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Sind wir allein im Universum?

Über die Wahrscheinlichkeit außerirdischen Lebens

AutorPaul Davies
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl190 Seiten
ISBN9783105607268
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Angenommen, wir würden Leben außerhalb unserer Erde finden - was würde es für uns und für unser Weltbild bedeuten? (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Paul Davies ist Professor für mathematische Physik und Preisträger des mit einer Million Dollar dotierten Templeton-Preises für seine besonderen Verdienste um die Wissensvermittlung zwischen Naturwissenschaft und Religion.

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Leseprobe

1 SETI – eine Geschichte im Überblick


Im Oktober 1992, anläßlich des fünfhundertsten Jahrestags der Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika, startete die US-Raumfahrtbehörde NASA ein umfangreiches Forschungsprogramm zur Suche nach außerirdischem intelligentem Leben (SETI). Seitdem setzen Wissenschaftler in der Hoffnung, Funksignale künstlichen Ursprungs zu empfangen, ein weltweites Netz von Radioteleskopen ein und belauschen damit Tausende von Sternsystemen.

Das Projekt Columbus, inzwischen in Projekt Phönix umbenannt, ist der jüngste in einer langen Geschichte von Versuchen, Leben und Intelligenz außerhalb der Erde zu finden. Die Idee, daß wir vielleicht nicht allein sind im Universum, ist nicht neu. Im vierten vorchristlichen Jahrhundert schrieb der griechische Philosoph Epikur in einem Brief an Herodot:

Es gibt unzählige Welten, sowohl solche wie die unsere als auch andere. Da die Anzahl der Atome unendlich ist … werden sie weit in den Weltraum hinausgetragen. Da die Atome, aus denen grundsätzlich eine Welt geschaffen werden oder zusammengesetzt sein kann, auf keiner einzigen Welt und auf keiner endlichen Zahl von Welten verbraucht werden … spricht nichts gegen eine unendliche Anzahl von Welten … Wir müssen akzeptieren, daß es auf allen Welten Lebewesen, Pflanzen und andere Dinge gibt, wie wir sie auf unserer Welt erblicken.

Die Theorie einer Vielzahl bewohnter Welten reicht bis zu den Anfängen rationalen Denkens und wissenschaftlicher Forschung zurück. Dies ist um so bemerkenswerter, als die griechische Kosmologie und andere frühe Modelle wenig mit dem wissenschaftlichen Bild gemeinsam haben, das wir uns heute vom Universum machen.

Mangels empirischer astronomischer Daten beruhten die Spekulationen der Griechen fast ausschließlich auf philosophischer Debatte. Es gab also genügend Raum für Meinungsverschiedenheiten. So lehnte Aristoteles den Gedanken an fremde Welten rundweg ab: «Die Welt muß einzig sein», schrieb er. «Mehrere Welten kann es nicht geben.»

Die Rechtfertigung des Glaubens an andere Welten war eng mit dem von Leukipp und Demokrit begründeten Atomismus verknüpft. Nach dieser Philosophie ist der Kosmos nichts als eine Ansammlung unzerstörbarer Teilchen, die in der Leere treiben. Da alle Dinge aus Atomen bestehen und Atome derselben Klasse identisch sind, folgt, daß ähnliche Atomverbindungen wie auf der Erde sich auch anderswo bilden können. Nach Worten, die nach dem römischen Historiker Diogenes Laertius von Leukipp stammen, sind die Welten so entstanden:

Viele Körper aller Art und Form tropfen aus der Unendlichkeit in eine große Leere. Dort kommen sie in einem einzigen Wirbel zusammen, in dem sie sich zu trennen beginnen und, gleich zu gleich, zu Gruppen formieren.

Den Glauben an die Pluralität der Welten übernahm auch der römische Dichter und Philosoph Lukrez, ebenfalls ein Atomist. Er wiederholte Epikurs Argument, in Anbetracht der unendlichen Anzahl von Atomen gebe es kein ersichtliches Hindernis für das Entstehen anderer Welten: «Wenn Materie im Überfluß bereitsteht, der Raum vorhanden ist und kein Hindernis existiert», dann würden andere Welten ganz natürlich entstehen. Dieses Argument aus der Antike steht im Mittelpunkt der heutigen SETI-Forschung. Setzt man einen quasi unerschöpflichen Vorrat an Materie und die Gleichförmigkeit der Natur voraus, dann sollte derselbe physikalische Prozeß, der zur Entstehung der Erde und des Sonnensystems geführt hat, auch anderswo ablaufen. Und unter geeigneten Bedingungen sollte sich Leben und Bewußtsein auf fremden Welten ungefähr in der gleichen Art entfalten wie bei uns.

Es ist im höchsten Maße unwahrscheinlich, daß diese Erde mit ihrem Himmel die einzige ist, die je erschaffen wurde … Dies folgt aus der Tatsache, daß unsere Welt durch spontane und zufällige Kollisionen und durch mannigfaltiges, plan- und zielloses Zusammentreffen und Zusammenwachsen von Atomen entstanden ist, deren Kombination zur Schaffung von Erde, Himmel und allen Rassen von Lebewesen geführt hat.

Die griechischen Atomisten standen der Frage, ob andere Welten Leben beherbergen, offen gegenüber. Die Pythagoreer waren zum Beispiel der Ansicht, der Mond sei von uns überlegenen Wesen bewohnt. Später stellte auch der griechische Schriftsteller Plutarch (46120) den Mond über die Erde und rätselte über Natur und Absichten der Mondbewohner. Die dunklen Gebiete der Mondoberfläche hielt er für Meere, was noch heute in der Namensgebung dieser Regionen (Mare) nachklingt, obwohl man inzwischen weiß, daß es in Wirklichkeit trockene Staubwüsten sind. Der Glaube an Mondbewohner blieb bis in die Neuzeit weit verbreitet und war noch im achtzehnten Jahrhundert Thema gelehrter Debatten.

