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E-Book

Selbstbiographie

Komplett Illustrierte Ausgabe

AutorLovis Corinth
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl202 Seiten
ISBN9783849607968
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Lovis Corinth war ein deutscher Maler und neben Max Liebermann, Lesser Ury und Max Slevogt einer der wichtigsten und einflussreichsten Vertreter des deutschen Impressionismus. Dies ist seine Autobiographie inkl. 26 Tafeln.

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Leseprobe

 


Je größer die Individualität eines Künstlers ist, desto größerem Mißverständnis ist er von Seiten des Publikums ausgesetzt. Der Kampf ums Dasein zwingt den Künstler, sein Bestes zu bringen, und so ist der Wettlauf auf das Äußerste angespannt. Um ihn herum mögen seine Kollegen, selbst seine Freunde hinsinken, wenn er nur als Stärkster obsiegt. Solange bei diesem Kampfe nur die Stärke des Siegers ausschlaggebend wird, wird niemand zu bedauern sein, denn es ist das Schicksal des Schwächeren, dem Starken zu unterliegen. Aber die Konkurrenz braucht leider oft gewundene Wege: Neid und Mißgunst werden mit allen Mittelchen angewendet, um den Gegner rücksichtslos zu Fall zu bringen. Es ist bekannt, daß unter den Künstlern aller Systeme die größten Machenschaften im Schwange sind und die größten Intriguen gesponnen werden. Dieses Strebertum wird von der Welt streng verurteilt – verurteilt, wenn der Ränkesüchtige sich verspekuliert hat. Dagegen wird er bewundert, wenn er im Kampfe Sieger bleibt und seine Gegner überwunden hat.

 

»Enthaltet Euch aller Kunstpolitik!« ruft man uns zu. Wer aber im Leben ehrgeizig ist und eine Rolle spielen will: – Halt! Da liegt bereits der Hase im Pfeffer. Wer hat dir als strebsamen Künstler geraten, eine Rolle spielen zu wollen? Mit aller Kraft ringe nach dem Höchsten, meinetwegen drücke deine Nebenbuhler rücksichtslos kraft deiner größeren Stärke an die Wand, daß sie nicht mehr jappen können, aber niemals um kleinliche Eitelkeiten, wie du sagst, z.B. »eine Rolle spielen wollen«, damit du unter hohlen Affen der größte Afferich wirst.

 

In dieser Rubrik, welche ich als Streberei bezeichne, gibt es auch noch eine Spielart, welche ich mit Leisetreter bezeichnen möchte. Sie trüben kein Wässerchen und scheinheilig lispeln sie, daß sie um nichts in der Welt jemand wehe tun möchten.

 

Ist es die Wahrheit dieser Blutleeren, so sind sie keine Künstler, denn bei diesen herrscht Temperament und impulsive Leidenschaft vor. Ist es aber Lüge, so ist sie die allerniedrigste Streberei, auf das Äußerste talentlos und in jeder Beziehung unkünstlerisch. Wenn dieser Mensch aber talentlos und unkünstlerisch ist, kann er doch niemals unter Künstlern vorwärts kommen? sagst du kopfschüttelnd. Dennoch ist es so. In den höchsten Stellen sind diese Impotenten zu finden und spielen eine desto größere Rolle, je talentloser sie sind. Es soll weiter nichts bedeuten, als daß ich in dieser Schrift meine Erfahrungen zum Besten geben will, und da man nicht viel bedeutet, so ist das Intriguenspiel, was ich beobachten konnte, auch nicht bedeutend. Die größten und berühmtesten Künstler haben das Intriguenspiel allereifrigst betrieben. Man möge nur bei Vasari nachlesen oder im Benvenuto Cellini. Am berühmtesten sind wohl die Ränke, welche Bramante und Raffael gegen Michel Angelo in Szene setzten; es handelte sich dabei um nichts Geringeres, als die Malereien Michel Angelo's in der Sixtinischen Kapelle zu vereiteln. Vielfach sind grade unter den Künstlern der Renaissance das Gegeneinander und Füreinander sehr im Schwange. Ich will aber aus meiner Jugendzeit anfangen und schildern, was ich alles beobachtet und was ich alles erlebt habe. Ich hatte zufällig in der kleinen Akademie zu Königsberg genügend Gelegenheit, den Kampf ums Dasein bei den Lehrern untereinander zu erleben.

 

Unter den Lehrern war einer, welcher Otto Günther hieß. Er war zu der Zeit berufen worden, als ich ebenfalls meinen Kursus in der Akademie antrat. Der ehemalige Direktor Rosenfelder brauchte einen Nachfolger. So munkelte man, daß er an Stelle des verstorbenen Direktors kommen sollte. Deshalb hatte seine Stellung schon von vornherein einen Riß, weil schon genug Geschicklichkeit dazu gehörte, diesen Argwohn zu zerstreuen. Heydeck, der Schwiegersohn des Direktors Rosenfelder, hielt sich lediglich schon aus diesem Grunde zu seinem Nachfolger berufen. Da er bereits die Malschule als Lehrer an sich gebracht hatte, mußte er ihm jetzt die Korrektur der Modellklasse räumen. Das machte schon böses Blut, und bei der ostpreußischen Dickköpfigkeit und dem nationalen Charakter des Nachtragens war ein Gegner, wie Heydeck es war, absolut nicht zu unterschätzen. Er wartete ruhig ab, bis die Stellung des Neulings auch bei den anderen Kollegen ins Wanken kam. Einstweilen war grade er dem jetzigen stellvertretenden Direktor Max Schmidt, welcher ebenfalls wie Professor Otto Günther aus Weimar gekommen war, eitel Liebe und Freundschaft. Günther hier, und Schmidt da! nannten sie beide sich untereinander, und ich glaube, daß sie sich gegenseitig das »süße Du« angetragen hatten. Das dauerte aber nicht lange. Der Argwohn auf den Direktorposten blieb latent, und bald sorgte die Fama für weitere Gerüchte, daß die Schüler der Landschaftsmalerei, z.B. also die Schule des Max Schmidt durch Günther für die Figurenmalerei herübergezogen werden sollten. In dürren Worten wollte er die Mehrzahl der Schüler für sich gewinnen.

