Tiefgreifende Reformprozesse, die Globalisierung von Wirtschaft und Wissenschaft und auch die verscharfte Wettbewerbssituation hat das Hochschulwesen in den vergangenen Jahren vor erhebliche Herausforderungen gestellt.[6]
Die Reformen dienen insbesondere dem Zweck, die Hochschulen mit Hilfe von Standardisierungsmafinahmen auch international konkurrenzfahiger zu gestalten und gleichzeitig die Gestaltung einer Qualitätiv hochwertigen Ausbildung nicht zu vernachlassigen, bzw. weiterhin zu fordern. Der zweite Punkt betrifft die zunehmende Autonomie von Hochschulen und die damit einhergehende Selbstorganisation des Qualitätsmanagements.[7]
Laut des Stifterverbandes fur die deutsche Wissenschaft existieren im Kern vier Einflussfaktoren auf das System Hochschulwesen. [8] Die zuvor angesprochene Internationalisierung und der damit einhergehenden Sicht auf die Welt als globaler Studien-, Arbeits- und Forschungsraum fordert eine Umstellung der Hochschulen hinsichtlich ihrer Ausrichtung, Offenheit und Vernetzung. Nicht zu vernachlassigen ist der Standpunkt der Studierenden, welche unter anderem auch durch die geforderten Studiengebuhren immer mehr die Position des typischen Kunden annehmen. Eine Konsequenz ist die hohere Erwartungshaltung der Studierenden bezuglich diverser Aspekte, wie z.B. die Internationalisierung des Lehrangebots, Serviceorientierung und Praxisnahe.
Das statistische Bundesamt zeigt hinsichtlich der demographischen Entwicklung eine deutliche Zunahme an Absolventen mit allgemeiner Hochschulreife. Der konkrete Anstieg belauft sich auf 4% der Studienanfanger, gegenuber dem vergangenen Wintersemester 2009/2010.[9]
(Die jeweilige Aktualisierung erfolgt zeitverzogert, die Quote fur das vorvergangene Jahr wird vom statistischen Bundesamt jeweils im Februar ausgegeben.)
Abb. 2 Anzahl der Studenten an deutschen Hochschulen. Quelle: Statistisches Bundesamt
Die auf Vergangenheitswerten beruhenden Fakten, verdeutlichen zum einen den Anstieg, zum anderen fallen die Prognosen hingegen je nach Institut, Erhebung und Stand der Aktualitat unterschiedlich aus. Laut der Absatzwirtschaft von 2010 ist bis 2015 eine wachsende, danach sprunghaft sinkende Anzahl an studienwilligen Schulabgangern mit Hochschulzugangsberechtigung zu erwarten.[10] Die Kultusministerkonferenz spricht von einer Hochschulubergangsquote von 75% im Zeitraum von 2007 bis 2017 und der Ruckgang erfolgt bei gleichen Parametern erst im Jahre 2020.[11] Weitere Angaben vom Centrum fur Hochschulentwicklung, oder auch die Prognosen einzelner Bundeslander, weisen eine exakte Ubereinstimmung mit zumindest den direkt bevorstehenden Zahlen auf. Diese Zunahme und die daraus resultierende Entwicklung bedeuten fur die Hochschulen einen verstarkten Aufbau notwendiger Ressourcen zur Bereitstellung sowie Sicherung eines Qualitätiv hochwertigen Forschungsbetriebs. (Die Zahlen der quantitativen Entwicklung von Hochschulen folgen im Abschnitt 2.1.1)
Die zuvor erwahnte Erwartungshaltung der Studierenden im Zusammenspiel mit der demographischen Entwicklung und dem nicht zu vernachlassigende Wettbewerb um Finanzmittel der Hochschulen bringen eine besondere Konsequenz mit sich. Denn insgesamt entwickelt sich der ehemals stark regulierte und trage Hochschulsektor hin zu einem dynamischen Dienstleistungssektor. [12]
Fur den weiteren Verlauf dieser Arbeit ist es notwendig, die wichtigsten Begrifflichkeiten definitorisch voneinander abzugrenzen, um ein einheitliches Verstandnis fur den gesamten Forschungsprozess zu gewahrleisten. Im folgenden Abschnitt stehen die Termini Hochschule und das Hochschulmarketing im Fokus.
