2 Wann habe ich eine Schlafstörung?
Jeder Mensch schläft mal schlecht ein, wacht mehrmals auf und fühlt sich am nächsten Morgen wie erschlagen. Doch wann liegt eine echte Schlafstörung vor?
Hier kennen wir Schlafmediziner genaue Kriterien: Jede Ein- und Durchschlafstörung, die länger als drei Monate anhält, wird als chronische Insomnie diagnostiziert. Wenn Ein- und Durchschlafstörungen öfter als dreimal in der Woche auftreten, Sie länger als 30 Minuten zum Einschlafen brauchen oder nachts mehrmals aufwachen und danach nicht oder nur sehr schwer wieder einschlafen können, ist eine Insomnie wahrscheinlich.
2.1 Die Folgen des schlechten Schlafs
Schlechte Nächte bleiben nicht ohne Folgen. Tagsüber sind Sie häufig müde und unkonzentriert. Zur Insomnie gehört eine dauerhafte Fokussierung auf den Schlaf, verbunden mit der Sorge um die Fitness am Tag.
Bleibt die Insomnie über einen längeren Zeitraum hinweg unbehandelt, können als weitere Konsequenzen eine depressive Stimmung und ein zunehmender sozialer Rückzug hinzukommen. Sie meiden sämtliche Aktivitäten, die den Schlaf möglicherweise stören könnten, vorsorglich. Sie gehen nicht mehr aus, lesen keine aufregenden Bücher mehr und laden keine Freunde mehr ein aus Sorge, es könnte ja spät werden und Sie könnten zu wenig Schlaf bekommen.
Menschen mit Insomnie entwickeln häufig einen falschen und sogar kontraproduktiven Umgang mit dem Schlaf, der kontinuierlich zu einer weiteren Verschlechterung von Qualität und Dauer des Schlafs führt. Somit erreichen sie mit ihren Bemühungen oft genau das Gegenteil dessen, was sie eigentlich beabsichtigt haben.
Häufig beobachtete und eben gerade nicht förderliche Verhaltensweisen sind:
längeres Liegenbleiben im Bett,
späteres Aufstehen am Wochenende,
ein zu langer Mittagsschlaf tagsüber,
regelmäßiger Kontrollblick nachts auf den Wecker.
Auch wenn Sie es jetzt noch nicht glauben können: Je länger Sie im Bett liegen bleiben, desto schlechter werden Sie schlafen!
Damit schließt sich der Teufelskreis der Insomnie und sie bleibt als eine eigenständige Störung (primäre Insomnie) bestehen. Der ursprüngliche Auslösefaktoren spielt schon längst keine Rolle mehr, weil sich die Störung verselbstständigt hat. Der erste und bei weitem wichtigste Schritt aus dem Kreis der Insomnie heraus besteht deshalb darin, bestimmte Verhaltensweisen zu ändern und die neuen Verhaltensweisen über einen Zeitraum von sechs Wochen hinweg einzuübern. Diese Verhaltensweisen werden im Kapitel ▶ »Schlafrestriktion« detailliert beschrieben.
2.1.1 Erkrankungen führen zu Schlafstörungen
Neben der oben dargestellten primären Insomnie, an der etwa vier Prozent der deutschen Bevölkerung leiden, kann eine chronifizierte Insomnie als Begleiterscheinung zahlreicher anderer Erkrankungen wie etwa Depressionen, Psychosen, Demenz, Parkinson, dem Schlafapnoe-Syndrom und beinahe jeder weiteren somatischen Erkrankung auftreten. Die im Kapitel ▶ »Schlafrestriktion« beschriebene Methode kann also immer angewendet werden, egal ob Sie unter einer reinen Insomnie leiden oder die Insomnie bei Ihnen in Verbindung mit einer anderen psychischen oder physischen Erkrankung auftritt. Trotzdem sollten Sie sich natürlich zur Behandlung der Grunderkrankung in ärztliche Behandlung begeben. Das hier vorgestellte Schlafprogramm kann den Gang zum Facharzt nicht ersetzen.
2.2 Wie entsteht eine Insomnie?
Üblicherweise gibt es vor dem Beginn der Insomnie einen Auslöser, ein Erregnis von größerer oder kleinerer Bedeutung, das Ihnen den Schlaf raubt, über das Sie viel nachdenken und das Sie in Gedanken sprichwörtlich mit ins Bett genommen haben. Was könnte das gewesen sein? Können Sie sich an ein einschneidendes Ereignis in Ihrem Leben erinnern, das etwa zu der Zeit stattfand, als sich Ihre Schlafstörung langsam eingeschlichen hat? Oder an eine Veränderung Ihrer Lebensumstände? Gab es damals etwas, das Ihnen nächtelang den Schlaf geraubt hat?
2.2.1 Ängste rauben den Schlaf
Aber egal ob Burn-out, Prüfungsängste oder sogar Angst vor einer schlimmen Diagnose – alle Ereignisse, die Sorgen mit sich bringen, können zum Auslöser einer Insomnie werden.