 

So wurde bald die Stellung der beiden Freunde arg erschüttert, und durch manche andere Zwischenträgereien wurde die Stellung Günthers noch unhaltbarer. Er war auch nicht von der festesten Gesundheit, und man munkelte schadenfroh, er litte an Verfolgungswahnsinn. Wenigstens sagte mir mein Freund Kohnert, und das machte bald die Runde in der Akademie, Günther wäre plötzlich ohne anzuklopfen in sein Atelier getreten und hätte ihn zur Rede gestellt, warum er über ihn so laut geschimpft hätte, daß man es deutlich in seinem Atelier hören konnte. Der Fall ist nie aufgeklärt worden; ob beide die Schuld daran hatten? Jedenfalls schwor Kohnert hoch und heilig, daß ihm nichts von Schimpfereien bewußt gewesen war.

 

Für mich war Günther ein ausgezeichneter Lehrer und was noch mehr wert war: Er war mir ein väterlicher Freund. Geistvoll und sprühend zog er mich, den schwerfälligen und argwöhnischen Jüngling, zu sich heran. Auch kneipte er oft mit uns und zwang uns, daß wir bei unserem Trinken aus Hochachtung und ihm, dem Lehrer, zu Liebe, ein gewisses anständiges Betragen einhalten mußten. Günther überredete uns – es mochte etwa im Juli 1878 gewesen sein – eine Studienreise nach Thüringen zu machen. Wir taten uns vier Akademiker zusammen und schnorrten uns die Fahrt vierter Klasse zusammen. Die Fahrt ging zum ersten Male nach Berlin und gar noch über Berlin. In Weimar holte uns Günther von der Bahn ab und spielte, da er doch Weimaraner war, den geschicktesten Führer, welchen wir nur haben konnten. Später sollten wir dann in Herges, ein von Malern besuchtes Dörfchen, einquartiert werden, und zwar bei dem dicken Emil. Der Pensionspreis war 2,25 Mark mit Kaffee nachmittags. Einstweilen blieben wir noch einige Tage in Weimar.

 

Zu jener Zeit war Weimar das steckengebliebene, ich möchte fast sagen das mumifizierte, verkapselte Gehäuse seiner größten Berühmtheiten. Es gab z.B. Leute, welche noch mit Goethe, Schiller oder Herder und Wieland gesprochen hatten, und man sah noch ehrfürchtig einem älteren Herrn nach, wie er über die Straße stieg, und man raunte dem Fremden ehrfürchtig zu: »ein Enkel Goethes.« Liszt und Wagner, welche die späteren Berühmtheiten waren, blieben den Thüringern schon weniger interessant.

 

Günther suchte natürlich dadurch, daß er mit sechs großen, forschen und jungen Leuten als seine Schüler in dem kleinen Nest herumzog, sich selbst in das gehörige Licht zu stellen. Für uns blieb aber der Atelierbesuch, wo wir damals berühmte Künstler kennen lernten, von ungeheurem Interesse und Vorteil. Bis heute ist mir der Besuch bei Preller und den andern stets in angenehmer Erinnerung geblieben.

 

Preller war der älteste und berühmteste Künstler, am berühmtesten war er durch seine Odyssee-Bilder geworden. Auf der Ober-Tertia hatten wir einem abgehenden Lehrer eine solche Mappe zur Erinnerung geschenkt. Als wir in sein Atelier eintraten, sah der kleine bärtige Herr zu uns herauf und konnte nicht genug seine Verwunderung ausdrücken, als er der Reihe nach die eintretenden jungen Riesen bewunderte, und als zufällig gerade der zuletzt eingetretene auch der körperlich größte war, war er geradezu baff und meinte, so was hätte er doch noch nicht gesehen. Er war sächsisch freundlich und unterhielt uns als gewandter Gesellschafter, dem schon Goethe ein Stipendium verschafft hatte, auf das Beste, fragte nach unsrer Absicht in der Kunst und allem, was sonst bei Antrittsvisiten üblich ist. Nächst Preller kamen wir zu Brendel, dem Direktor der Kunstschule. Günther zog sich vor diesem Besuch die Handschuhe an, als Zeichen, daß es hier wohl formeller zugehen würde. Er hatte in Arbeit einen Pferdemarkt – das war nun Wasser auf unsere ostpreußischen Mühlen. Wir wurden lebhaft und sprachen vom Pferdemarkt in Wehlau und manches andre. Brendel war ein stiller und fischäugiger Herr von sehr konventionellem Benehmen. Solche Berühmtheiten hatten wir im Leben noch nicht gesehen und ebenfalls nicht solche Prunkräume als Ateliers. Dann besuchten wir das Genie jener Weimarer Zeit, den Landschaftsmaler Buchholz. Er lebte still, melancholisch und zurückgezogen. In seinem Atelier standen viele Bilder kleinen Formats, welche grade zu jener Zeit von der Kritik so gelobt wurden. Die Kritiker nannten die Bildchen so sinnig »die Natur im Morgenkleid«. Es ist merkwürdig, wie viele neue...

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