Vertrauen
Viele Menschen wissen überhaupt nicht mehr, wie sie sich diesem Gott nähern können. Was ist der erste Schritt?
Es beginnt sehr schlicht: Glauben heißt zunächst einmal Vertrauen. Ohne ein gewisses kindliches Vertrauen darauf, dass da jemand ist, zu dem ich bete, geht es nicht. Die kindliche Haltung ist eigentlich eine der Demut. Zum Glauben gehört die Demut untrennbar dazu. Das ist heutzutage kein gebräuchliches Wort mehr. Demütig zu sein, das heißt auch, sich zurückzunehmen, und ich glaube, ein Macher wird sich damit sehr schwer tun. Ich frage mich immer: „Wie kann ich das den Führungspersonen verklickern, mit denen ich oft zu tun habe? Wird man da nicht als zu weich empfunden?“
Manchmal halte ich Vorträge vor hartgesottenen Managern aus der Wirtschaft oder bei handwerklichen Berufsverbänden, die zunächst mal nichts mit dem Glauben am Hut haben – eigentlich. Aber: Warum werde ich von diesen Leuten eingeladen? Irgendwie scheint es dann doch eine Sehnsucht nach mehr zu geben. Und außerdem gibt es auch in den Management-Etagen wirklich gläubige Menschen.
Einer davon war der 1989 ermordete Alfred Herrhausen, der sich aus seiner christlichen Motivation heraus auch für die Entschuldung der Länder eingesetzt hat. Oder der ehemalige UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld, ein tiefgläubiger Mensch, der seinen Glauben mit Verantwortung für die Menschen gelebt hat. Auch Norbert Walter von der Deutschen Bank ist ein überzeugter Christ, der in seiner örtlichen Gemeinde aktiv ist.
Es gibt viele Menschen, die sich von kindlichen ersten Glaubensschritten hin zu einer erwachsenen, verantwortlichen Beziehung zu Gott entwickelt haben. Das steht keineswegs in einem Widerspruch zueinander, sondern sollte der ganz normale Weg eines jeden Christen sein. Aber mit dem Vertrauen fängt alles an.
Nehmen wir an, bei Ihnen ist der Wille zu diesem ersten Schritt vorhanden oder Sie sind ihn schon gegangen. Sie sind bereit, sich auf die Möglichkeit einzulassen, dass es da mehr geben könnte, als Sie bisher gedacht oder erfahren haben. Was jetzt?
Wenn Sie sich dem Glauben erstmals oder wieder neu zuwenden wollen, dann machen Sie bitte nicht den Fehler, den wir so oft in der Glaubensvermittlung machen:
Fangen Sie nicht an, den Katechismus zu lesen oder sonstwie Wissen über Gott anzuhäufen. Glaube ist erst einmal etwas ganz Persönliches zwischen Ihnen und Gott. Und erst wenn ich diese Verbindung habe, dann kann ich den Katechismus lesen, und zwar mit einem ganz anderen Blick.
Wie geht das, diese persönliche Verbindung zu Gott aufzunehmen?
Sich ganz neu öffnen
Oft haben wir Hemmungen, einfach so loszulegen und mit Gott ins Gespräch zu kommen. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass wir alle von irgendwoher Gottesvorstellungen mitbringen, die uns suspekt sind. Wenn jemand aus der Kirche ausgetreten ist, und irgendwann möchte er wieder eintreten, dann denkt er doch meist sofort an die Kirchensteuer, die er nun wieder zu zahlen hat. Dass einem das als Erstes einfällt, ist ein trauriger Beleg dafür, wie weit uns Fehlvorstellungen von Gott blockieren können. Viele Menschen haben ein Bild von Gott vermittelt bekommen, das bestenfalls langweilig ist, schlimmstenfalls einengt, einem jeden Spaß missgönnt oder sogar Angst macht. Solche verdrehten Gottesvorstellungen können uns völlig blockieren.
Oft geschieht hier viel Heilung durch die Begegnung mit glaubwürdigen Christen. Suchen Sie bewusst die Gemeinschaft von Gläubigen und schauen Sie, wer und was Ihnen an Gemeindeformen gefällt.
Vielleicht können Sie auf Glaubenserfahrungen aus Ihrer Kindheit oder Jugend zurückgreifen. Ein Kind hat einen einfachen Zugang zu Gott. Es vertraut im Normalfall der Mutter, es vertraut dem Vater. Wenn das gegeben ist, dann kann eine Mutter ganz leicht erklären: „Gott ist wirklich da, so wie der Papa und ich wirklich da sind.“ Und das leuchtet einem Kind ein. Von da aus kann es dann Schritt für Schritt weitergeführt werden, von den Eltern und später auch im Religionsunterricht. Das Erleben von Gottesdiensten und anderen Ereignissen in einer Gemeinschaft von Gläubigen kann helfen.
Meist geht der Glaube in der Pubertät erstmal flöten, vor allen Dingen, weil dann die Sexualität eine enorme Rolle spielt. Wenn man mit dem Eindruck aufgewachsen ist, Gott verbietet mir alles Schöne auf dieser Welt, kann das dazu führen, dass ein Jugendlicher sich von so einem Gott lieber fernhält. Deshalb wäre eine gute Sexualerziehung ebenso wichtig wie eine gute religiöse Erziehung. Eine Erziehung, in denen jungen Menschen vermittelt wird, dass Gott die Sexualität erdacht hat und gut findet – aber auch, dass das sexuelle Ausleben nicht das ganze Lebensglück ist. Die Aussage der sexuellen Aufklärung sieht aktuell ja eher so aus: „Tu alles, was dir gefällt, leb deine Triebe aus, wie es dir gerade kommt, und wir helfen dir dabei. Es gibt Mittel und Wege, dass du damit weder dir noch anderen schadest.“
Ich wundere mich allerdings, wie viel Negatives trotzdem passiert. Und wir merken: das ist bei aller vermeintlichen Freiheit auch keine ganzheitlich gelebte Sexualität. Liebe ist mehr! Das geht natürlich ziemlich gegen den Strich der allgemeinen Bewegung des „individualisierten Wollens“ und der Frage, wie ich mich verwirklichen kann mit all meinen Gefühlen, Trieben und Träumen.