Zu viele Verpflichtungen – zu wenig Ruhe: Das ist das einfache Rezept für ein Burn-out. Geradezu prädestiniert dafür sind Menschen, die gewissenhaft, fleißig, harmoniebedürftig und meistens »Jasager« sind. Anfangs macht die Arbeit viel Spaß, alle anstehenden Aufgaben werden flott und schnell erledigt. Sie sind für Kolleginnen und Vorgesetzte zu jeder Zeit selbstverständlich erreichbar. Schließlich kann es einen schlechten Eindruck erwecken, wenn das Handy am Wochenende klingelt und Sie gehen nicht dran. Und weil Sie so fleißig sind, keine Arbeit ablehnen, kommt schnell der nächste Auftrag und dann der nächste und so weiter, bis Ihr Arbeitstisch vor Arbeitsunterlagen fast zusammenbricht.
Und es kommt noch schlimmer: Weil Sie zu Hause in Ruhe arbeiten können, entscheiden Sie eines Tages, einige Arbeitsunterlagen nach Hause zu nehmen. Sie überlegen sich, wo Sie sie ablegen können, und Ihnen fällt der schöne kleine Tisch oder das geeignete Regal in Ihrem Schlafzimmer ein. Das ist, so meinen Sie, doch gar keine schlechte Idee. Sie wissen dann gleich, wo Sie Ihre Arbeitsunterlagen wiederfinden. Am Abend, wenn Sie ins Bett gehen, werfen Sie noch einen kurzen Blick auf dem Stapel und denken dabei: Hoffentlich schaffe ich es morgen, am Sonntag, zumindest einen Teil zu erledigen. Sie legen sich ins Bett und schon kommt Ihnen der Gedanke: Was ist, wenn mein Chef merkt, dass wichtige Dokumente weg sind? Was ist, wenn er sie sucht? Er könnte von mir enttäuscht sein und denken, dass meine Arbeitskraft nachlässt. Vielleicht bekomme ich eine Mahnung oder ich werde gekündigt.
Es dauert ein bis zwei Stunden, bis Sie einschlafen. Am nächsten Morgen sind Sie selbstverständlich nicht ausgeschlafen und müde. Nun wollen Sie sich mit voller Kraft daransetzen und den Stapel abarbeiten. Nur wie? Sie sind so fertig, dass Sie kaum die Augen offen halten können. Also befürchten Sie wieder einen Tag, an dem Sie nicht alles schaffen, was Sie sich vorgenommen haben.
2.2.2 Beziehungsprobleme rauben den Schlaf
Ein möglicher Auslöser ist eine Trennung. Trennungen gehören zu den traumatisierendsten und am schwersten zu verarbeitenden Erlebnissen: Eine Partnerschaft geht zu Ende, was auch immer mit Verlustängsten verbunden ist. Denn nicht nur die Liebe ist vorbei, sondern es stellen sich gleichzeitig auch weitere Sorgen ein, beispielsweise über die Zukunft der Kinder oder die finanzielle Situation.
Der Verlust einer geliebten, nahestehenden Person ist ein weiteres stark einschneidendes Ereignis. Ebenso beschäftigen Krankheiten und Operationen, egal ob eigene oder solche, die Familienangehörige betreffen, unsere Gedanken sowohl am Tag als auch in der Nacht. Darüber hinaus können auch Ereignisse wie plötzliche Arbeitslosigkeit oder finanzielle Probleme Schlaflosigkeit auslösen, genauso wie Sorgen über die eigenen Kinder, Probleme am Arbeitsplatz (Mobbing), Überarbeitung und Erschöpfung.
2.2.3 Positive Erlebnisse können auch den Schlaf rauben
Häufig unterbewertet bei der Entstehung von Schlafstörungen sind Auslöser wie ein Umzug oder eine Hochzeit. Obwohl es sich hierbei in der Regel um positive Erlebnisse handelt, zählen diese beiden Ereignisse dennoch zu den sog. »critical life events«, also einschneidenden Lebenssituationen, und gelten damit als potenziell extrem stressauslösend. Gleiches gilt für den letzten Punkt, die Verliebtheit: Verliebt sein ist schön, allerdings werden bei akut Verliebten auch eine Menge an Glücks- und Stresshormonen freigesetzt, die den Schlaf ebenfalls sehr stören können.
Daher ist es eigentlich ganz normal, nach den beschriebenen Ereignissen schlecht und unruhig zu schlafen. In solchen Fällen spricht man von einer Anpassungsinsomnie, die bei fast jedem auftreten kann.
Der falsche Weg
Leider sind genau die Verhaltensweisen, die Sie jetzt am wahrscheinlichsten zeigen werden, falsch und verschlechtern häufig den Schlaf noch weiter: Sie schauen z. B. auf die Uhr, um zu kontrollieren, wie spät es ist, Sie gehen früher ins Bett oder Sie bleiben morgens länger im Bett liegen, um sich auszuruhen. Sie vermeiden vieles, was Sie »aufputschen« und daran hindern könnte, einen ruhigen Schlaf zu finden. Ich möchte Ihnen in diesem Buch zeigen, wie Sie wieder auf den richtigen Weg kommen und Ihrer Schlafstörung wirksam entgegentreten können.
Selbsttest Schlafstörungen
Schlafstörungen können viele Ursachen haben und Ihren Alltag stark beeinträchtigen. Finden Sie heraus, ob Sie Anzeichen einer Schlafstörung aufweisen und was die möglichen Ursachen sein könnten.
Leiden Sie an einer Insomnie?
Beachten Sie, dass dieser Test nicht die Diagnose durch einen Facharzt ersetzt, sondern Ihnen...