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Schneller, höher, weiter? Die Grenzen des Wirtschaftswachstums

Die Grenzen des Wirtschaftswachstums

AutorChristoph Alexander Heinrichsdorff, Gunnar Halde, Reinhold Uhlmann, Sebastian Sohn
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl153 Seiten
ISBN9783656487883
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Wirtschaftswachstum ist eines der großen Ziele staatlicher Wirtschaftspolitik. Jedes Jahr aufs Neue soll sich die deutsche Volkswirtschaft vergrößern und gleichzeitig die Beschäftigungsquote erhöhen. Sie scheint das goldene Kalb zu sein, dem von allen Wirtschaftsweisen gehuldigt wird. Aber wie lange geht das gut? Der vorliegende Band widmet sich der Frage, ob dauerhaftes Wirtschaftswachstum überhaupt möglich ist, oder ob jede Volkswirtschaft zwangsläufig irgendwann an den Endpunkt ihrer Leistungsfähigkeit gerät. Aus dem Inhalt: Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Bevölkerungswachstum, Technischer Fortschritt, Umweltverschmutzung und Wirtschaftswachstum, Wachstumsbefürwortende Ansätze.

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Leseprobe

Einleitung


In den letzten 200 Jahren erlebte die Menschheit ein beträchtliches Wirtschaftswachstum, welches im Vergleich zur sonstigen viel längeren Menschheitsgeschichte außergewöhnlich ist. Wirtschaftswachstum ist dabei die Zunahme des volkswirtschaftlichen Gesamteinkommens, „verstanden als die Wertsumme der volkswirtschaftlichen Produktion“ (Felderer/Homburg 2003: 38) von Gütern und Dienstleistungen (vgl. auch Mankiw 2003: 211; Luks 2001: 23). Wirtschaftswachstum hat damit sowohl eine materielle („Produktion von Gütern und Dienstleistungen“) als auch eine monetäre Seite („Wertsumme“) – ein Unterschied der für die Behandlung der hier aufgeworfenen Frage noch wichtig wird. Oft wird das volkswirtschaftliche Einkommen auch als Sozialprodukt bezeichnet, während es in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen vierfach differenziert wird, nämlich in Bruttoinlandsprodukt/-einkommen (BIP), Bruttonationalprodukt/-einkommen (BNE) sowie Nettoinlandsprodukt/-einkommen und Nettonationalprodukt/-einkommen (Felderer/Homburg 2003: 38-40). Diese Unterscheidungen[1] bleiben allerdings für das weitere Vorgehen der Arbeit unbedeutend.

Das Sozialprodukt wird oft auch als „Wohlstandsindikator“ angesehen (Felderer/Homburg 2003: 38), wobei natürlich fraglich ist, ob der Wert der produzierten Güter und Dienstleistungen mit Wohlfahrt, geschweige denn mit Lebensqualität gleichzusetzen ist, oder ob zu diesen Konzept nicht noch mehr Faktoren gehören, wie zum Beispiel Gesundheit, Umweltqualität oder niedrige Kriminalität (Jacobs 1991: 222-241; Ekins 1993: 270; Ekins/Jacobs 1994: 1; vgl. Luks 2001: 23). Trotz dessen hat das am Sozialprodukt gemessene Wirtschaftswachstum in der öffentlichen Debatte eine herausragende Bedeutung (Luks 2002: 62). Schließlich sei es „das meistakzeptierte Ziel der Welt, weil es die Aussicht auf mehr für alle mit Opfer für niemanden biete“ (Daly 1991: 8, zitiert nach Luks 2000: 44). Auch bei der Betrachtung der meisten politischen Programme erscheint Wirtschaftswachstum als eine der wichtigsten Absichten. Es wird oft argumentiert, dass es notwendig ist, um andere (wirtschaftspolitische) Ziele zu erreichen, wie z.B. die Bekämpfung von Armut oder Arbeitslosigkeit.

