Einleitung
Vergeuden Sie Ihre kostbare Zeit nicht mit Schlafen
Als ich die Dame hinter dem Tresen in meiner Buchhandlung fragte, wo denn die Bücher zum Thema Schlaf stünden, sah sie mich irritiert an. Dann schaute sie in ihren Computer und zeigte, nach einigem Herumsuchen, in eine Richtung, von der sie wohl schlicht hoffte, es wäre die richtige. Vier Treppen weiter oben wurde ich in einer düsteren, verstaubten Ecke fündig: eine kleine Sammlung wissenschaftlicher Titel zur Schlafforschung, dazu eine Handvoll Bücher über Träume und ihre Bedeutung, also ein New-Age-Ansatz für ein uraltes Thema.
Ich hoffe, Sie haben dieses Buch nicht in einem ähnlichen Winkel aufgestöbert.
Beim Schlaf findet gerade eine Revolution statt. Viel zu lange war er ein Aspekt unseres Lebens, den wir für selbstverständlich hielten. Historisch betrachtet haben wir dem Schlaf selbst immer weniger Bedeutung zugebilligt (jedenfalls was seine Länge angeht). Gleichzeitig gibt es immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse, die einen Zusammenhang zwischen schlechten Schlafgewohnheiten und einer Vielzahl körperlicher und seelischer Erkrankungen herstellen – von Diabetes über Herzkrankheiten und Übergewicht bis hin zu Angststörungen und Burn-out. Daher ist es an der Zeit, dass der Schlaf endlich die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhält. An der Zeit, diesen entscheidenden Vorgang mentaler und körperlicher Erholung genau zu betrachten und zu überlegen, wie wir ihn verbessern können, damit wir das meiste aus unseren wachen Stunden herausholen, effektiver arbeiten, in unseren Beziehungen innerhalb der Familie und des Freundeskreises unser Bestes geben und uns einfach großartig fühlen können.
Bis Mitte der Neunzigerjahre kamen wir ja ganz gut zurecht. Für die meisten waren zwei aufeinanderfolgende freie Tage (auch Wochenende genannt) selbstverständlich. Unsere Arbeit war zu Ende, sobald wir das Büro – oder welchen Arbeitsplatz auch immer – verließen. Und die Ladenöffnungszeiten waren begrenzt. Dann kam es zu einer erdbebenartigen Veränderung unseres Lebensstils. Internet und E-Mails warfen unsere Art zu kommunizieren, zu konsumieren und zu arbeiten für immer über den Haufen. Mobiltelefone, die zunächst nur zum Telefonieren und für SMS verwendet wurden, entwickelten sich bald zu diesen kleinen Quellen bläulichen Lichts, in die wir seither ständig starren. Die Vorstellung, immer erreichbar zu sein, wurde Realität, die Arbeitshaltung »24 Stunden, 7 Tage die Woche« war geboren, und wir mussten uns anpassen, um mitzuhalten. Einerseits mehr Koffein, andererseits Schlaftabletten, um runterzukommen und abzuschalten. So brannte die Kerze quasi an beiden Enden. Die traditionelle Vorstellung von acht Stunden gesundem Schlaf pro Nacht wurde zur Legende.
Die Folge sind zusätzlicher Stress und Belastung von Beziehungen und Familienleben. Aber nicht nur das: Einige Wissenschaftler bringen unseren Mangel an körperlicher und seelischer Erholung auch mit der merklichen Zunahme vieler Krankheiten in Verbindung. Es muss also etwas passieren.
Ich bin ein Schlaf-Coach für Profisportler. So ein Job wird einem nicht beim Arbeitsamt vorgeschlagen. Vor allem liegt das daran, dass ich mir diese Aufgabe quasi für mich selbst maßgeschneidert habe.
Meine Reise begann Ende der Neunzigerjahre als internationaler Vertriebs- und Marketingdirektor von Slumberland, dem größten Konzern für Matratzen und Schlafzimmermöbel in Europa. Mich interessierte, was der beste Fußballclub meines Heimatlandes für Schlaf und Erholung tat. Da musste es doch einen ganz besonderen Ansatz geben, dachte ich, und schrieb an Manchester United, um es zu erfahren. Wie sich herausstellte, tat man dort gar nichts. Die Antwort von Sir Alex Ferguson – der bald mit seinem dreifach siegreichen Team Sportgeschichte schreiben sollte – lautete, ob ich nicht vorbeikommen und mir die Sache mal ansehen wolle.
Schlaf galt damals noch nicht als ein Faktor für gute Performance. Mein Glück war, dass Sportwissenschaft jedoch bereits mehr Aufmerksamkeit erhielt und das Interesse von einem der großartigsten Trainer aller Zeiten geweckt war. Ein genauso glücklicher Zufall war, dass ich mit einem der Spieler arbeiten konnte, der ein Rückenproblem hatte. Ich nahm ein paar Veränderungen in seinem Tagesablauf und an seinen Schlafmöbeln vor. Natürlich kann man eine Rückenverletzung nicht mit einer Matratze heilen, egal, was die Hersteller einem versprechen, aber immerhin konnte ich seine Verfassung positiv beeinflussen.
Mein Verhältnis zum Club wurde immer enger. Ich lieferte sogar Ferguson selbst einige Produkte und Ratschläge, ebenso der berühmten Mannschaft von 1992: Ryan Giggs, David Beckham, Paul Scholes, Nicky Butt und den Neville-Brüdern. Diesen Ansatz »von oben nach unten«, bei dem alle vom Management und dem Trainerteam bis zu den Spielern die von mir empfohlenen Methoden und Produkte verwenden, nutze ich bis heute gern.
