Der Verlag Kafemann in Danzig
Der im nordöstlichen Raum des Deutschen Reiches bekannte sowie in Danzig und Westpreußen eingesessene Verlag A. W. Kafemann ist im Mai 1846 von Albert Wilhelm Kafemann (1819-1891) begründet worden.26 Der Verleger entstammte einer jüdischen Familie und begann, als gelernter Schriftsetzer, mit dem Buchdruckgewerbe, dem er bald einen Verlag und eine Verlagsbuchhandlung hinzufügte. Im Anschluss an die berühmten Hand-Fibeln von Carl Christoph Gottlieb Zerrenner publizierte er bereits 1856 eine 26-seitige Kleine Hand-Fibel, deren Aussehen leider bisher unbekannt ist.
Ab 1858 gab Kafemann die Danziger Zeitung heraus, die über längere Zeit sein wichtigstes Verlagsobjekt war und nahezu eine Monopolstellung besaß. Gewisse Bekanntheit hat er zudem durch seine Bemühungen erhalten, die deutsche Frakturschrift in typographischer Hinsicht zu verbessern. Auch im kommunalen Leben Danzigs sowie in Standesorganisationen hat der Gründungsverleger eine wichtige Rolle gespielt.27
Sein Verlag firmierte etwa 1881 als „Verlagshandlung, Buchdruckerei und Schriftgiesserei“ und war 1878 für relativ kurze Zeit an Ernst Gruihn in Danzig verkauft worden, der bereits zuvor seinen Ernst Gruihn’s Verlag betrieben hatte. Zu dieser Zeit gab der Kafemann-Verlag, der seinen Namen zumindest phasenweise beibehielt, die Danziger Zeitung und die Westpreußischen landwirthschaftlichen Mitteilungen heraus und wurde nur in Danzig ausgeliefert, Kommissionsverlag war allerdings F. A. Brockhaus in Leipzig. Schulbücher gehörten zum Repertoire, standen aber nicht im Mittelpunkt der Verlagsproduktion, hier müssten der Verlag Franz Axt mit mehreren Ausgaben von Realienbüchern sowie der Verlag H. F. Boenig mit Lesebüchern, beide in Danzig, wohl eher genannt werden.
Unter dem Besitzer Ernst Gruihn wurden mehrere Projekte zwischen den beiden Verlagen recht munter hin und her gewechselt, so erschien 1878 bei Kafemann ein Geographiebuch28, dessen 4. Auflage 1880 in Ernst Gruihn’s Verlag „vorm. A. W. Kafemann“ genannt ist. 1889 firmierte für alle Verlagsprodukte, soweit sie erkennbar beworben wurden, Gruihn als Verleger. Das schließt jedoch nicht aus, dass die hier interessierenden Schulwandbilder tatsächlich 1888 unter dem Namen Kafemann erschienen sind – Werbung zu ihnen findet sich in den Schulbüchern dieser Jahre allerdings noch nicht. Auch in den schulamtlichen Schriften, pädagogischen Zeitschriften und Fachorganen der Lehrerschaft wurde in den Jahren 1888 bis 1892 nicht auf die Bilder hingewiesen, das Erscheinungsdatum darf aber als gesichert gelten.29
Wenig später, am 4. Februar 1891, gelangte der Verlag wieder in die Hände der Familie Kafemann zurück, und 1894 wurden als Besitzer die Witwe Marie Kafemann geb. Kuhncke und ihr Sohn Otto Kafemann genannt. Jetzt kamen im Verlag der Danziger Courier, die Danziger Zeitung, die Kleine Zeitung für Stadt und Land sowie der Zoppoter Anzeiger und Badeliste heraus, mit „Auslieferung in Danzig und theilw. in Leipzig“.
Das Verlagsprogramm war insgesamt bereits außerordentlich angewachsen und umfasste späterhin auch noch weitere Periodika. Einer von mehreren Schwerpunkten lag in anleitungshafter und technologiebezogener Literatur zur Landwirtschaft. Mindestens ein gedrucktes Verlagsverzeichnis hat vor dem 1. Weltkrieg die große Palette der Verlagserzeugnisse von Kafemann dokumentiert. Es soll 1907 im Umfang von 16 Seiten erschienen sein, konnte aber bisher nicht nachgewiesen werden.
Neben vielen weiteren Verbindungen wurde der Kafemann-Verlag 1912 Kommissionsverlag des Westpreußischen Geschichtsvereins, woraus nicht wenige Publikationen erwuchsen. Kafemann firmierte darüber hinaus nach dem 1. Weltkrieg als „Verlag des evangelischen Gesangbuches für Danzig, Pommerellen, West- und Ostpreußen. Pädagogischer Verlag. Verlag des Danziger Adressbuches. Amtliche Vertriebsstelle der Seekarten, der offiziellen Karte des Freistaates Danzig, der Messtischblätter und Generalstabskarten.“30
Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts entwickelte sich der Verlag, der zuerst als Aktiengesellschaft und später als GmbH weitergeführt wurde, zu einem ausgesprochenen Regionalverlag mit entsprechendem Schwerpunktprofil. Dabei spielte die vom Verlag vertriebene Presse mit ihren verschiedenartigen Periodika zwar eine gewichtige Rolle, bildete aber nur eins von mehreren festen Standbeinen. Als wichtigster Danziger Presseverleger wird gemeinhin nicht Kafemann, sondern Gustav Fuchs angesehen.31
Mit der Abtrennung der Freien Stadt Danzig vom Deutschen Reich erschien eine Politisierung, Instrumentalisierung und spätere Ideologisierung der Verlagsproduktion wohl als unausweichlich. Dies ist gut ablesbar an den Veränderungstendenzen der herausgegebenen Bücher, die sich, von der regionalen Geschichtswissenschaft und Volkskunde kommend, immer stärker einer Heimatkunde unter deutschnationalen Vorzeichen annäherten und verschrieben.
