EINLEITUNG
Über die Wiederkunft Christi gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen. Die einen meinen, sie sei zweigeteilt, zuerst die Entrückung, dann der Tag des Herrn zum Gericht; eine andere Gruppe hat sich darauf festgelegt, dass die Gemeinde zuerst noch durch die Drangsal muss; die Israelfreunde erwarten Jesu Ankunft auf dem Ölberg. Alle kennen und bekennen Jesus als HErrn, jeder wird Ihn sehen, wenn Er wiederkommt. Doch die große Frage stellt sich, in welcher Gestalt wird Er wiederkommen? Und werden wir Ihn sogleich erkennen oder bedarf es einer besonderen Offenbarung Seinerseits?
Über die Herrlichkeit unseres Herrn Jesu Christus in Seiner Niedrigkeit ist schon viel geschrieben worden. Wunderbare Betrachtungen über das Leben Jesu, Seine Vollkommenheit, Seine Liebe, Seine Wohltaten und Seine Selbsthingabe machen uns den HErrn der Herlichkeit groß. Unsere Betrachtung beschäftigt sich mit Seiner himmlischen Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll. Anhand biblischer Lebensbilder soll gezeigt werden, dass die Einzigartigkeit Jesu Christi in Seinem Leben sich in Seiner Offenbarung widerspiegelt als Lamm und Herrscher auf dem Thron. Kein anderer begegnet uns dort als Der, den die Jünger gekannt haben und wie wir Ihn kennen. Sein Wesen, Seine Treue und Seine Liebe gegen die Seinen hat sich nicht verändert. Das erfährt als Erster der Seher Johannes selbst und jeder Knecht Gottes, dem die Offenbarung Jesu Christi gezeigt worden ist. Das letzte Buch der Bibel ist nur das Fenster, unter dem viele Deutungsversuche gemacht werden, aber was und wer sich dahinter verbirgt liegt im Dunkeln. Doch wenn es uns geöffnet wird und das wahrhaftige Licht hinein fällt, entdecken wir die ganze Herrlichkeit Seiner Person und der Wege Gottes mit den Seinen und der Welt in den alttestamentlichen Vorbildern, zu denen die Offenbarung Jesu Christi uns zurückführt.
In den Evangelien werden wir am Schluss nur mit der Tatsache an sich bekannt gemacht, dass Jesus im Himmel ist, sitzend zur Rechten der Majestät. Mehr ist auch nicht in den allgemeinen Auslegungen zu erfahren. Selbst Bibellehrer, die tief in die Gedanken Gottes eingedrungen sind, können uns nicht sagen, welche Herrlichkeit Christus jetzt hat und umgibt. Unsere Lieben, wenn sie in Christo entschlafen sind, wissen wir im Himmel, sie sind bei Jesu, was weit besser ist. Wir werden sie wiedersehen, wenn auch wir dorthin gelangt sind und mit ihnen zusammen den HErrn ewig loben. Das genügt uns. Doch von Christus wollen wir nicht nur wissen, dass Er lebt und zur Rechten Gottes sitzt und von dort wiederkommen wird, sondern auch, welche Macht Er gegenwärtig hat und ausübt und zu welchen Gunsten, wie Er regiert und wie wir daran teilhaben können. Schon gleich im ersten Kapitel der Offenbarung wird eine Geschichte angedeutet, die augenscheinlich an Joseph und seine Brüder erinnert, bevor er sich ihnen offenbarte. Diese Geschichte müssen wir näher betrachten, denn sie veranschaulicht wie keine andere die Herrlichkeit Christi in Seinem Leben und in Seiner Hoheit.
Die Geschichte Josephs hat mich schon als Knabe gefesselt und ergreift mich immer wieder beim Lesen. Die Dramatik und Spannung dieser Geschichte lässt einen kaum über ihre vorbildhafte und geistliche Bedeutung nachdenken. Und doch enthält sie, wie überhaupt das erste Buch der Bibel in den Lebensgeschichten Einzelner, bereits den ganzen Heilsplan Gottes. Manchmal entdeckt man ein Stück eigener Lebensgeschichte in biblischen Gestalten und Ereignissen, was ich dem Leser nicht verheimlichen will. Man muss wohl erst einmal in eine ähnliche Situation kommen, um Gottes Wort und Wege zu verstehen. Ich verstehe nicht alles, aber ich glaube dennoch alles was geschrieben steht. Der Glaube geht dem Verstehen voraus, „durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet sind“ (Hebr.11). Was die Wissenschaft nicht ergründen kann, versteht der Glaube. Schon der Kinderglaube versteht mehr von Gottes Schöpfung und kann sich daran erfreuen, als alle Wissenschaftler dieser Welt.
Leider herrscht unter Gläubigen viel Unkenntnis und auch Unverstand im Schriftverständnis, sei es, dass sie ohne Glauben verstehen wollen oder ohne den Geist am Buchstaben hängen, das heißt, die Schrift wie der natürliche Mensch betrachten und buchstäblich deuten, manchmal auch einfach nicht richtig lesen was wirklich dort steht und daraus falsche Schlüsse ziehen. Dazu verleiten besonders die prophetischen Schriften, indem man versucht, sie sich natürlich vorzustellen, statt sie wie das Gesetz geistlich zu betrachten. Viele Kinder Gottes sind einfach auch falsch belehrt. Obwohl sie an die göttliche Inspiration der Schrift glauben, fehlt das geistliche Verständnis, wodurch sich die Schrift erst erschließt. „Denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes“ (1.Kor.2,9-16).