Ein wesentlicher Grund für das enorme Wirtschaftswachstum der letzten 200 Jahre ist die umfangreiche Nutzung nicht-erneuerbarer Rohstoffe (z.B. Georgescu-Roegen 1986a: 13; Altvater 2006: 39-43). Das Wirtschaftswachstum geht dabei bis heute mit einem steigendem Materialverbrauch und mit steigenden Emissionen einher (z.B. Jackson 2009: 71-75). Dabei gibt es die Befürchtung, „daß bei zunehmend intensiver Nutzung von Ressourcenlagern durch weiteres Wirtschaftswachstum Probleme entstehen, bzw. Grenzen erreicht werden“ (Keil 1999: 27). Dass diese Befürchtung durchaus real ist, zeigt sich dadurch, dass es bereits eine Reihe von Gewaltkonflikten um natürliche Ressourcen und den Folgen ihrer Beschränkung gibt (Bringezu/Bleischwitz 2009: 2)[2]. „Heute gilt [zudem] die Belastung der Senken (Aufnahmekapazität bspw. der Erdatmosphäre) als das entscheidende Problem für die Nicht-Nachhaltigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten“ (Luks 2001: 36; siehe auch Enquete-Kommission 1994: 51). Vor allem die Verbrennung fossiler Rohstoffe führt dabei zur Emissionsbelastung der Erdatmosphäre, sodass es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Klimawandel kommt, wie die Studien des IPCC zeigen. Bereits heute gibt es daher eine hohe Zahl von Klimaflüchtlingen und Opfern des Klimawandels.

Die genannten Betrachtungen führen daher zu der Fragestellung, ob weiteres Wirtschaftswachstum möglich ist, oder ob es Beschränkungen gibt, wie zum Beispiel die Endlichkeit nicht-erneuerbarer Ressourcen. Selbstverständlich hat sich die Wissenschaft, insbesondere die Wirtschaftswissenschaft, schon intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Beispielhaft sei hier genannt, dass bereits in den 70er Jahren vor dem Hintergrund der aufgeworfenen Probleme eine Debatte um die „Grenzen des Wachstums“ entstand, die vor allem durch die gleichnamige Studie von Meadows et al. (1972) befeuert wurde (Luks 2001: 31). Neoklassische Ökonomen wie zum Beispiel Solow (1974a) hielten dem aber entgegen, dass aufgrund von Substitution zwischen Ressourcen und physischen Kapital und aufgrund von technischem Fortschritt die begrenzten Ressourcen kein Wachstumshindernis darstellen. Die Ökologische Ökonomik kritisiert allerdings diese Sichtweise, unter anderem aufgrund der Gesetze der Thermodynamik, die auch für den Wirtschaftsprozess relevant seien (z.B. Söllner 1997). Einen Konsens um die Wachstumsfrage gibt es dabei in der Wirtschaftswissenschaft noch nicht (z.B. Ockwell 2008).

Aufgrund dieser Tatsache und aufgrund der Aktualität, der genannten, mit dem Wirtschaftswachstum einhergehenden Probleme, soll in dieser Arbeit der Forschungsfrage nachgegangen werden: „Ist dauerhaftes Wirtschaftswachstum theoretisch möglich?“. Die Arbeit soll somit einen Beitrag zur laufenden Debatte leisten, die nicht nur in der Wissenschaft geführt wird sondern nach den 70ern auch wieder zunehmend in der Zivilgesellschaft[3].

