Um in solch unwegsamem Gelände klarzukommen, sollte man unbedingt ein Schweizer Taschenmesser dabeihaben
Der Begriff Bushcraft ist inzwischen auch im Deutschen einigermaßen verbreitet, zumindest unter Insidern. Er beschreibt bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten, die man in der Wildnis braucht. Ein Bushcrafter bedient sich zwar vieler Überlebenstechniken, ist aber keineswegs in einer Notsituation, in der das (Über-)Leben auf dem Spiel steht. Nach meinem Dafürhalten geht es bei Bushcraft darum, es auch auf längere Sicht draußen in der freien Natur bequem auszuhalten und es sich dabei so angenehm und behaglich wie möglich zu machen – dadurch, dass man weiß, wie man eine Unterkunft, aber auch Möbel, Gebrauchsgegenstände und Werkzeuge aus den Materialien baut, welche die umgebende Natur bietet. Auf eine solche Situation ist man in der Regel vorbereitet, man hat die entsprechende Ausrüstung und die nötigen Werkzeuge dabei (z. B. Axt, Holzmeißel (Beitel), Sägen und weitere Holzbearbeitungsutensilien). Aus einer Notsituation will man dagegen so schnell wie möglich herauskommen, meist ist man auch gar nicht entsprechend vorbereitet oder ausgerüstet. Sicherlich treffen viele Aspekte diverser Wildnisfähigkeiten auch auf Überlebenstechniken in Notsituationen zu, meist kommen sie aber nicht in demselben Maße zur Anwendung. So wird man in einer Notsituation wohl kaum genauso viel Zeit, Kraft und Akribie in den Bau einer Behausung investieren, wie wenn man längere Zeit aus freien Stücken darin zubringen will.
Welches Messer nun eher für das Leben in der Wildnis geeignet ist und welches eher für den Notfall – auch darüber kursieren natürlich verschiedene Ansichten und die Grenzen verschwimmen. Ein Bushcraft-Messer ist meist etwas kleiner im Profil, wodurch es sich besser für Detailarbeiten und für die Holzbearbeitung eignet. Ein Survival- bzw. Überlebensmesser ähnelt dagegen eher einem Arbeits- oder Feldmesser, hat eine feststehende Klinge, ist größer und so stabil gebaut, dass man damit graben, schneiden, hauen, stechen, hacken, hebeln, stemmen usw. kann. Dies alles muss es können, weil es in einer Notsituation höchstwahrscheinlich das einzige verfügbare Werkzeug ist.
Nach meiner persönlichen Einschätzung ist ein Schweizer Taschenmesser weder ein richtiges Überlebensnoch ein Bushcraft-Messer. Stattdessen vereint es in gewisser Weise Eigenschaften beider in sich. Wenn ich die Wahl hätte und mich in einer Notsituation für ein einziges Werkzeug entscheiden müsste, würde ich jederzeit einem Schweizer Taschenmesser den Vorzug gegenüber einem großen Überlebensmesser mit feststehender Klinge geben. Weil ein Schweizer Taschenmesser einfach mehr kann und dabei sicherer und kraftsparender in der Anwendung ist.
„Den größten Teil der Geschichte sah sich der Mensch gezwungen, die Natur zu bekämpfen, um zu überleben, in diesem Jahrhundert beginnt er zu begreifen, dass er sie schützen muss, wenn er überleben will.“
—Jacques-Yves Cousteau
Mit ihm lassen sich feine Detailarbeiten erledigen, was beim Herstellen bestimmter Hilfsmittel und Werkzeuge sowie bei der Reparatur von Ausrüstungsteilen von Vorteil ist.
Das Schweizer Taschenmesser dürfte wohl das erste Universalwerkzeug sein, das jemals hergestellt wurde und hat sich seit seiner einfachen und doch revolutionären Konzeption ständig weiterentwickelt. Nur eine einzige Aufgabe so perfekt zu erledigen wie ein Spezialwerkzeug – das kann es nicht leisten, was manchen frustrieren mag. Stattdessen sind Multifunktionswerkzeuge eher für leichte Beanspruchungen gedacht, dafür aber mit vielen Zusatzfunktionen, die dem Benutzer so viele Optionen wie möglich bieten, wenn ein Werkzeugkasten gerade nicht zur Hand ist – Zweckentfremdungen eingeschlossen. Und obwohl sie für leichte Arbeiten gedacht sind, können sie bei richtigem Gebrauch auch schwere Aufgaben erfüllen.
Da ich nahezu mein ganzes Leben lang ein Schweizer Taschenmesser benutze, kann ich den derzeit im Reality-Fernsehen kursierenden Behauptungen nichts abgewinnen, man bräuchte lediglich ein Messer, das ganze Bäume fällen, ein kleines Dorf zusammenzimmern und uns vor irgendeiner imaginären Macht schützen kann. Einer der Hauptgründe, warum ich bei den derart argumentierenden „Experten“ im Fernsehen vorsichtig bin, ist, dass sie Messer benutzen, die für Aufgaben im Outdoor-Bereich gar nicht gedacht sind. Wenn es an die detailreichen Kleinarbeiten beim Campen, Wandern, Jagen, Angeln und in Notfällen geht, versagen diese nämlich meist. Eine große feststehende Klinge hat durchaus ihre Berechtigung, aber am besten ist sie als Ergänzung zu einem Multifunktionswerkzeug wie dem Schweizer Taschenmesser zu verstehen. Beide zusammen sind in ihrer Vielseitigkeit unschlagbar.
