Thomas Kubera
Fußballspiele locken jedes Jahr Millionen von Zuschauern in die Stadien. Damit werden diese nicht nur zu spektakulären Großveranstaltungen, sondern auch zu Orten der großen Emotionen und der Begegnungen unterschiedlicher Fankulturen. Schon angesichts der Menschenmengen stellt die Durchführung und Sicherung jeder Fußballbegegnung personelle wie infrastrukturelle Herausforderungen an die Veranstalter und die öffentlichen Sicherheitsakteure.
Zu vermeiden und zu bewältigen sind weiterhin Sicherheitsstörungen zwischen rivalisierenden und verfeindeten Fangruppierungen auf den Reisewegen, am und im Stadion sowie konflikthafte Situationen im Zusammenhang mit Angehörigen von Ultragruppierungen oder gewaltbereiten Hooligans. Belastungen von nicht involvierten Personen sind dabei allerdings auch zu beachten. Dies sind z. B. die Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), die in die Ströme von Veranstaltungsbesuchern auf einer Anreise zum Stadion geraten oder als Verkehrsteilnehmer durch Fanmärsche in der Innenstadt tangiert werden.
Die Gewährleistung von Sicherheit bei maximaler Berücksichtigung von Freiheitsrechten ist von einer Vielzahl von Akteuren zu leisten. So ist die Bundespolizei neben der Deutschen Bahn AG für die Sicherheit in Zügen und auf den Bahnhöfen verantwortlich. Der Weg der Veranstaltungsbesucher vom Bahnhof zum Stadion liegt im Zuständigkeitsbereich der Polizei des Landes. Der Verein als Veranstalter mit seinem Sicherheitsbeauftragten und dem Sicherheits- und Ordnungsdienst kümmert sich um die Einlasskontrollen und reagiert auf Verstöße gegen die Stadionordnung. Die Kommunen als Gefahrenabwehrbehörden übernehmen Ordnungsmaßnahmen im öffentlich-rechtlichen Raum. Auch die Fanbeauftragten der Vereine sowie die Fanprojekte als Schnittstelle zwischen Fans und Institutionen übernehmen wichtige Aufgaben im Rahmen dieses Prozesses.
Kommunikation nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Blickt man auf die Vielzahl der involvierten Akteure und ihre Kommunikationsbeziehungen, ergibt sich ein komplexes Geflecht, das eine gut funktionierende interorganisationale Kommunikation erfordert. Es gilt, dass sich die Akteure im Veranstaltungsverlauf wirkungsvoll austauschen und abstimmen, um gemeinsam in vielfältigen Handlungsfeldern zu agieren. Das gilt nicht nur für den Spieltag, sondern auch für die Vor- und Nachbereitung. Das konstruktive und kooperative Zusammenwirken aller Sicherheitsakteure sowie das Funktionieren der Kommunikationsprozesse untereinander sind für eine ausgleichende und erfolgreiche Sicherheitsgewährleistung, insbesondere in konflikthaften Situationen, elementar.
Auch der organisationsinternen Kommunikation kommt große Bedeutung zu. So müssen Strategien und Philosophien, die zwischen den Partnern im Netzwerk der Sicherheitsgewährleistung abgestimmt sind, an alle Organisationsangehörige transportiert werden. Nur so kann das Handeln einheitlich und effizient gestaltet werden.
Nach außen gerichtet kommunizieren die öffentlichen Sicherheitsakteure und die Vereine mit Zuschauern, Fangruppen, aber auch mit der weiteren Öffentlichkeit und den Medien. In erster Linie geht es um sicherheitsrelevante Informationen, die einen reibungslosen Veranstaltungsverlauf unterstützen sollen. Gerade in dynamischen Lagen, in denen es zu Störungen im Ablauf kommt, müssen die Akteure in der Lage sein, Transparenz zu erzeugen, Sicherheitsmaßnahmen zu erläutern, Konflikten vorzubeugen und sie ggf. zu moderieren. Je transparenter und abgestimmter der Prozess der Sicherheitsgewährleistung der Öffentlichkeit vermittelt werden kann, desto besser können Konfliktsituationen vermieden oder reguliert werden, zumal diese nicht immer intentional, sondern häufig auch aufgrund von vermeidbaren Provokationen entstehen. Bereits im Vorfeld und in der Nachbereitung von Spieltagen sind insbesondere in Bezug auf Fangruppierungen Gesprächsangebote angezeigt, die vielfach im Rahmen eines örtlichen Fandialogs stattfinden.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte interdisziplinäre Forschungsprojekt „Mehr Sicherheit im Fußball – Verbessern der Kommunikationsstrukturen und Optimieren des Fan-Dialogs (SiKomFan)“ hat im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit II“ über mehrere Jahre die bundesweit bisher größte Studie zur Sicherheitsgewährleistung im Fußball unter kommunikativen Aspekten durchgeführt. Ausgehend von verschiedenen Grundannahmen wurde eine Fallauswahl von 25 Standorten der ersten drei deutschen Profiligen getroffen. Handlungsleitend für die Auswahl waren das Kriterium der Urbanität (d. h. Großstädte mit hoher Bevölkerungsdichte über 100.000 Einwohner und großer Infrastruktur), Unterschiede hinsichtlich der Geographie (Vereine aus dem gesamten Bundesgebiet), der örtlichen Fanstrukturen (Fanszenen mit als gering und hoch