3Rückwärtsgang für Bergauf-Bremser
Abrechnung mit der Entschleunigung – und anderen überholten Mythen vom Burnout-Bullshit bis zum Work-Life-Märchen
„Wenn man in die falsche Richtung läuft, hat es keinen Zweck, das Tempo zu erhöhen.“
Birgit Breuel (deutsche Politikerin, CDU, *1937)
Worum geht es
Welchen Tempo-Irrtümern wir erliegen
Warum wir mit überholten Mythen abrechnen sollten
Weshalb Geschwindigkeit Ihre Lebensqualität sogar steigert
Das Alarmsignal ertönt in atemberaubender Lautstärke. Der laufend aufblitzende Lichtkegel unterstützt das akustische Warnsignal zusätzlich. Innerhalb kürzester Zeit füllt sich der Umkleideraum, in dem die Männer blitzschnell in ihre Uniformen schlüpfen. Die Männer gleiten die Stange hinab, um in der eine Etage tiefer befindlichen Fahrzeughalle im Rekordtempo in die roten Wagen zu springen. Es zählt jede Sekunde. Innerhalb von nur acht Minuten nach Eingang des Notrufs trifft der Löschzug am Brandort ein. Dieses Tempo kann über Menschenleben entscheiden.
Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet „auf der Überholspur zu sein per se erst einmal eines: schnell unterwegs zu sein. Gleichwohl wird mit dieser Bezeichnung auch entsprechender Erfolg verbunden. Und doch kommt man nicht umhin, dem Geschwindigkeitsrausch auch negative Folgen beizumessen, wie das ein Rausch nun einmal mit sich bringt: ständiges Getriebensein, Hetze, Stress, nicht bei sich sein und vieles mehr. Dies stellt uns vor bislang unbekannte Probleme und nicht zu unterschätzende Herausforderungen. Beeinflusst diese Entwicklung unsere Lebensqualität? Und ob. Unser Zeitmanagement gerät ins Wanken, unsere Balance droht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Schnell kann einen das atemberaubende Tempo, dem wir allgegenwärtig ausgesetzt sind, aus der Bahn werfen, wenn man keine Lösung parat hat.
Hohes Tempo macht Angst
Das wachsende Tempo verbreitet nicht nur eine enorme Unsicherheit, sondern verursacht bisweilen sogar nackte Angst. Der Journalist Sebastian Hammelehle schreibt im Spiegel unter dem Titel „Beschleunigung: Das alles beherrschende Monster“:5
„Bei mir persönlich haben vor allem zwei Erklärungsversuche zu Aha-Erlebnissen geführt. Einmal der sogenannte kulturelle Motor der Beschleunigung. Wir fühlen uns darauf angewiesen, ein erfülltes Leben in unserer begrenzten Zeit im Diesseits zu realisieren, und glauben das am ehesten zu schaffen, indem wir in immer kürzerer Zeit immer mehr zu leisten und zu erleben versuchen: Beschleunigung gegen unendlich also – leider eine Falle ...
Zum andern die These, dass Depressionen eine zunehmende individuelle Reaktion auf die soziale Beschleunigung darstellen, weil immer mehr Menschen das Gefühl haben, ihr Leben gleite ihnen von anonymen Kräften fremdbestimmt und ohne jedes erkennbare Ziel zunehmend aus der Hand, während die Zunahme der Wahlmöglichkeiten bei immer ungewisseren Rahmenbedingungen sie überfordert oder gar lähmt ...“
Hohes Tempo bietet endlose Möglichkeiten
Alles Quatsch! Geschwindigkeit, richtig eingesetzt, bietet unbegrenzte Vorteile und schier endlose Möglichkeiten. Hierbei handelt es sich nach meiner Einschätzung lediglich um Anpassungsschwierigkeiten in einer Übergangsphase, die sich irgendwann einpendeln werden.
Die gute Nachricht vorab: Die Menschheit wird trotz dieser Entwicklungen nicht auf ihr unvermeidbares Ende zusteuern, sondern letztendlich die erforderlichen Kurskorrekturen vornehmen.
Entschleunigung ist eine Sackgasse
Doch wie kann diese Lösung aussehen? Downshiftig, Simplifying, Work-Life-Balance, Entschleunigung …? Bullshit. Mag es auch verständlich sein, dass aufgrund zunehmender gesundheitlicher und persönlicher Belastungen und Folgeschäden derartige Wünsche laut werden. Sie werden definitiv unerfüllt bleiben. Vielmehr sollten wir Beschleunigung als Teil unserer Entwicklung akzeptieren. Denn längst hat ein Kulturwandel stattgefunden.
Eine kundenorientierte Betrachtung des Faktors Zeit ist eine schallende Ohrfeige für den allgegenwärtigen Ruf nach Entschleunigung.
Früher oder später wird Sie die Langsamkeit aus der Bahn werfen, nicht die Geschwindigkeit. Denn „Wart’ mal schnell“ kann kein noch so überforderter Unternehmer seinem Kunden zurufen, und „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“ taugt nicht zur Maxime einer neuen Serviceoffensive. Wenn wir zu langsam sind, geht unser Kunde zum Wettbewerber.