Im Jahre 1911 erschien etwa Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Heimatkunde, 1913ff. das voluminöse, mehrbändige, aber unvollendet gebliebene Werk von Paul Simson: Geschichte der Stadt Danzig, 1921 gefolgt von Danzigs Geschichte, geschrieben für ein größeres Publikum von Erich Keyser. Zu den auf die Marienburg und den Deutschen Orden bezogenen Standardwerken von Walther Ziesemer gesellten sich nun auch mehrere volkskundliche Dokumentationen, dem Wissenschaftsstand der Zeit entsprechend: eine Volkskunde von Ost- und Westpreußen von Emil Schnippel 1921 und mehrere Bände von Arno Schmidt sowie weitere Veröffentlichungen zu Baudenkmälern, nicht zuletzt Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Westpreußen.32 In den 1910er und 1920er Jahren kamen im Bereich des Schulbuchwesens zudem mehrere „Heimatausgaben“ für die einzelnen Provinzen hinzu, nicht nur für Westpreußen (Kafemanns Heimatkunde), sondern etwa auch für Pommern, und darüber hinaus „Ostmarkausgaben“ verschiedener Lese- und Schulbücher.
Auch die wohl etwas weniger umfangreiche literarischbelletristische Sparte des Verlages besaß mehr oder minder einen regionalen oder lokalen Bezug: So erschienen neben einigen Werken der plattdeutschen Literatur und einer Reihe Erzählungen aus der Ostmark, von denen 1913 acht Bände vorlagen33, etwa eine Literaturgeschichte von Westpreußen von Bruno Pompecki, 1923 Der Peter von Danzig. Ein Roman aus Danzigs glanzvoller Zeit von Carl Crome-Schwiening und 1939 An dem großen Strom, ein stark nationalsozialistisch geprägter Gedichtband von Martin Damß. Als Verlagsautor von Kafemann zu nennen ist hier auch Max Halbe, der kurz vor seinem Tod noch in die „Gottbegnadeten-Liste“ Adolf Hitlers aufgenommen wurde.
Der regionale Bezug blieb natürlich noch stärker in jenem Teil der Verlagsproduktion existent, der expressis verbis der Danziger und westpreußischen Heimatkunde und Regionalgeschichte gewidmet war. Beispielhaft kann hier ein kleines Heft von Joseph Rink aus dem Staatlichen Landesmuseum für Danziger Geschichte stehen, das einem Standard-Thema der deutschen Volks- und Heimatkunde gewidmet ist: Vom Flachs zum Leinen. Führer durch die Koschneider Spinn- und Webstube, erschienen um 1930. Derselbe Autor hatte bereits 1925, ebenfalls im Kafemann-Verlag, das Bändchen Deutsches Volksgut in der Koschneiderei herausgebracht.
Um die Mitte der 1920er Jahre avancierte der Kafemann-Verlag nicht nur zu einem von vielen Danziger Behörden privilegierten Geschäftspartner, sondern auch geradezu zu dem Heimatverlag von Danzig, ja vom „Deutschen Nordosten“. Als größte Danziger Verlagsanstalt oblag ihm ein ganz wesentlicher Teil des Publikationswesens in der Stadt, das durch politische und wirtschaftliche Einschränkungen allerdings insgesamt nur geringe Entfaltungsmöglichkeiten besaß. Mit dieser Entwicklung ging eine Überhöhung konform, die der Verlag wohl aus ökonomischen Gründen dankbar annehmen musste: die „Liebe zur Heimat“ im „gefährdeten Osten“ wurde zu seinem Leitmotiv, und es wurde konstatiert, dass „die Tätigkeit gerade dieses Verlages aus dem Bild der geistigen Kultur des Ostens nicht ohne erhebliche Einbuße hinwegzudenken wäre.“34
Vielfach wurde dazu aufgerufen, den Verlag zu unterstützen und damit dem „so zäh und tapfer um sein Deutschtum ringenden Danzig“35 zu helfen. Für das „Bollwerk des Deutschtums“ gab der Verlag später neben zahlreichen weiteren Veröffentlichungen etwa 1937 das Werk Schönes Danzig. Das Buch einer deutschen Stadt oder 1939 Danzig in schönen Bildern heraus. Zuweilen war in der Folge auch nur die Verlagsdruckerei beteiligt, wie für den Band Schönes Danzig Deutsches Land, der in zweiter Auflage vom Senat der Freien Stadt Danzig 1938 herausgegeben wurde und wie viele Publikationen dieser Zeit stark von nationalem Pathos und Abgrenzungs-Ideologie...