Welche Erfahrungen Sie auch immer mitbringen mögen, Sie können sich jederzeit wieder auf den Weg des Vertrauens begeben, auch mit kleinen Schritten. Vielleicht ist es an der Zeit, mal wieder innezuhalten, sich zurückzulehnen und zu überlegen: „Was mache ich da eigentlich? Wo will ich hin? Kann das alles sein?“
Vom Segen des Sonntags
Was kann dabei helfen? Der Gottesdienstbesuch ist eine gute Gelegenheit für ein solches Innehalten und In-sich-hineinhorchen. Männer gehen ja prinzipiell viel weniger in die Kirche als Frauen, ihnen ist das oft suspekt. Aber dass der Glaube mir tiefen Halt geben kann, wird sich mir erst erschließen, wenn ich auf die Bremse meines Hamsterrades trete.
Ich bin ja sehr für den Sonntagsgottesdienst, wenn auch nicht unbedingt als Pflichtritual. Damit werden die Bedürfnisse der Leute zu wenig ernst genommen. Aber ich möchte zeigen, was das eigentlich für Chancen bietet, den Sonntag in der persönlichen Lebensgestaltung als festen Tag der Ruhe und Besinnung und des Feierns einzuplanen.
Dieser Sonntag kann ein Tag sein, an dem Sie sich aus allem rausziehen, an dem Sie nicht funktionieren müssen. Dass Gott das Einhalten eines Ruhetags sogar als eins der zehn Gebote festgesetzt hat, zeigt schon, wie wichtig er ist.
Oft ist der Sonntag der einzige Tag in der Woche ohne Termine; ein Tag, an dem man endlich einmal seine Ruhe hat, und dann erlebt man es eher als unangenehme Pflicht, an diesem Tag dann einen Gottesdienst besuchen zu „müssen“. Suchen Sie sich in diesem Fall doch einfach andere Tage für den Kirchgang. In vielen Gemeinden gibt es auch unter der Woche Abendgottesdienste. Der Sonntag aber ist der Tag des Feierns, der Tag der Glaubensgemeinde.
Worauf ich hinaus will, ist, dass Sie vielleicht noch nicht Ihre ganz persönliche Form des „Feier“-Tags im wahrsten Wortsinn gefunden haben, die Ihnen Kraft und Ruhe gibt. Aber wenn Sie sich auf die Suche machen, werden Sie Formen finden, diesen Tag so zu leben, dass er zu einer engeren Beziehung zwischen Ihnen und Gott führt.
Eigene Erfahrungen – unbezahlbar
Letztlich geht es darum, eigene Erfahrungen zu sammeln. Und das geht auf vielerlei Art und Weise.
Die klösterlichen Traditionen, von denen ich bereits ein wenig berichtet habe, haben viel Gutes. Immer wieder Innehalten und Gebete im Laufe des Tages, Rituale, Gemeinschaft, Stille und Konzentration.
Wie kann das aber in Ihrem so ganz anderen Leben stattfinden?
Ich empfehle den Leuten immer: „Kommt doch mal zu uns und geht einfach ein Stück des Wegs mit.“ Ich kann noch so Schönes über die Krönungsmesse von Mozart hören – erst wenn ich sie selbst gehört habe, kann ich davon begeistert werden. Das gilt auch für andere Musik. Erst wenn ich sie wirklich verinnerlicht habe, kann ich sie auch anderen nahebringen.
Es ist immer wieder erstaunlich, wenn ich an unsere Schule in St. Ottilien gehe und mir das Symphonie-Orchester anschaue. Dass sich junge Menschen für ein so schwieriges Instrument wie die Geige begeistern und jahrelang geduldig üben, um sie zu beherrschen; das ist eine ernstzunehmende Angelegenheit! Doch wenn es einen richtig gepackt hat, ist einem nichts zu schwer.
Sprich: Machen Sie mit, fangen Sie einfach an! Sammeln Sie eigene Erfahrungen!
Fußballspielen lernt man auch nicht, indem man die Sportschau im Fernsehen schaut. Es hilft auch nur wenig, ein Buch darüber zu lesen. Wenn man die Faszination dieses Sports wirklich kennenlernen will, muss man sich irgendwann auf den Fußballplatz begeben, den grünen Rasen riechen und die Freude am Spiel spüren.
Auch das Lesen dieses Buches kann Ihnen nur eine Ahnung davon vermitteln, warum ich in diesen Gott, in diesen Glauben regelrecht verliebt bin, warum er mich trägt. In diesem Fall kann das Stadion eine Kirche sein, der Geruch des Rasens der Duft von Weihrauch und Kerzen, der gemeinsame Torjubel kann in einem schönen Gemeinschaftserlebnis liegen, wenn sie auf Menschen stoßen, die Sie verstehen. Und wenn Sie dann ihr erstes Tor schießen ... aber da wird Gott den ganz eigenen Weg mit Ihnen gehen.
Wann wird etwas einsichtig? Durch logische Schlussfolgerungen – so sind wir das gewohnt von unserem intellektuellen Zugang her. Wir meinen, alles muss eben logisch...