Jedes menschliche Verhalten hat seine Ursachen. Wenn wir verstehen, was die Gründe für ein Verhalten sein könnten, wird es für uns überhaupt erst möglich, mit schwierigen Zeitgenossen zu leben. Zu wissen, mit wem wir es zu tun haben, kann eine große Hilfe sein, adäquat und souverän zu reagieren.
Selbst das Verhalten von irrationalen und schwierigen Menschen ist bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar, wenn man ein bisschen über sie weiß. Es ist daher hilfreich herauszufinden, mit welchem Typus man es zu tun hat. Aufbauend auf diesem Wissen lassen sich Strategien entwickeln, was man künftig vor, in und nach dem Zusammentreffen mit einem komplizierten Menschen tun kann.
Im Folgenden stelle ich Ihnen daher einige der häufigsten Formen von schwierigen Verhaltensweisen vor. Zwar treten die Charakterzüge unserer unangenehmen Zeitgenossen selten in Reinform auf, meist treffen wir auf „Mischwesen“. Dennoch – wenn Sie das Grundmuster erkannt haben, sind Sie vorgewarnt und können damit beginnen, Strategien für den künftigen Umgang zu entwickeln. So haben Sie zudem die Möglichkeit, souverän emotionale Distanz zu bewahren, damit Sie sich nicht persönlich angegriffen, verletzt, übervorteilt oder ausgenutzt fühlen.
Bei der Einordnung der verschiedenen Typen orientiere ich mich an der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krank heiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-10) und dem „Diagnostischen und statistischen Handbuch psychischer Störungen“ (DSM). Beide Systeme werden international zur Definition und Diagnose psychischer Erkrankungen angewandt und ermöglichen eine übergreifende Klassifizierung und Beschreibung von psychopathologischen Symptomen.
Bei schwierigen Menschen sind bestimmte Merkmale der Persönlichkeitsstruktur besonders ausgeprägt.
Warum dieses sehr formale Vorgehen? In diesem Buch geht es doch um schwierige Menschen und nicht um Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Ich habe mich für diese Systeme entschieden, da die Auflistung einen guten Überblick darüber gibt, was im Allgemeinen als irritierend, störend oder schwierig empfunden wird. Sie zeigt auch, wie schmal der Grat zwischen schrulliger Macke und behandlungswürdiger Persönlichkeitsstörung manchmal sein kann. Bei schwierigen Menschen sind bestimmte Merkmale der Persönlichkeitsstruktur und des Verhaltens in besonderer Weise ausgeprägt. Selbstverständlich ist nicht jeder psychisch krank, der sich schwierig verhält, aber Schätzungen zufolge erkranken fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung in ihrem Leben an einer Persönlichkeitsstörung und in vielen Fällen bleibt diese unbehandelt, weil sie nicht als solche erkannt oder ausreichend ernst genommen wird.
Die verschiedenen Persönlichkeitsstörungen werden in drei Gruppen eingeteilt. Im Folgenden beschreibe ich die typischen Verhaltensweisen im Einzelnen.
• Menschen mit sonderbaren und exzentrischen Verhaltensweisen
• Menschen mit dramatischem, emotionalem und launenhaftem Verhalten
• Menschen mit ängstlichem und vermeidendem Verhalten
Menschen, die dieser Gruppe zugeordnet werden, wirken affektarm bis gefühlskalt und zeichnen sich durch großes Misstrauen aus. Ihre Stimmung kann schnell in Wut umschlagen, wenn sie sich bedroht oder gekränkt fühlen. Sie scheuen zwischenmenschliche Kontakte und leben eher für sich. Außenstehende erleben diese Menschen als sonderbar und exzentrisch.
Vertraue niemandem – das Böse lauert überall!
Zu dieser Gruppe gehören paranoide Persönlichkeiten, also Menschen, die stark selbstbezogen und überaus misstrauisch sind, die überall Verrat und Feindseligkeiten wittern. Selbst freundliche oder neutrale Verhaltensweisen interpretieren sie als übelwollend oder empfinden sie als gegen sich gerichtet. Solche Menschen reagieren zudem übertrieben empfindlich auf Zurückweisungen und Rückschläge. Dabei sind sie äußerst nachtragend und kaum fähig, ein Urteil, das sie einmal gefällt haben, zu ändern oder gar zu verzeihen. Ganz im Gegenteil: Streitsüchtig und ständig gereizt pochen sie vehement auf ihr Recht. Aufgrund ihrer argwöhnischen und fein seligen Art und da sie niemandem vertrauen, haben sie wenig soziale Kontakte.
Misserfolge können sie schlecht ertragen, die Gründe hierfür schieben sie gerne anderen in die Schuhe. Eines ihrer liebsten Hobbys ist die Beschäftigung mit Verschwörungstheorien, denn damit lässt sich ganz leicht die gesamte Misere ihrer Welt erklären.
