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E-Book

Scorecard als Instrument der kartellrechtlichen Prävention im Unternehmen

AutorIrina Giertz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl99 Seiten
ISBN9783656851790
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 1,7, Hochschule Niederrhein in Krefeld (Hochschule Niederrhein), Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Untersuchung hat die Erstellung einer Balanced Scorecard für die Steuerung der kartellrechtlichen Prävention im Unternehmen als Ziel. Im ersten Schritt werden die Maßnahmen der kartellrechtlichen Prävention beschrieben und die Anforderungen der Best Practice angedeutet. Im zweiten Schritt erfolgt die Darstellung des Risikomanagements und der daraus folgenden kartellrechtlichen Prävention. Dabei wird auf die Synthese der rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Anforderungen hinsichtlich der Best Practice abgestellt. Anschließend wird der Ansatz der Balanced Scorecard aufgezeigt und mit den Grundsätzen des Risikomanagements auf die kartellrechtliche Prävention angewendet. Im Ergebnis liegt abschließend ein Konzept der Balanced Scorecard für die kartellrechtliche Prävention vor.

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Leseprobe

2. Kartellrechtliche Compliance im Unternehmen


 

2.1 Regelungsrahmen des Kartellrechts


 

Ausgehend von der Darstellung der gesetzlichen Regelungen werden im Folgenden die rechtlich erfassten Kartellrechtsverstöße dargestellt, die Mechanismen der Prävention aufgelistet sowie die Umsetzung der präventiven Maßnahmen im Rahmen der kartellrechtlichen Compliance aufgezeigt.

 

Die drei Säulen des Kartellrechts – Kartellverbot, Missbrauchsverbot und Fusionskontrolle[23] – werden in einer Reihe von Regelungen erfasst. Die aktuell gültigen Wettbewerbsregelungen der EU-Kommission sind in den nachfolgend aufgeführten Regelungswerken enthalten:

 

 

 Tabelle 1: Aktuelle Wettbewerbsregelungen der EU-Kommission

 

(eigene Übersicht)

 

Das deutsche Kartellrecht ist in den folgenden Gesetzen enthalten:

 

 

 Tabelle 2: Aktuelle deutsche Wettbewerbsregelungen

 

(eigene Übersicht)

 

Der Gesetzgeber hat den kartellrechtlichen Regelungsrahmen sehr knapp gehalten. Dieser wurde durch die Dynamik der Rechtsprechung immer weiter ausgeführt, weswegen zur Erkenntnisgewinnung in der vorliegenden Arbeit neben den Gesetzestexten weitere Quellen wie Gerichtsurteile und Kommentare hinzugezogen werden müssen.

 

2.2 Kartellrechtsverstöße


[24]

 

2.2.1 Funktionaler Unternehmensbegriff


 

Kartellrecht betrifft zunehmend alle Unternehmen unabhängig von der Größe[25] oder dem Träger.[26] Dabei stellt das Kartellrecht auf einen sogenannten funktionalen Unternehmensbegriff ab. Danach werden als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts alle natürlichen und juristischen Personen verstanden, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder gewerblichen Dienstleistungen am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen. Somit wird jedes Subjekt unabhängig von seiner Rechtsform und der Art seiner Finanzierung eingeschlossen, das eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.[27]

 

Der im Handelsrecht geprägte engere Unternehmensbegriff ist für Kartellrecht nicht einschlägig, da die Gewinnerzielungsabsicht oder die gewerbliche Tätigkeit nicht entscheidend sind. So fallen unter den Unternehmensbegriff im kartellrechtlichen Sinne gemeinnützige Unternehmen, öffentliche Körperschaften wie z. B. Bund, Länder, Gemeinden und Universitäten sowie Anstalten des öffentlichen Rechts, wenn sie am Wirtschaftsverkehr teilnehmen.[28]

 

Die ebenfalls vom Kartellrecht erfassten Unternehmensvereinigungen sind alle Einrichtungen, die aus wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen bestehen und das Ziel verfolgen, die Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen. Die Rechtsform (privatrechtlicher Verein oder öffentlich-rechtliche Körperschaft wie z. B. Rechtsanwaltskammern) der Vereinigung ist nicht entscheidend. Kartellrechtlich relevant ist eine Unternehmensvereinigung dann, wenn mindestens zwei ihrer Mitglieder Unternehmen sind und die Vereinigung auf deren wirtschaftliche Betätigung einwirkt. In diesem Fall kann jede Tätigkeit von und in Verbänden grundsätzlich dem Kartellrecht unterfallen.[29]

 

2.2.2 Wettbewerbsbeschränkungen


 

Am Wirtschaftsverkehr teilnehmende Unternehmen müssen ihre Umsätze im Wettbewerb mit anderen Unternehmen am Markt erzielen. Dies geschieht grundsätzlich durch Entwicklung eigener Erfolgspotenziale gegenüber den konkurrierenden Unternehmen. Allerdings sind auch Handlungen zur Einschränkung der Konkurrenz am Markt als Mittel denkbar.

