. Die Kodak 1 war den Leuten aber immer noch zu schwer (und zu teuer). Also tüftelten Menschen selbst privat an neuen Möglichkeiten herum und schwupps: Der erste Prototyp einer Kompaktkamera wurde 1914 von Oskar Barnack entwickelt. Der hatte Ahnung von dem Thema, da er bei Leitz arbeitete. Deswegen nannte man seine Erfindung später auch Leica (Leitz Camera). Das war für die Fotografie ein verrückter Fortschritt, denn damit wurden die sperrigen Boxkameras Geschichte. Der Witz an dem Ding war: 35 Millimeter Kinofilm wurden auf kleine Rollen gewickelt und als Aufnahme-medium genutzt. Das war günstig und qualitativ richtig gut, denn das Format war gängig und ist bis heute (!) Maßstab: das Kleinbildformat. Aufgrund des Ersten Weltkriegs kam diese erste Leica jedoch erst 1925, also ganze elf Jahre später, auf den Markt. Aber auch hier hieß es effektiv: warten. Denn dieser Film musste selbstverständlich erst einmal entwickelt werden. Immerhin sprechen wir hier nun nur noch von wenigen Stunden für eine ganze Rolle!
Bis hierhin war alles schwarz-weiß. Erst 1936 geht der für uns interessante Teil weiter, denn in dieser Zeit gab es die ersten alltagstauglichen und vom Grundprinzip bis heute gleich gebliebenen Farbfotos von Kodak (auch bekannt als Kodachrome und Agfa).
Die erste Kompaktkamera (Leica). Bis heute ist ihr Kleinbildformat Maßstab.
Das war richtig geil, denn mit so einer realitätsnahen Abbildung der Wirklichkeit wollte jeder herumlaufen. Also überlegten sich kluge Köpfe, wie man Kameras und Fotos basteln könnte, die nicht stundenlang entwickelt werden müssen. Zack: 1948 wurde die erste Kamera an den Mann (und die Frau) gebracht, die zum allerersten Mal in der Geschichte der Fotografie ein Foto im Schnellverfahren entwickeln konnte. Es war die Polaroid von Edwin H. Land oder genauer: sein Spezialfilm, der alle bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Filmaufnahme- und Entwicklungsverfahren idiotensicher vereinte. Edwins Sofortbildkamera und ihr Prinzip haben bis heute Kult und sind immer noch sehr beliebt, egal ob bei Profis oder Hobbyfotografen. Kult geht halt immer. Damals war diese Kamera in den Köpfen der Foto-Enthusiasten der Startschuss für, wie wir es heute nennen würden, »mobile Fotografie«. Was folgte daraus? Richtig. Perfektionierung.
Eine revolutionäre Erfindung: die Sofortbildkamera von Edwin H. Land.
Aber das war noch nicht genug, denn wir wollten einerseits nicht mehr lange warten müssen, andererseits wurden wir auch bedienfaul. Keiner wollte mehr von Hand irgendwelche Knöpfe drücken, also musste Technik nachhelfen. 1956 gab es die erste Kamera mit einer automatischen Funktion: der Zeitautomatik. Die Aufnahmezeit für Fotos musste nicht mehr manuell eingestellt werden. Heilige Scheiße! Die Hersteller hatten Blut geleckt. Wenige Jahre später, 1978, kam mit der Konica C35 AF die erste automatische Schärfeeinstellung auf den Markt und kurz darauf konnte auch die Blende automatisch eingestellt werden. Halleluja! Wir kennen diesen Hokuspokus heute jeweils unter »Autofokus« und »Belichtungsautomatik«. Damals waren das die am schnellsten adaptierten Funktionen für alle vorhandenen und noch erscheinenden Kameras. Wir sind halt eine faule Spezies. Das war aber auch gleichzeitig die Geburtsstunde der digitalen Kameras. Warum? Nun, mehr Funktionen bedeuten auch mehr Möglichkeiten zum Ausprobieren. Wenn Technik solche »einfachen« Dinge übernehmen kann, warum nicht auch noch andere? Komplexere? Also kam man – schon wieder – bei Kodak auf die Idee,...