Vielleicht haben Sie auch einen Kollegen, der sofort eine Verschwörung vermutet, wenn die anderen ohne ihn in die Kaffeepause gehen, und der seinen Computer auf „Bildschirmschoner“ stellt, sobald sich jemand seinem Arbeitsplatz nähert? Der selbst hinter einem achtlos dahingesagten Morgengruß böse Absichten vermutet – dass Sie ihn vielleicht für Ihre Zwecke ausnutzen wollen?
Eigenbrötler und Schweiger
Menschen, die sich ständig in einem Spannungsverhältnis befinden zwischen dem, was sie innerlich erleben, und dem, wie sie sich nach außen verhalten, werden den schizoiden Persönlichkeiten zuge ordnet. Am liebsten verbringen sie ihre gesamte Zeit in ihrer Phantasiewelt – sind aber durchaus fähig, die Realität zu erkennen.
Manche Eigenbrötler leiden unter den mangelnden sozialen Kontakten. Sie können dann depressiv werden.
In der Regel sind sie sehr introvertiert und vermeiden soziale Kontakte. Ihr begrenztes Vermögen, Gefühle auszudrücken und Freude zu zeigen, lässt sie eigenbrötlerisch und verschlossen wirken und macht Interaktionen schwierig. In Gesprächen oder unter Leuten sagen sie nur wenig oder murmeln ein paar Worte. Sie sind das genaue Gegenteil von Vielrednern. Wenn sie überhaupt mehrere Sätze am Stück sagen, äußern sie sich eher allgemein und gehen kaum in die Details.
Wenn Sie solche Menschen zu nehmen wissen, können Sie gut mit ihnen klarkommen. Haben Sie aber Nachsicht, wenn sie auf eine Einladung zum Feierabendbier mit dem Team sehr verhalten reagieren – Treffen mit mehr als drei Personen kommen schon Massenveranstaltungen gleich. Dass Sie einen Eigenbrötler eher nicht in einem Konzert oder beim Public Viewing treffen, ist selbstredend.
Die Diva unter den Exzentrikern
Manche Menschen nehmen wir als extrem exzentrisch und schrullig wahr. Auf der einen Seite sind sie unnahbar und zurückgezogen, auf der anderen Seite legen sie ein eigentümliches Verhalten an den Tag und haben oft bizarre Ideen. Diese haben ihren Ursprung in einer teils stark verzerrten Wahrnehmung ihrer Umwelt, was zu entsprechend verschrobenen Gedanken führt.
Sie grübeln zwanghaft, drücken sich vage und umständlich aus und sind unfähig zu engen persönlichen Beziehungen. Doch im Vergleich zu den vorher beschriebenen Eigenbrötlern sind sie deutlich exzentrischer, ihr Verhaltensdefizit ist tiefgreifender: Sie pendeln irgendwo zwischen aufdringlich und jeden sozialen Kontakt vermeidend hin und her.
Vielleicht kennen Sie jemanden, der auf der einen Seite überaus zurückgezogen arbeitet und vor allem lebt – ja, sich regelrecht verkriecht – und auf der anderen Seite irgendwie „übergeschnappt“ wirkt. Sei es, dass er sich skurril kleidet oder überaus laut mit sich selbst in einer eigenwilligen Sprache spricht.
Das auffälligste Merkmal in dieser Gruppe ist, dass die Betroffenen wenig bis kaum ihre Impulse kontrollieren können. Ihr Verhalten ist geprägt von Launenhaftigkeit, von Wut und Jähzorn. Ihre Aggressivität richtet sich nicht nur gegen andere, sondern oft auch gegen sich selbst, was vor allem in ihrem geringen Selbstwertgefühl begründet ist. Auf Kritik oder Zurückweisung reagieren sie mit Wut, sie schämen sich oder fühlen sich gedemütigt.
In Beziehungen – ob freundschaftlich oder in der Liebe – pendeln sie ständig zwischen zwei Extremen: der Idealisierung und der Entwertung des anderen. Sie haben große Schwierigkeiten im Umgang mit Nähe und Distanz.
Die Drama-Queen
Ein theatralischer Mensch wird unabhängig von seinem Geschlecht auch als „Drama-Queen“ bezeichnet. Diese Personen nehmen sich sehr wichtig. Sie streben ständig nach Aufmerksamkeit und tun alles dafür, um diese zu bekommen. Sie sind leicht beeinflussbar, manipulieren aber auch sehr gerne. Mit Vorliebe stellen sie sich als Opfer dar, um Mitleid einzufordern.
Die Drama-Queen weiß sich gut zu inszenieren. Bleibt die Aufmerksamkeit aus, wird sie rücksichtslos.
Neben ihren bühnenreifen Shows und der Tendenz, jede Bagatelle zu dramatisieren, zeichnen sie sich auch durch große Selbstbezogenheit, Oberflächlichkeit, labile Stimmungslagen und einem übermäßigen Interesse an körperlicher Attraktivität...