Mit Anbruch der europäischen Renaissance nahm das Denken über außerirdisches Leben eine neue Wendung. Zunächst zeigte Kopernikus, daß die Erde nicht das Zentrum des Universums ist, sondern gemeinsam mit den anderen Planeten die Sonne umkreist. Danach offenbarten Teleskope bald Einzelheiten der Planetenoberflächen. Diese Entwicklungen führten unweigerlich zur Idee, die Planeten seien nicht einfach geheimnisvolle Himmelskörper, sondern andere Welten, die mehr oder weniger der Erde gleichen.

Führend in diesem Umdenken war der ehemalige Dominikanermönch und scholastische Philosoph Giordano Bruno. 1584 verließ Bruno Italien und ging nach Oxford, wo er kopernikanische Astronomie und die Existenz unendlich vieler bewohnter Welten lehrte. In seinem Buch De l’infinito universo e mondi (Das unendliche Universum und seine Welten) unterschied er wohl zwischen Sternen und Planeten, bestand aber darauf, daß beide Gestirntypen bewohnt seien. Bruno zog im wesentlichen philosophische und geometrische Argumente heran, um Aristoteles’ Behauptung zu widerlegen, die Erde liege im Zentrum eines kugelförmigen Weltalls. Leider sah die Inquisition Brunos Ansichten als gefährlich an, und als er 1592 nach Italien zurückkehrte, wurde er verhaftet und endete wegen zahlreicher Ketzereidelikte auf dem Scheiterhaufen.

Die wissenschaftliche Revolution war jedoch schon in vollem Gange. So schloß Kepler, wie früher schon Plutarch, aus seinen Mondbeobachtungen auf direkte Parallelen zwischen der Erde und ihrem Trabanten. Kepler identifizierte Berge und schroffes Terrain und kehrte Plutarchs Interpretation ins Gegenteil, indem er die hellen Gebiete zu Meeren erklärte. Weiter spekulierte er, die Mondmänner seien «weit höher gewachsen» und wegen der langen, heißen Mondtage «von heftigerem Temperament als wir».

Als Galilei sein frisch erfundenes Teleskop auf den Himmel richtete, waren Spekulationen über bewohnte fremde Welten in aller Munde. Kepler mutmaßte, einer der großen Mondkrater sei ein Werk der Mondbewohner (Seleniten) und diese hätten sogar Städte gebaut. Galileis Entdeckung von vier Jupitermonden bestärkte ihn in seinem Glauben, Gott habe die Monde zum Nutzen der Jovianer geschaffen:

Unser Mond existiert für uns auf der Erde, nicht für die anderen Globen, und diese vier kleinen Jupitermonde sind für Jupiter da, nicht für uns. Jeder Planet, einschließlich seiner Bewohner, hat seine eigenen Trabanten. Daraus folgt mit höchster Wahrscheinlichkeit, daß Jupiter bewohnt ist.

Im siebzehnten Jahrhundert erschien sowohl im katholischen als auch im protestantischen Europa eine Reihe von Schriften, die sich über die Bedeutung der neuen Astronomie und die dadurch veränderte Weltsicht ausließen. Die damaligen Kommentatoren, stets die Kirche und die theologische Dimension ihrer Spekulationen vor Augen, taten sich schwer mit der Vorstellung anderer bewohnter Welten. Galilei etwa äußerte sich in seinem Dialogo von 1632 nur vorsichtig darüber, ob der Mond und die Planeten Bewohner wie uns beherbergen könnten. Dagegen argumentierte der englische Priester (später Bischof) John Wilkins in seinem 1638 veröffentlichten Werk Discovery of a world in the moone (Die Entdeckung der Mondwelt) nachdrücklich für die Existenz von Mondbewohnern. Wilkins bestand darauf, sein Glaube stehe nicht im Widerspruch zur Bibel. Kepler wiederum wies früh auf die theologischen Gefahren der Idee fremder Welten hin: «Wenn es Himmelskörper ähnlich der Erde gibt … wie können dann alle Dinge nur für den Menschen da sein? Wie kann uns die Natur untertan sein?» (1610).

Am Ende des siebzehnten Jahrhunderts veröffentlichte der holländische Astronom und Physiker Christian Huygens eine ausführliche Abhandlung über außerirdisches Leben. Unter dem Titel Cosmotheoros ließ er seiner Phantasie freien Lauf. Huygens schrieb zum Beispiel, es stehe einer gutgesinnten Gottheit wohl an, anderen Welten Leben und intelligente Geschöpfe zu schenken. Seine Betrachtungen ließen ihn zwar zweifeln, ob der Mond die geeignete Umgebung für Leben sei, doch die Existenz der Jovianer, Saturnier und Merkurier erklärte er für bewiesen. Er ging sogar so weit, deren Charakterzüge zu beschreiben.

Die Teleskope enthüllten nicht nur die Geheimnisse des Sonnensystems. Indem Galilei die Milchstraße in einzelne Sterne auflöste, bescherte er der Menschheit einen ersten Eindruck von der Unermeßlichkeit des Universums mit Milliarden von Sonnen, von denen viele ihre eigenen Planetensysteme haben mochten. Isaac Newton stellte diese Beobachtungen auf eine solide Basis. Seine Entdeckungen der Bewegungsgesetze und der Gravitation erlaubten eine fundierte theoretische und mathematische Analyse der Struktur...

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