Die Josephgeschichte wird meist auf die Zukunft Israels gedeutet, die Juden würden noch in große Drangsal kommen und dann Jesus erkennen, wenn Er auf dem Ölberg erscheine. Gestützt wird diese Vorstellung mit der Endzeitrede Jesu (Matth.24). Dabei wird gewöhnlich übersehen oder es ist Unwissenheit, dass die in den Evangelien angekündigten Ereignisse jüdische Geschichte sind, die sich so nicht wiederholen kann.
Was wir im ersten Buch der Bibel vor Augen haben, ist eine ganz andere Geschichte. Im Lichte der Offenbarung erkennen wir in den Brüdern Josephs die Geschichte der christlichen Brüder, die ihren Joseph-Jesus in Seiner erhöhten und verherrlichten Stellung noch kaum oder garnicht erkannt haben. Wie sollten wir auch, wenn wir mit den alttestamentlichen Vorbildern so wenig vertraut sind oder mit ihnen so unverbindlich umgehen. Wie könnten wir auch, wenn wir die volle Erfüllung der Propheten durch unseren Herrn Jesus Christus und in Ihm, in Seinem Kreuz und Seiner Auferstehung bestreiten? Der herrschende Israelirrtum kann mit einem Satz widerlegt werden: Die Apostel haben „in Jesu die Auferstehung aus den Toten verkündigt“ (Apg.4,2) Aber gerade das empörte die Priester und Obersten, besonders die Pharisäer: sie glaubten fraglos an die Auferstehung des Volkes gemäß der Weissagung Hesekiels durch den Geist (37), aber doch nicht in dem Verführer Jesus. Sie haben sich weniger über das Zeugnis der Auferstehung Jesu am Pfingsttage aufgeregt (Apg.2,32), sondern vielmehr, dass in dem Jesus die Auferstehung Israels geschehen sein soll, Er als der Erste der Söhne Israels (Apg.26,23); alle, die an Seinen Namen glauben, haben Teil an der geistlichen Totenauferstehung zum ewigen Leben, wie schon Jesus gesagt hat (Joh.5,25). Wegen dieser Hoffnung klagten die Juden paradoxerweise Paulus vor Agrippa an, und doch hat der Apostel nichts anderes verkündigt als die Hoffnung Israels (Apg.26,6.7).
Als Paulus nach Rom kommt, sagt er den Brüdern, „wegen der Hoffnung Israels bin ich mit dieser Kette umgeben“ (Apg.28,20). Die Hoffnung Israels liegt also in dem Evangelium, das Paulus verkündigt, zuerst den Juden und auch den Nationen, denn beide lagen im Tode. Wir werden leider feststellen müssen, dass gerade mit der Erfüllung der Hoffnung Israels in Jesus die Brüder größte Schwierigkeiten haben, die Brüder Josephs in Joseph, unsere evangelikalen Mitbrüder in Jesus. Unsere Betrachtung basiert darauf, dass in Jesus, in Seiner Auferstehung und Erhöhung alles erfüllt ist, sowohl das Heil der Juden als auch der Welt gleichwie von Joseph das Leben seiner Brüder als auch der Äpgypter abhing. Die Apostel predigten Buße und Vergebung der Sünden für Israel und darüber hinaus, und das ist auch heute noch die Botschaft an Juden und Heiden bis an das Ende der Zeit. „Das Evangelium wird solange verkündigt werden wie die Welt besteht“ (Spurgeon). Denn es ist in keinem anderen das Heil als nur in dem Namen Jesus (Apg.4,12). Die Geschichte Josephs bietet dafür das anschaulichste Vorbild.
Wie kommt es, dass gläubige Christen die Errettung Israels in dem Namen Jesu in Frage stellen? Einzelner Juden, die zum Glauben kommen, freilich nicht. Wenn Jesus wiederkommt, kommt Er nicht zum Heil, sondern zum Gericht, sowohl der Toten als der Lebendigen. Das Problem des Nichtverstehenkönnens liegt in der Erhöhung Christi, zu der Gott Ihn erhöht hat über alles. Die letzten Worte Jesu im Matthäusevangelium, „mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden“, beziehen sich nicht nur auf Seinen Beistand in unserem Zeugendienst, so dass wir mutig vorangehen können, Er ist bei uns auf allen Wegen bis ans Ende. Auf dem Thron sitzt Derselbe, der einst als Sohn und Knecht Gottes in menschlicher Gestalt hienieden war. Er ist immer noch wie einst voller Gnade und Wahrheit, wenn wir auch in der Offenbarung zuerst mit der Wahrheit konfrontiert werden, mit der vollen Wahrheit über den Zustand der Kirche und den Mächten, die sie bedrohen. Nicht allein aber das, sondern auch die Verheißungen an die Überwinder sind Wahrheit, die sich erfüllen muss; denn „die Verheißung aus Glauben an Jesum Christum ist denen gegeben, welche glauben“ (Gal.3,22). Das glauben wir.
Die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater war den Jüngern geoffenbart, sie haben sie mit ihren Augen gesehen, „was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des...