eingeschätztem Konfliktpotenzial), des Sicherheits- und Ordnungsdiensts (vereinseigen und extern) sowie der Ballungsräume. Beachtet wurden weiterhin Städte mit zwei Profivereinen zum Vergleich innerstädtischer Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie Vereinsstandorte ohne Fanprojekt als Vergleich zu solchen mit Fanprojekten. Aus diesen Ausschluss- und Einschlusskriterien wurden 25 Vereine ausgewählt: Hertha BSC, FC Union Berlin, Arminia Bielefeld, SV Werder Bremen, VFL Bochum, Eintracht Braunschweig, Borussia Dortmund, Dynamo Dresden, Fortuna Düsseldorf, Eintracht Frankfurt, FC Schalke 04, Hallescher FC, Hamburger SV, FC St. Pauli, Hannover 96, Karlsruher Sportclub, 1. FC Köln, Bayer 04 Leverkusen, FSV Mainz 05, Bayern München, TSV 1860 München, 1. FC Nürnberg, Offenbacher Kickers, FC Hansa Rostock und VfB Stuttgart.1
Die Untersuchung fokussierte insbesondere vier Teilszenarien. Im ersten Teilszenario ging es um das kommunikative Wirken im Rahmen der Anreise und Abreise von Veranstaltungsbesuchern sowie die Übergabe der Besucherströme in die Verantwortlichkeit von Kommune und Polizei des Landes. Weiterhin befasst sich das Szenario mit Sicherheitsansprüchen und Freiheitsansprüchen von Reisenden im Fanreiseverkehr. Das zweite Teilszenario befasste sich mit dem Weg der Veranstaltungsbesucher vom Bahnhof zum Stadion. Untersuchungsaspekte waren der Einsatz der Landespolizei und der Beitrag der Kommunalbehörden sowie Beiträge der Vereine und Verkehrsbetriebe. Im dritten Teilszenario wurde die Zusammenarbeit zwischen der Polizei des Landes, der Kommune, dem Sicherheitsbeauftragten sowie dem Sicherheits- und Ordnungsdienst im Zusammenhang mit Einlasskontrollen untersucht. Das vierte Teilszenario war auf den Aufenthalt von Veranstaltungsbesuchern im Stadion gerichtet, auf die Arbeit des Sicherheits- und Ordnungsdienstes, die Zusammenarbeit der Organisationen in der Sicherheitszentrale und die Einbindung der Stadionsprecher. Darüber hinaus wurden auch spieltagsunabhängige Aspekte der Sicherheitsgewährleistung und der zugehörigen Kommunikation betrachtet.
Koordiniert wurde das Forschungsprojekt von der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) in Münster, einer von den Innenministerien und Innensenatoren des Bundes und der Länder getragenen universitären Hochschule, die für den höheren Polizeivollzugsdienst aus- und fortbildet. Daneben versammelte das Verbundprojekt SiKomFan sieben Verbundpartner sowie mehr als 50 assoziierte Partner aus Praxis und Wissenschaft. Als Verbundpartner wirkten im Projekt die Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol) mit den Fachgebieten Einsatzmanagement und Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Polizeirecht, die Forschungsgruppe BEMA der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, das Institut für Sportwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, das Fraunhofer-Institut IOSB in Karlsruhe und Fraunhofer ESK in München sowie die Firma Airbus Defence and Space mit dem Bereich Studies and Innovative Concepts mit.
Die Verbundpartner arbeiteten aufgeteilt auf fünf Teilprojekte, die sich unterschiedlichen Schwerpunkten der Untersuchung widmeten. Dabei stellten regelmäßige Projektkonferenzen aller Beteiligten sowie Sitzungen eines Beirates einen inhaltlich unabhängigen, aber dennoch aufeinander bezogenen Forschungsprozess sicher. Die Mitglieder des Beirates unterstützten bei Feldzugängen und gaben Rückmeldungen zum Untersuchungsdesign, den ermittelten Befunden und den daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen. Der Beirat konstituierte sich aus einzelnen Experten sowie Vertretern der für den Fußballbereich relevanten Institutionen: Deutscher Fußball-Bund (DFB), Deutsche Fußball Liga (DFL), Deutsche Bahn AG (DB AG), Bundesverband der Deutschen Sicherheitswirtschaft (BDSW), Nationaler Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS), Deutscher Städtetag, Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), Kompetenzgruppe Fankulturen und Sportbezogene Soziale Arbeit (KoFaS), Institut für Präventionsforschung und Sicherheitsmanagement/Stiftung Kriminalprävention.
Die Koordination des Forschungsnetzwerks aus Verbundpartnern, Beirat und assoziierten Partnern erfolgte im „Netzwerk Praxis – Wissenschaft“. Durch Veranstaltungen, Tagungen und Workshops sicherte es die Anbindung zwischen Wissenschaft und Praxis, um eine ständige Rückkopplung der Forschungsergebnisse zu den Erfahrungen der (Sicherheits-)Akteure sicherzustellen. Dabei wurden Arbeitsschritte und Teilergebnisse dargestellt, die vor geladenen assoziierten Partnern und Vertretern der Praxis diskutiert und kritisch reflektiert wurden.
Die Forschungsgruppe BEMA der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie das Institut für Sportwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg...