Einleitung: Übermensch Führungskraft
Waren das nicht herrliche Zeiten, als sich noch durch einen beherzten Faustschlag entschied, wer künftig Führungskraft wurde? Früher, sehr viel früher, als Rangfolgen noch durch Krafteinsatz entschieden wurden. Als physische Überlegenheit von Vorteil war. Den Anführer bestimmte einfach das Faustrecht. So lange, bis die Führungskraft zu alt und zu klapprig wurde. Dann kam ein Jüngerer daher, zack, gab’s was auf die Rübe und es war geklärt, wer künftig die Ansagen machte. Die Gruppe folgte wie selbstverständlich demjenigen mit den härtesten Fäusten. Zugegeben, die meisten von Ihnen werden sich diese Zeiten wohl nicht zurück wünschen. Aber wie schön einfach war doch früher die Sache mit dem Führen, oder? Einer sagt, wo es langgeht und alle machen brav mit.
Die Eier legende Wollmilchsau
Erwartungen an die Führungskraft
Wie viel komplizierter ist das Thema Führung heute! Was wird nicht alles von einer Führungskraft erwartet:
- Sie muss wie Supermann sein: Der Held, der sich nie unterkriegen lässt, immer eine zündende Idee hat und auch aus misslichsten Lagen noch einen Ausweg weiß, der letztlich souverän zum Erfolg führt.
- Sie muss sein wie Barack Obama: visionär, charismatisch, dabei sympathisch, humorvoll, kurz: authentisch, immer die richtigen Worte zur richtigen Zeit auf den Lippen.
- Und künftig muss sie auch noch sein wie Jesus und der Dalai Lama zusammen: voller Einfühlungsvermögen und Wertschätzung, der seine Schäfchen aus dem tiefsten Tal führt, jeden anerkennt, wie er ist, und für alle ein offenes Ohr hat.
Natürlich schadet auch einzigartiges Fachwissen nicht, strategisches Denken, unternehmerisches Handeln, die Fähigkeit widersprüchliche Anforderungen unter permanentem Zeitdruck in Ordnung zu bringen. Ganz zu schweigen davon, während all dieser Herausforderungen gesund und fit zu bleiben, ja: ein Privatleben und sogar Spaß zu haben! Eine Eier legende Wollmilchsau ist nichts dagegen!
Was Führung bedeutet
There is no contradiction betweenbehaving well and doing good business.
Professor John Board, der Dekan der Henley Business School in seiner Rede auf der Abschlussfeier im Oktober 2013
Eloquenz ja, Machtworte nein!
Führungskräften wird heute viel abverlangt. Menschenführung, was wir darunter verstehen, wie wir mit ihr umgehen und was sie idealerweise ausmacht, hat sich über viele Jahrzehnte entwickelt und wird sich künftig weiter verändern. Längst gilt es als überholt, wenn die Führungskraft den Patriarchen raushängen lässt oder gar autoritär auftritt. Eloquenz ja, Machtworte nein.
Empathie statt Druck
Druck funktioniert nur in einer Umgebung der Angst. Aber eine solche Unternehmenskultur kann sich heute kein Unternehmen mehr leisten. Nur: Müssen Führungskräfte deshalb gleich Softies mit ganz viel Gefühl werden? Wo doch jetzt Empathie das Schlüsselwort ist? Das ist die Fähigkeit, andere zu verstehen, überzeugend auf sie einzugehen und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Kurz: Die Herzen anderer Menschen zu erreichen, sie mit einer Vision zu begeistern und mit Charisma zu Höchstleistungen zu motivieren. Darauf legen gut ausgebildete Mitarbeiter sehr viel mehr Wert als früher. Die begehrten Fachkräfte lassen sich nicht mehr allein mit guter Bezahlung, Benefits und Incentives locken. Sie schauen sich den War for Talents gemütlich von außen an und suchen sich in aller Ruhe den Platz, an dem sie ihre Arbeitskraft am liebsten einsetzen möchten.
Wie gehen Sie als Führungskraft damit um? Schließlich erfordert es der Markt, dass Sie die besten Mitarbeiter ergattern – und halten. Und das wird künftig offenbar ein hartes Brot. Was bedeutet für Sie Führung und welche Kraft steckt in Ihnen? Wie führen Sie jetzt und wie wollen Sie künftig führen? Wohin wollen Sie selbst und wohin sollen andere Ihnen folgen?
Selbstcoaching zum Entwirren
Ganzheitlich Führen
Wer sich mit Führung beschäftigt, kommt schnell vom Hundertsten ins Tausendste. Das Thema ist hoch komplex und lässt sich nicht sauber auslösen und weiterverarbeiten wie das Filet eines Fisches. Dieses Buch ist deshalb auch kein Fachbuch über Führung im Wandel der Zeit. Ich betrachte Führung nicht als isolierten Bereich, den man nur verstehen muss und dann klappt das schon mit den Mitarbeitern. Wenn Sie Führungskraft sind oder dabei sind, eine zu werden, dann wissen Sie: Eine Führungsposition wirkt sich auf Ihr ganzes Leben aus. Sie werden plötzlich mit Erwartungen, Anforderungen, Veränderungen und Fragen konfrontiert, die sich nicht durch Googeln oder kurzes Querlesen bei Wikipedia lösen lassen. Fragen, die niemand für Sie beantworten kann. Fragen, deren Antworten irgendwo in Ihnen schlummern – und die sich nicht so einfach wecken lassen.
Vielleicht haben Sie bereits ein Assessment hinter sich oder Sie durchlaufen eine ganze Prozedur von Führungschecks samt Seminaren zu Persönlichkeitsentwicklung, Konfliktmanagement, Selbst- und Zeitmanagement, Führung, mit oder ohne Einzelcoaching, Audits und Selbst-Präsentationen. In jedem Fall tritt früher oder später Verwirrung ein: Was soll das Ganze? Kann ich das überhaupt? Will ich das überhaupt? Warum ich? Bin ich der Richtige? Was kommt noch? Ist es mir das wert? Zum Entwirren hilft Selbstcoaching. Selbstcoacher wissen, wie sie die Dinge – sei es eine Entwicklung, ein Problem oder eine Situation – methodisch reflektieren und damit entwirren können.
Was istSelbstcoaching?
Was Coaching ist, wissen Sie vermutlich. Ein Coach unterstützt durch eine spezielle Art der Gesprächsführung den Coachee, also denjenigen, der mit einem Anliegen zum Coach geht, dabei, Antworten und Lösungsmöglichkeiten zu finden, Entscheidungen zu treffen und sie in die Tat umzusetzen. Das Besondere am Tandem Coach/Coachee ist, dass nicht der Coach sagt, wo es langgeht, sondern der Coachee. Denn er ist alleiniger Experte für sein Anliegen.
Der Coach bereitet dem Coachee den Weg
Der Coach hat eine viel wichtigere Funktion als nur zu lenken: Er entwirrt das Wegenetz und sorgt für klare Sicht. Anstatt dem Coachee Ratschläge zu geben, lässt er ihn selbst erkennen, was das Beste für ihn ist. Der Coach sorgt für Klarheit, der Coachee erkennt, entscheidet und handelt.
Wenn Sie Selbstcoaching betreiben, sind Sie Coach und Coachee in einem. Das geht. Ein gutes Coaching macht Sie ja auch nicht vom Coach abhängig, sondern dient dazu, Sie in die Lage zu versetzen, sich selbst weiterzubringen. Selbstcoaching und Coaching lassen sich natürlich auch miteinander verbinden.
Was Selbstcoaching leistet
Selbstcoaching versetzt Sie in die Lage,
- sich, Ihr Denken, Ihre Gefühle und Ihr Handeln methodisch zu reflektieren.
- zu erkennen, dass Sie es sind, der sich für eine Art zu denken, zu fühlen und zu handeln entschieden hat.
- herauszufinden, warum Sie so denken, fühlen und handeln, wie Sie es tun.
- sich darüber klar zu werden, dass es Alternativen gibt.
- sich von Umständen und dem Einfluss anderer Menschen frei zu machen.
- selbst Einfluss zu nehmen auf Gedanken, Gefühle und Verhalten.
- umzudenken.
- sich zu verändern.
- sich weiterzuentwickeln.
- das Beste aus sich herauszuholen.
Eine allgemeine Definition für Selbstcoaching gibt es nicht. Das Verständnis reicht von eng gefasst „eine Methode des Selbstmanagements“ bis zum universalen „die Kunst, sich selbst zu helfen“. In diesem Buch wird Selbstcoaching als Anleitung verstanden, den eigenen inneren Coach zu aktivieren mit dem Ziel, sich persönlich weiterzuentwickeln. Selbstcoaching kann nicht bloß eine Methode sein. Sonst würde es ausreichen, diese hier zu erläutern. Sie würden sie anwenden und fertig.
Sie entscheiden, was zu Ihnen passt
Selbstcoaching ist hoch idiosynkratisch: idios = eigen/selbst und syn-krasis = Mischung/Zusammenmengung. Das heißt, beim Selbstcoaching kommt es auf Sie selbst, auf Ihre Eigenheit und die Mischung der Selbstcoaching-Tools an. Es gibt nicht die eine Methode, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Jeder Mensch ist verschieden (haben Sie gerade „Ich nicht!“ gedacht?) und jeder hat seine ganz persönlichen Baustellen. Deshalb benötigt auch jeder Mensch eine individuelle Betrachtung und Herangehensweise – und welche das ist, können nur Sie selbst entscheiden. Keine Angst, das ist nicht schwer. Sie werden bei der Lektüre dieses Buches merken, was Sie brauchen. Das ist der Grund, warum auch dieses Buch (nach Selbstcoaching: Die 86 besten Tools und 30 Minuten Selbstcoaching) viele verschiedene Möglichkeiten zur Anleitung vorstellt. Dabei werden einige Angebote Ihren Nerv treffen, andere werden Sie weniger tangieren oder Ihnen momentan egal sein. Im Verlauf Ihrer Entwicklung kann sich das ändern. Alle Selbstcoaching-Angebote in diesem Buch sind eingebettet in ausgewählte Themen und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse vor dem Hintergrund der Führung. Denn so unterschiedlich Leser und Selbstcoacher sind: als Führungskräfte sind Sie alle ähnlichen Herausforderungen ausgesetzt.
Selbstcoaching ist ein idiosynkratisches System von Methoden, das jeder nutzen kann, um mithilfe seines inneren Coachs die eigene Persönlichkeit zu entwickeln.
Sich selbst und andere führen
Vermutlich hatten Sie auch schon einmal so einen Chef, von dem sich alle gewünscht haben, er möge einfach tot umfallen. Vielleicht war es...