Das Familiensystem
Bevor ich Ihnen mehr von den Seelenkindern erzähle, möchte ich auf die energetischen Zusammenhänge innerhalb einer Familie eingehen. Nur mit diesem Wissen können Sie später die Bedeutung der Seelenkinder für die Familie richtig erfassen und meine Argumentation nachvollziehen. Was bedeutet es, eine Familie zu sein? Weswegen ist die Familie für unser Leben so entscheidend?
Die innere Verbundenheit
Eine Familie ist keine Ansammlung zufällig anwesender Personen, sondern ein energetisches Gefüge, in dem jeder mit jedem verbunden ist. Der therapeutische Ansatz Bert Hellingers basiert auf diesem Verständnis. Seine Erkenntnisse fließen in meine Ausführungen hinein. Ich vermittle Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, hier eine ganzheitliche Sichtweise auf familiäre Schwierigkeiten, die systemisch begründet ist. Die Familie als ein System zu begreifen bedeutet, die einzelnen Personen nicht als unabhängige Einzelteile zu verstehen, sondern als Teile des großen Ganzen. Die Mitglieder einer Familie beeinflussen sich gegenseitig im Fühlen und Erleben. Bei Schwierigkeiten lohnt es sich deswegen, nicht isoliert auf das Problem zu schauen. Stattdessen sollte man versuchen, die Hintergründe zu erfassen, die zu dem Problem geführt haben. Sie können sich das vorstellen wie einen Eisberg, der aus dem Wasser ragt. Wenn ein Kind ein problematisches Verhalten zeigt und beispielsweise täglich mehrere Wutanfälle bekommt, sind die Wutanfälle unter Umständen nur die Spitze des Eisberges. Unter der Wasseroberfläche verbirgt sich ein komplexes Gefüge von ungelösten Themen, Traumata oder Verstrickungen, die in der Familie vorhanden sind und indirekt auf das Kind einwirken, auch wenn das Kind selbst nichts davon erlebt hat. Die Wutanfälle verweisen bloß auf den verborgenen Teil des Eisberges. Dies ist möglich durch die enge energetische Verbindung, die zwischen den einzelnen Familienmitgliedern besteht. Diese Verbindung entsteht nicht durch gemeinsam verbrachte Zeit oder geteilte Erlebnisse. Sie entsteht bei der Zeugung des Kindes.
Das dreifache Ja
Eine Zeugung kann nur stattfinden, wenn ein dreifaches Ja gegeben ist: das Ja der Seele der Mutter, das Ja der Seele des Vaters und das Ja der Seele des Kindes. Nur wenn alle drei Seelen innerlich das neue Leben bejahen, kann ein Kind gezeugt werden. Das heißt umgekehrt: Wenn nicht alle drei Seelen Ja zueinander sagen, findet keine Zeugung statt. Die Eltern entscheiden sich seelisch also immer für das Kind. Kein Kind entsteht zufällig, selbst wenn die körperliche Zeugung unter misslichen Umständen vollzogen wird.
Gerade wenn man eine belastete Beziehung zu den eigenen Eltern hat, kann es sehr hilfreich sein, wenn man um dieses dreifache Ja weiß. Die Zustimmung zum Kind erfolgt, bevor die Eltern das Kind sehen oder spüren können. Somit ist diese Zustimmung bedingungslos und nicht an spätere Verhaltensweisen des Kindes oder Bedingungen der Eltern geknüpft. Das Kind kann sich die Zustimmung nicht verdienen, sie ist einfach da als Geschenk. Sie ist die Voraussetzung für das Entstehen des Kindes, und alles, was die Seele des Kindes dazu beitragen kann, ist, ebenfalls seine Zustimmung zu diesen Eltern, so wie sie sind, zu geben. Weil man auf seelischer Ebene Ja zueinander sagt, ist man eine Familie, die für immer zusammengehört. Die Zustimmung zueinander schafft die Verbindung, noch bevor das Kind geboren ist. Das heißt, die Verbindung ist ab dem Moment der Zeugung gegeben. Das Leben beginnt ebenfalls mit der Zeugung, das Ja des Kindes zu seinen Eltern ist gleichzeitig die Bejahung des Lebens und wirkt als Initialkraft, die es der Seele ermöglicht, sich dem Leben zuzuwenden.
Neben dem Ja zum Leben gibt es noch einen weiteren Impuls, der die Seele gewissermaßen ins Leben hineinzieht. Haben Sie auch schon einmal beobachtet, wie es zwischen zwei Menschen knistert? Zwischen zwei Menschen, die sich mögen, ob Mann oder Frau, entsteht immer ein energetisches Feld. Weil beide positive Gefühle füreinander hegen, sich nur das Beste wünschen und sich voneinander angezogen fühlen. Sich sympathisch sein bedeutet, dass man die Energie des anderen als angenehm empfindet. Jeder hat in seinem Freundeskreis Menschen, bei denen er auftanken kann. Wenn ich mit diesen Menschen zusammen bin, fühle ich mich gestärkt. Im Kontakt miteinander verbinden sich unsere persönlichen Energien und bilden ein energetisches Feld. Das passiert immer, wenn wir miteinander Zeit verbringen. Das Feld kann für uns stärkend sein, aber auch schwächend – je nachdem, mit welcher Person wir zusammen sind. Darum fühlen wir uns mit einigen Menschen pudelwohl, während wir das Zusammensein mit anderen als sehr anstrengend empfinden.