Der Arbeit liegt auch eine ethische Dimension zu Grunde, nämlich die, dass die Lebenschancen zukünftiger Generationen nicht beschränkt werden sollen. Für derartige Fragen der intergenerativen Gerechtigkeit wird zumeist die „Theory of Justice“ von John Rawls (1971) herangezogen (Luks 2000: 16). Ausgangspunkt für Rawls’ Gedankenexperiment, bei dem vernünftige Gerechtigkeitsprinzipien entstehen sollen (Rawls 1971: 12), ist „die hypothetische Situation des ‚Urzustands‘ (‚original position‘), der durch einen ‚Schleier der Unwissenheit‘ (‚veil of ignorance‘) gekennzeichnet ist“ (Luks 2000: 16). In dieser Situation sollen die nach Eigeninteresse handelnden Entscheidenden, die kein Wissen über ihre zukünftige Position haben, über die Gerechtigkeitsgrundsätze der Gesellschaft entscheiden (Luks 2000: 16). Nach Rawls geht es dabei nicht nur um Gerechtigkeit innerhalb einer Generation sondern auch um Gerechtigkeit zwischen Generationen. Rawls (1971: 293) sagt dazu: „The present generation [...] is bound by the principles that would be chosen in the original position to define justice between persons at different moments of time.“ Obwohl Rawls die natürliche Umwelt nicht explizit anspricht, ergibt sich laut Luks (2000: 17) hieraus die Verpflichtung, keine Handlungen zu tätigen, „die die Lebenschancen zukünftiger Generationen beschränken oder gar zerstören“, also die Verpflichtung zu nachhaltiger Entwicklung. Damit ergibt sich für die vorliegende Arbeit die Prämisse, dass weiteres Wirtschaftswachstum nur dann gut geheißen werden kann, wenn es eben nicht „die Lebenschancen zukünftiger Generationen beschränkt oder gar zerstört“. Allerdings liegt diese Prämisse implizit auch in der Fragestellung selbst. Wenn weiteres Wirtschaftswachstum die Lebenschancen zukünftiger Generationen untergraben würde, dann wäre es äußerst wahrscheinlich, dass das Sozialprodukt ab einem gewissen Punkt sinkt oder zumindest nicht weiter steigt. In diesem Fall könnte Wirtschaftswachstum also nicht dauerhaft sein.

Da Wirtschaftswachstum ein ökonomisches Konzept ist und sich die wirtschaftswissenschaftliche Literatur umfangreich mit den Grenzen des Wirtschaftswachstums beschäftigt, soll an die Frage ökonomisch herangegangen werden. Zunächst soll dabei auf den fundamentalen Unterschied zwischen erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Ressourcen eingegangen werden, der für die Fragestellung eine große Bedeutung hat. Anhand der wesentlichen Argumentationen, die in den Wirtschaftswissenschaften hervorgebracht wurden, versucht die Arbeit dann eine Antwort auf die Wachstumsfrage zu finden. Dabei können die meisten Argumentationen in zwei Lager eingeordnet werden, in die Neoklassik auf der einen und in die Ökologische Ökonomik auf der anderen Seite (Illge/Schwarze 2005: 295). Im Folgenden soll daher der wirtschaftswissenschaftliche Mainstream (insbesondere die Neoklassik), dargestellt werden, der dauerhaftes Wachstum prinzipiell für möglich hält. An dieser Stelle soll auch kurz auf zwei Ansätze eingegangen werden, die zwar nicht explizit neoklassisch daherkommen, allerdings im Prinzip ebenfalls am Wirtschaftswachstum festhalten und auf Effizienzverbesserungen setzen. Im Anschluss folgt die Darstellung wachstumskritischer Positionen, die sich insbesondere im Paradigma der Ökologischen Ökonomik finden. Am Ende dieses Abschnitts wird außerdem ein Ansatz vorgestellt, der zwar Wachstum für möglich hält, allerdings wesentliche Prinzipien der Ökologischen Ökonomik befolgt. Auch wenn man heute weiß, dass die zunehmende Senkenbelastung eher ein Engpassfaktor ist als begrenzte Ressourcen (Luks 2001: 33), soll auf dieses Problem nur am Rande eingegangen werden. Schließlich kann dies, zumindest theoretisch, durch den Einsatz erneuerbarer Ressourcen weitgehend beseitigt werden. Wohl aber wird auf die Rolle von natürlichen Ressourcen insgesamt für den Wirtschaftsprozess eingegangen. Da sich Wirtschaftswachstum allerdings nicht nur am Einsatz von Ressourcen bemisst, sondern vor allem auch an der monetären Bewertung von Produkten und Dienstleistungen, wird im Folgenden diskutiert, ob trotz beschränkter materieller Basis immer größere monetäre Werte geschaffen werden können. Am Ende folgt die Darstellung der Ergebnisse der Arbeit.

An dieser Stelle sei auf Beschränkungen der Arbeit hingewiesen: Es geht nicht darum, inwiefern eine Gesellschaft ohne Wirtschaftswachstum denkbar ist. Diese Frage steht erst zur Debatte, wenn erwiesen ist, dass eine Wachstumsgesellschaft...

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