 

Zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des gewünschten marktlichen Wettbewerbs hat der Gesetzgeber in Art. 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB jegliche „Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs“ untersagt. Dabei geht es dem Gesetzgeber darum, die Einengung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit beim Anbieten oder Nachfragen von Waren oder gewerblichen Leistungen zu verhindern. Unzulässig ist daher eine Beschränkung, wenn sie die Teilnahme am Wettbewerb verhindert oder wettbewerbsrelevante Handlungen beinhaltet, beispielweise die wettbewerbsbeschränkende Festsetzung von Preisen, die Festlegung der Mengen und Umsätze, der Absatzgebiete und Werbemaßnahmen.[30]

 

Die möglichen Ausprägungsformen einer Wettbewerbsbeschränkung sind sehr vielfältig. Dazu zählt bereits eine Koordinierung der wettbewerbsrelevanten Maßnahmen, welche das Verhalten der Marktteilnehmer beeinflussen. Es bedarf dazu keiner expliziten oder gar schriftlichen Vereinbarung hinsichtlich bestimmter Verhaltensweisen. Ausreichend ist, dass solche Wettbewerbsabsprachen mündlich oder informell getroffen werden. Außerdem kann eine Vereinbarung sowohl gegenseitig beschlossen, wie in einem Kartell, als auch einseitig erfasst werden, wie in Missbrauchsfällen, z. B. bei einer Beschränkung der Handlungsfreiheit anderer Marktteilnehmer durch Lieferverweigerung. Geschützt wird außerdem auch der potenzielle Wettbewerb, der sich in einem erwarteten möglichen Markteintritt eines neuen Marktteilnehmers realisiert.[31]

 

Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen

 

Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen erfolgen durch Vereinbarungen oder koordiniertes Verhalten zwischen Wettbewerbern, wie z. B. Preis- oder Gebietsaufteilungsabsprachen, Informationsaustausch, Einkaufskooperationen, Mittelstandskartelle. Dabei muss zwischen grundsätzlich unzulässigen Hardcore-Kartellen und solchen Wettbewerbsbeschränkungen differenziert werden, die sowohl wettbewerbsfördernde als auch wettbewerbseinschränkende Wirkung haben. Die Hardcore-Kartelle bezwecken eine Einschränkung des Wettbewerbs zu Gunsten der beteiligten Unternehmen und zum Nachteil anderer Marktteilnehmer, vor allem den Abnehmern, meistens durch Beschränkung des Angebots und/oder Erhöhung der Preise. Genau diese Wettbewerbsbeschränkungen werden von Kartellbehörden besonders hartnäckig verfolgt und mit enormen Bußgeldern geahndet. Bei anderen Formen der horizontalen Kooperation können parallel zu wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen, wie z. B. Preisfestsetzungen, auch wettbewerbsfördernde Folgen auftreten, wie z. B. Erweiterung des Wettbewerbs durch Marktzutritt, die zum Vorteil der Abnehmer führen.[32]

 

Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen

 

Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen finden sich in Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern und verpflichten den Abnehmer oder den Zulieferer zu Einschränkungen gegenüber Marktteilnehmern entlang der Wertschöpfungskette. Mögliche Einschränkungen des Abnehmers umfassen Preisbindung der zweiten Hand, Alleinbezug oder selektiver Vertrieb. Zulieferer können durch den Alleinvertrieb für ein Vertragsgebiet, Alleinbelieferung oder Meistbegünstigungsklauseln eingeschränkt werden.[33] Die genauen Auswirkungen einer solchen Vereinbarung auf dem betroffenen Markt werden im Einzelfall abgewogen, um so über ihre Zulässigkeit in Bezug auf das Kartellrecht zu urteilen.[34] Die EU-Kommission regelt in der Vertikal-GVO die Freistellung wesentlicher vertikaler Beschränkungen mit gleichzeitigem Verbot unzulässiger Vereinbarungen („Kernbeschränkungen“). Erlaubt sind prinzipiell alle vertikalen Beschränkungen, falls der Marktanteil des Zulieferers auf dem Absatzmarkt sowie der Marktanteil des Abnehmers auf dem Beschaffungsmarkt jeweils nicht mehr als 30 Prozent beträgt und keine Kernbeschränkungen vorliegen.[35]

 

2.2.3 Spürbarkeit von Wettbewerbsbeschränkungen


 

Das Kartellverbot soll nur auf die Vereinbarungen angewendet werden, die eine spürbare Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer bewirken. Dabei ist die Spürbarkeit ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zur Ausklammerung von Bagatellfällen aus dem Anwendungsbereich des Kartellverbots.[36] Bei einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung ist die Veränderung der Marktverhältnisse dergestalt, dass sie praktisch ins Gewicht fällt. In qualitativer Hinsicht werden einige Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich als gravierend angesehen, z. B. Preisabsprachen – sie sind besonders spürbar. Bei weniger schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen sollen die Wettbewerbsintensität auf dem Markt sowie mögliche kumulative Wirkung von gleichartigen Vereinbarungen zur Bewertung der Spürbarkeit hinzugezogen werden. Das quantitative Kriterium der Spürbarkeit stellt vor allem auf den Marktanteil der an der Wettbewerbsbeschränkung beteiligten Unternehmen ab. Die „De-minimis-Bekanntmachung“ der EU-Kommission spricht die Spürbarkeit für horizontale Vereinbarungen dann ab, wenn der gemeinsame Marktanteil der Parteien zehn Prozent nicht überschreitet.[37] Für vertikale Vereinbarungen wird die Spürbarkeit verneint, wenn der Marktanteil jedes beteiligten Unternehmens 15 Prozent nicht überschreitet.[38] Von dieser Regelung ausgenommen ist eine Anzahl...

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