Die stärkste Form, ein gemeinsames Feld zu erzeugen, ist die Sexualität. Die gegenseitige Anziehung findet in der sexuellen Handlung wortwörtlich ihren Höhepunkt. Dieses Feld wirkt ähnlich einem Magneten und zieht die Seele des Kindes an. Wenn das energetische Feld zwischen Mann und Frau sehr stark ist, hat es die Seele leicht, den Weg ins Leben zu finden. Wobei das Feld nicht nur durch die Sexualität entsteht, sondern auch durch die gegenseitige Liebe und Zuneigung. Nun kommen immer mehr Kinder durch künstliche Befruchtung zur Welt. Darauf komme ich später zu sprechen. Hier geht es mir darum, die Familienenergie und ihre Entstehung darzulegen.
Ich möchte kurz zusammenfassen: Eine Familie entsteht aus der gegenseitigen Anziehung zweier Menschen und der inneren Zustimmung aller beteiligten Seelen. Das Ja füreinander ist gültig, so lange, bis die letzte Person der Familie stirbt. Das bedeutet also, das Ja gilt für immer, denn eine Familie ist dadurch gekennzeichnet, dass stetig neue Menschen in die Familie hineingeboren werden: Die Kinder bekommen eigene Kinder und diese wiederum eigene Kinder und so weiter. Ich konnte nur gezeugt werden, weil vor mir meine Großeltern Ja zu meinen Eltern gesagt haben und meine Urgroßeltern Ja zu meinen Großeltern. Mit meinem inneren Ja zu meinen Eltern gab ich auch die Zustimmung zu meinen Ahnen. Ich habe mich für sie entschieden. Ich habe mich für dieses spezifische energetische Feld entschieden. Weil so viele Menschen zu einer Familie gehören und alle durch das Ja miteinander verbunden sind, spricht man auch von einem energetischen Netz.
Die Familie als Netz
Das energetische Netz können Sie sich so vorstellen: Wenn alle Ihre Familienmitglieder in einem Raum sind und Sie ein Wollknäuel nehmen und es von einer Person zur anderen weitergeben, wobei jeder den Faden in der Hand behält, so ergibt sich aus dem Wollfaden ein Netz. Die energetische Verbindung kann als Dichte und Beschaffenheit des Fadens verstanden werden, während die Beziehung bestimmt, welche Farbe der Faden hat. Der Faden bleibt immer bestehen, die Farbe kann sich verändern. Über dieses Netz fließt andauernd Energie von einem Familienmitglied zum anderen. Da das Netz aus Energie besteht, geht es über den Tod hinaus. Das heißt, der Faden reißt niemals ab, auch wenn ein Mensch stirbt. Energie geht nie verloren, sie wandelt höchstens ihre Qualität. Für das Familiensystem gilt das Gleiche, was für physikalisch geschlossene Systeme gilt: Die Gesamtenergie ändert sich nicht mit der Zeit. Dies ist der Satz der Erhaltung der Energie. Es ist nicht möglich, Energie zu vernichten. Aus einem dicken Familienfaden kann ein dünner werden, verschwinden kann er aber nicht.
Dieses Netz ist der Grund, weshalb die Familie im Leben eine so zentrale Rolle spielt. Wir können niemals aus dem Netz fallen. Ein Faden kann vielleicht einmal durchhängen, sodass man meint, nur noch lose verbunden zu sein. Selten gibt es auch einmal einen Knoten – wenn sich eine Familie tief in ein Problem verstrickt hat. Aber ob wir auswandern oder keinen Kontakt mit der Familie pflegen, das Netz ist immer da. Und gerade deswegen liegt darin, neben einem gewissen Konfliktpotenzial, auch eine große Kraft. Je freier die Energie durch das Netz fließen kann, umso besser geht es allen Beteiligten.
Kinder spüren, wenn sich der energetische Familienfaden verheddert hat oder durchhängt, auch wenn man nicht über die schwierige Situation spricht. Sehr häufig zeigen Kinder problematische Verhaltensweisen, weil sie ein Ungleichgewicht in der Familie spüren. Dann sind wir geneigt, das Kind als schwierig anzusehen. Das Kind schläft nicht. Das Kind schlägt in der Kita seine Spielkameraden. Das Kind schreit im Supermarkt so laut, dass sich auch noch der letzte Kunde umdreht. Es gibt viele Möglichkeiten, wie Kinder unbewusst versuchen, ein Ungleichgewicht auszudrücken.
Wird jemand aus der Familie ausgeschlossen oder gab es in vorherigen Generationen Streitigkeiten, kann dies das heutige Alltagsleben beeinträchtigen. Besonders schwere Schicksale wie Kriegserfahrungen, Krankheiten, frühe Todesfälle und Ähnliches haben auch auf nachfolgende Generationen Einfluss. Die Möglichkeiten, wie solche familiären Probleme wirken, sind sehr vielfältig. Ist der Energiefluss innerhalb der Familie gestört, so beeinträchtigt das die einzelnen Mitglieder. Weil wir uns miteinander verbunden fühlen und uns lieben, fühlen wir uns automatisch auch verantwortlich für die anderen. Dieses Verantwortungsgefühl entsteht nicht im Verstand. Es ist ein tiefes Gefühl, das bereits ganz kleine Kinder verinnerlicht haben. Sie können sich das als eine Art Mitgefühl vorstellen. Wir fühlen mit unseren Verwandten mit und solidarisieren uns innerlich mit ihrem Schicksal. Aus diesem Mitgefühl heraus lassen wir es zu, dass uns die Lebensgeschichte unserer Familienmitglieder beeinflusst. Wenn beispielsweise der Großvater seine...