Damals war ich schon auf dem Sprung, Slumberland zu verlassen. Mein Engagement für den Schlaf fing an, über den bloßen Verkauf von Produkten hinauszugehen. Ich war Vorsitzender des britischen Sleep Council, einer Organisation für Verbraucher zur Verbesserung der Schlafqualität. Dort erweiterte ich meine eigenen Kenntnisse und lernte Professor Chris Idzikowski kennen, einen führenden Experten auf dem Gebiet, der bald ein geschätzter Freund und Kollege werden sollte. Inzwischen hatte die Presse meine Jobbezeichnung erfunden – sie nannte mich den »Sleep Coach« von Manchester United. »Was macht der denn?«, hieß es da. »Die Spieler abends schön zudecken?«
Tatsächlich führte ich unter anderem den weltweit ersten Schlaf- und Erholungsraum auf dem Trainingsgelände von Manchester United in Carrington ein. Inzwischen haben viele Clubs so etwas, aber wir waren die Ersten.
Die Sache sprach sich herum. Die Spieler von Manchester United in der englischen Nationalmannschaft, die sich sowieso nie mit dem Zweitbesten zufrieden gaben, sorgten dafür, dass Andy Oldknow, Manager beim Fußballverband, und Gary Lewin, der Physiotherapeut der Nationalmannschaft – und auch von Arsenal London –, auf mich zukamen. Fortan arbeitete ich für die Nationalmannschaft, ließ Matratzen und Ähnliches liefern und beriet die Spieler bezüglich ihrer Schlafgewohnheiten. Gary sah den Nutzen meiner Tätigkeit und lud mich auch zu Arsenal ein, wo gerade ein neuer Trainer namens Arsène Wenger einige der althergebrachten Herangehensweisen im Fußball auf den Kopf stellte. Sam Allardyce, damals Trainer der Bolton Wanderers und auch jemand, der sich die Erkenntnisse der Sportwissenschaft früh zunutze machte, engagierte mich ebenfalls.
Später arbeitete ich noch für den britischen Radsportverband British Cycling, wo ich Stars wie Sir Chris Hoy, Victoria Pendleton, Jason Kenny und Laura Trott beriet, sowie das Team Sky, etwa deren erfolgreiche Teilnehmer an der Tour de France. Im Rahmen von Sportdirektor Sir Dave Brailsfords Marginal-Gains-Ansatz, über lauter kleine Einzelverbesserungen verschiedener Aspekte in der Summe eine große Verbesserung zu bewirken, entwarf ich transportable Schlaf-Ausstattungen – Sleep Kits – für die Fahrer, die diese dann statt ihrer Hotelbetten benutzten. Man zog mich für die britische Olympia- und Paralympics-Mannschaft zu Rate, und zwar für die Sportarten Rudern, Segeln, Bobfahren, Gelände- und Querfeldein-Radfahren, Rugby und Cricket. Dazu kamen weitere Fußballmannschaften wie Manchester City, Southampton, Liverpool und Chelsea.
Diese Revolution in der Welt des Sports blieb nicht auf Großbritannien beschränkt. Schließlich ist Schlaf eine universelle Sache. Man lud mich zu führenden europäischen Fußballclubs wie Real Madrid ein. Dort empfahl ich, die luxuriösen Spielerapartments auf dem Trainingsgelände zu idealen Erholungsräumen für einige der weltbesten Spieler umzugestalten. Vor der Winterolympiade 2014 arbeitete ich mit der niederländischen Damenmannschaft im Bobfahren. Ich coachte Radfahrer aus Malaysia und führte Gespräche mit Teams der National Basketball Association (NBA) und der National Football League (NFL) in den USA.
All das passierte, weil ich mich als Erster mit dem Thema Schlaf im Profisport beschäftigte und weil Sir Alex Ferguson in seinen Jahrzehnten an der Spitze stets offen für neue Ideen war und mir half, das Thema weiter zu erforschen. Schon damals erklärte er mir: »Dies ist eine wahnsinnig spannende Entwicklung in der Welt des Sports, die ich von ganzem Herzen unterstütze.«
Wenn die Leute hören, was ich mache, haben viele gleich Bilder von engen Schlafkabinen und weißen Hi-Tech-Laboren im Science-Fiction-Stil vor Augen, wo schlafende Probanden mit Supercomputern verdrahtet sind. Dabei hat das mit der Realität rein gar nichts zu tun. Zwar nutze ich, wenn nötig, alle Arten moderner Technik, und ja, ich habe schon eng mit führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet des Schlafs wie Professor Idzikowski zusammengearbeitet. Trotzdem findet meine tägliche Arbeit weder in einem Labor noch in einer Klinik statt. Ich bin schließlich weder Arzt noch Wissenschaftler.
In den letzten Jahren wurde die Bedeutung des Schlafs für unsere Gesundheit in klinischen Studien bewiesen. Angesehene Institutionen auf der ganzen Welt – darunter die Universitäten Harvard, Stanford, Oxford und München – leisteten auf diesem Gebiet Pionierarbeit. Die Forschung belegte alles Mögliche: vom Zusammenhang zwischen Schlaf, Übergewicht und Diabetes1 bis hin zu der Erkenntnis, dass unser Gehirn während des Schlafs quasi giftige Abfälle entsorgt, was wohl einer der entscheidenden Gründe dafür sein dürfte,...