Meine persönliche Erfahrung
Im Alter von ungefähr sechs Jahren gab mir mein Dad mein erstes Taschenmesser – ein Schweizer Taschenmesser. Ein paar Tage lang benutzte ich es nicht, ich wollte, dass es für immer so blieb, wie es in meinen Augen war – makellos. Dass mir mein Dad eins seiner Werkzeuge anvertraut hatte, machte mich stolz. Ein eigenes Werkzeug zu besitzen fühlte sich für mich wie ein Übergangsritual an, ein Stück in Richtung Erwachsensein. Mein junges Gemüt gaukelte mir vor, ich sei nun endlich ein Mann!
Es wurde ein Teil von mir, ich ging grundsätzlich nirgendwo mehr ohne dieses Messer hin. Eine meine Lieblingsaktivitäten war, mit der Lupe Feuer zu machen. Zur Bestürzung meiner Mom fanden sich viele Brandflecken auf meinen Schuhen und Hosenbeinen. Na ja – ich musste ja schließlich die Grenzen des tollsten aller Werkzeuge, das ich je besessen hatte, austesten, oder etwa nicht?!
Ohne Handy oder Computer bestärkte mich dieses Messer, draußen im Freien zu sein und vermittelte mir bereits in jungen Jahren ein gewisses Verantwortungsgefühl. Jenes erste Messer weckte in mir die anhaltende Leidenschaft immer ein gutes Messer dabeizuhaben. Jetzt, da ich selber Vater bin, kann ich meine Kinder vergnügt dabei beobachten, wie sie ein Schweizer Taschenmesser benutzen, so wie ich es tat, als ich noch ein Junge war.
In gewisser Hinsicht birgt jeder Tag eine Art Überlebenskampf: volle Terminkalender, knappe Zeitvorgaben, die unbedingt einzuhalten sind, die Familie, die man liebt und die ver- und umsorgt werden möchte, das Jonglieren mit Privatleben und Arbeitsalltag. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich der Umgang mit diesem alltäglichen Stress durchaus planen. Richtige Notsituationen außerhalb der gewohnten heimischen Umgebung, bei denen es ums nackte Überleben geht, treffen uns dagegen meist unvorbereitet. Damit alles gut ausgeht, sollte man sich also noch zu Hause so weit wie möglich auf das Unerwartete in der Wildnis vorbereiten.
Sobald eine kritische Situation oder ein Notfall eintritt, ist man schnell überfordert: physisch, psychisch und emotional. Bin ich schon an einem normalen Tag tapsig und ungeschickt, werde ich in einer Notsituation vermutlich permanent über meine eigenen Füße stolpern. Wenn Körper und Geist ermüden, macht man leicht Fehler. Deshalb ist es extrem wichtig, sich in einer Notlage rechtzeitig auszuruhen und sich nicht zu übernehmen. Andererseits kann ein gewisses Phlegma genauso gefährlich sein. Ein Freund hat mal zu mir gesagt: „Abzuwarten ist wie eine Krankheit.“ Wenn ich träger werde, als mir guttut, versuche ich, mir dies wieder ins Bewusstsein zu holen.
Im Notfall funktionieren Geräte und Apparate womöglich nicht und Batterien halten definitiv nicht ewig. Im Folgenden empfehle ich ein paar Vorgehensweisen, die helfen, in einer kritischen Lage in der Wildnis leistungsfähig, aber auch ruhig und entspannt zu bleiben.
Aufschreiben
Stift und Papier gehören vielleicht nicht zu den Dingen, welche man bezüglich des Überlebens in der Wildnis auf dem Radar hat, sind aber äußerst nützlich. Außerdem kann man Papier auf Tausende Arten zweckentfremden und nicht nur darauf schreiben. Die Batterien in den uns liebgewonnenen elektrischen und elektronischen Geräten halten nicht ewig, wenn man sich also anderweitig beschäftigt, kommt schon mal keine Langeweile auf. Das Swiss Champ ist mit einem Kugelschreiber ausgestattet, mit dem man sich alles von der Seele schreiben oder auch einfach nur Männchen malen und herumkritzeln kann – schon das hilft.
Neben der Bekämpfung der Langeweile besteht der wichtigste Aspekt von Schreibzeug in der Dokumentation der Reise. So viele wichtige Dinge werden leicht übersehen oder vergessen, wenn man sie nicht aufschreibt – wo man überall war, beispielsweise. Die Augen nach unten gerichtet, erschließen sich einem mehr Informationen als beim Blick auf eine Karte. Wenn Sie Orientierungspunkte, charakteristische Landschaftsmerkmale und dergleichen hilfreiche Informationen wie eine alte Brücke, Hütte oder einen Wildwechsel festhalten, hilft es Ihnen später, denselben Weg wieder- oder den Rückweg zu finden.
„Die Erde hält Musik bereit, für diejenigen die zuhören.“
—George Santayana
Wenn man unerwartet in eine Situation gerät, die von der alltäglichen Routine abweicht, kann einen das schon mal aus der Bahn werfen. Da ist es wichtig, sich kleine Ziele zu setzen, man muss sich schließlich motivieren. Schreiben Sie Listen, das hilft! Man ist gezwungen, über etwas nachzudenken, das beruhigt das rasende Hirn. Listen helfen, Prioritäten zu setzen und nichts zu vergessen. Ich streiche nur allzu gerne Dinge, die ich erledigt habe, auf...