Modernes Zeitmanagement braucht einen anderen Ansatz
Wenn wir an Werkzeuge des Zeitmanagements der ersten Generation denken, die wir zum Teil bis heute nutzen, fallen uns in erster Linie Techniken wie die To-do-Liste oder das Setzen von Prioritäten ein. Diese Tools waren über viele Jahre eine solide Basis, werden heute jedoch von ihren eigenen Protagonisten widerrufen. Im Laufe der Jahre ist die Menge der zu bewältigenden Informationen in einem derart rasanten Tempo angewachsen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die illusorischen Kernaussagen aus Büchern wie „Simplify your life“ oder „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam“, mit Entschleunigung und Vereinfachung ließe sich dieser Entwicklung trotzen, ad absurdum geführt wurden.
Multi-Tasking gehört zum Standardrepertoire
Beides ein Trugschluss, auf den die Generation Y mit mildem Lächeln reagiert. Das blockweise Abrufen von E-Mails mag ein probates Mittel der ewig Gestrigen sein. Denn insbesondere für Menschen, die sich in einem Alter befinden, in dem Instant-Messaging durch eine simultane Unterhaltung im Facebook-Chat oder die Hangout-Videokonferenz auf Google+ stattfindet, wirkt alles andere wie ein Relikt aus der Steinzeit. Vermeintliches Multi-Tasking gehört längst zum Standardrepertoire. „Heutzutage noch ein ganzes PC-Betriebssystem hochzufahren, um eine E-Mail zu schreiben, ist so, als würde man mit einem Atom-U-Boot angeln fahren“, schrieb Christopher Mims im November 2014 im Wall Street Journal. Und er wird recht behalten. Ein behäbiger Riesendampfer kann den Anforderungen der neuen Generation an Flexibilität und Wendigkeit nicht mehr genügen.
Ein anderer Blickwinkel
Was ein visionärer Unternehmer heute braucht, ist ein gänzlich anderer Ansatz. Kein Zeitmanagement 1.0 oder 2.0 und schon gar keine Entschleunigung, sondern ein absolut anderer Blickwinkel. Der seines Kunden. Nur ein Hund weiß, wie Hundefutter schmecken muss. Life-Hacks, Anti-Zeitmanagement-Techniken, Not-to-do-Listen und dergleichen mehr sind ein probates Mittel, um unsere Zeitnot zu „managen“. Aber wissen Sie was? Unser Kunde interessiert sich kein bisschen für unsere Zeitprobleme. Mit Recht. Wofür er sich hingegen brennend interessiert, sind vielmehr seine eigenen Zeitprobleme. Tragen Sie zu deren Lösung bei oder vergrößern Sie diese? Betrachten Sie es durch die Brille Ihres Kunden.
Überholte Mythen
Veraltete Selbstmanagement-Prinzipien
Oftmals verhindern wir unseren Erfolg dadurch, dass wir in einer Vielzahl von Mythen feststecken. Werfen Sie veraltete Selbstmanagement-Prinzipien über Bord. Die Anregungen eines längst überholten Zeitmanagements werden Ihnen nichts nutzen. Die Realität sieht anders aus. Niemand wird durch die Anwendung eines Selbst- und Zeitmanagements von gestern erfolgreich. Um Ihre Ziele in Zukunft schnell und effektiv zu erreichen, müssen Sie lediglich einige Sackgassen in Ihrem Kopf verlassen.
Die größten Irrtümer
Hier die Hitliste der einschränkendsten Glaubenssätze, von denen Sie sich schleunigst befreien sollten:
- Zeit ist Geld.
- Durch Geschwindigkeit leidet die Qualität.
- Wenn ich zu schnell bin, denkt mein Kunde, ich habe nichts zu tun.
- Wenn alles schneller wird, geht die Lebensqualität verloren.
- Das gestiegene Tempo ist verantwortlich für zahlreiche gesundheitliche Probleme.
- Das Wichtigste ist eine ausgeglichene Work-Life-Balance.
- Vereinfachung wirkt Komplexität entgegen.
- Entschleunigunghilft, der Geschwindigkeit zu begegnen.
- Wichtiges zuerst.
- Das kann doch nicht so weitergehen.
Irrtum Nummer 1: Zeit ist Geld
„Zeit ist Geld“ lautet wohl einer der am häufigsten zitierten Aussprüche in Verbindung mit unserer Zeit. Falsch. Im Endeffekt stellt es sich so dar, dass der Zeit eine größere Bedeutung zukommt, weil sie, einmal verloren – im Gegensatz zum Geld –, unwiederbringlich ist. Wenn ich in Anlehnung an diesen Ausspruch einen meiner Buchtitel gewählt habe, ging es mir darum, mit „Zeit. Macht. Geld.“ aufzuzeigen, dass es unsere vorrangige Aufgabe ist, unsere Zeit in Geld zu verwandeln. Nicht nur als Selbstständiger, sondern im Grunde für jedermann. Wie gut uns dies jedoch gelingt, hängt in erster Linie vom „Wechselkurs“ ab, den wir dafür zugrunde legen. Fakt ist: Geschwindigkeit hilft uns hier sogar, dieses Ergebnis zu optimieren.
Irrtum Nummer 2: Durch Geschwindigkeit leidet die Qualität
Dieses Argument der Tempo-Gegner resultiert aus der irrigen Annahme, Geschwindigkeit sei gleichbedeutend mit Oberflächlichkeit und damit Fehleranfälligkeit. Natürlich mündet dies in Qualitätsverlust. Wir werden uns mit diesen Fällen im nächsten Kapitel auseinandersetzen. Üblicherweise gilt jedoch das genaue Gegenteil: Häufig passieren gerade dann Fehler, wenn Abläufe nicht auch in Hinsicht auf schnelle Durchführung optimiert sind. Qualität hingegen in...