In der Praxis werden Hochschule und Universitat haufig synonym verwendet, doch laut des Hochschulrahmengesetzes dient die Hochschule als Hyperonym fur „die Universitaten, die Padagogischen Hochschulen, die Kunsthochschulen, die Fachhochschulen und die sonstigen Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. [13] “ In der vorliegenden Arbeit wird auf eine exakte Unterscheidung ebenfalls verzichtet und der Term Hochschule als Sammelbegriff verwendet, es sei denn, es wird explizit darauf hingewiesen. Daruber hinaus stehen laut des Hochschulrahmengesetzes [14] folgende Aufgaben im Zentrum der Hochschulen: Forderung der Wissenschaften sowie der Kunste mittels Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung (Sowohl interne als auch externe Weiterbildungsmafinahmen). Des Weiteren sollen sie unterstutzend in den Bereichen Wissens- und Technologietransfer agieren und die international Zusammenarbeit fordern.
Das vorlaufige Ergebnis des statistischen Bundesamtes im Wintersemester 2010/2011 belauft sich auf insgesamt 415 Hochschulen in Deutschland. Den Grofiteil bilden die Fachhochschulen mit einer Anzahl von 207, gefolgt von 106 Universitaten, 51 Kunsthochschulen, 29 Verwaltungsfachhochschulen, 16 theologischen Hochschulen und 6 padagogischen Hochschulen.[15] Dabei handelt es sich um einen Gesamtanstieg um rund 2% im Vergleich zum Vorjahr.
Im Folgenden werden die beiden Hauptakteure des deutschen Bildungswesens, aus Sicht der fur Studierende relevanten Themen naher betrachtet.
2.1.1.1 Universitaten
„Universitaten sind die hochste deutsche Bildungseinrichtung. Hier kann man sich nur mit der Allgemeinen Hochschulreife, also dem Abitur, bewerben und immatrikulieren.'[16]
Die Studiengange an Universitaten sind, im Vergleich zu den Fachhochschulen, noch verstarkt theorielastig und es bedarf eines hohen MaBes an Eigeninitiative der Studenten. Selbststandiges Arbeiten steht im Zentrum der traditionellen, wissenschaftlichen Hochschule. Das breite, eher generalstisch angelegte Facherangebot erlaubt oft eine flexible, nicht vordefinierte Karrierelaufbahn.
2.1.1.2 Fachhochschulen
Die 207 Fachhochschulen zeichnen sich per Definition durch einen hohen Anwendungsbezug in Forschung und Lehre aus. Als Zulassungsvoraussetzung reicht die Fachhochschulreife. Kleinere Lerngruppen und vermehrt Dozenten aus der freien Wirtschaft sind Argumente fur die Fachhochschule. [17] Eine starkere Reglementierung der Organisation ist ein weiteres Merkmal fur Fachhochschulen.
2.1.1.3 Duales Studium
Das duale Studium ist keine eigenstandige Einrichtung, es kann als Kombination von Studium und praxisorientierter Ausbildung im Unternehmen gesehen werden. Wie sich im weiteren Teil dieser Arbeit zeigen wird, verdient folgender Aspekt die Erwahnung, da er ein relevanter Faktor unter Betrachtung des Hochschulmarketings sowie der Wahl der Zielgruppe ist.
„[...] unerwartet fur die Wissenschaftler ist allerdings, dass Abiturienten mit den besten Notendurchschnitten sich nicht uberwiegend fur ein Studium an einer Universitat entschieden - sondern uberdurchschnittlich haufig fur ein duales Studium.'“[18]
Der eigentliche Begriff des Marketings fand kurz nach der Jahrhundertwende (um 1910) im amerikanischen Sprachraum Verwendung und leitet sich von dem kaufmannischen Sachverhalt „to get into the market“ ab. In Deutschland hielt der Begriff erst Mitte der funfziger Jahre Einzug in die wirtschaftlichen Theorien sowie in die Praxis und unterzieht sich seither einer stetigen Wandlung.[19]
Meffert definiert Hochschulmarketing als „die bewusste marktorientierte Fuhrung der gesamten Hochschule: also die Ausrichtung und Koordination aller Aktivitaten auf die Bedurfnisse von Zielgruppen und damit Sicherung von Vorteilen im Hochschulwettbewerb. [20] “ Fur die definitorische Abgrenzung ist besonders die Differenzierung zwischen dem hier kommuniziertem Hochschulmarketing und dem klassischen Marketing der Unternehmen in der freien Wirtschaft hervorzuheben. Die fruhe Literatur[21] sowie heute noch oft in der Praxis vertreten, weist Hochschulen dem Dienstleistungssektor zu. Vertiefende Ausfuhrungen folgen im Kapitel 2.4. Fur die vorliegende Arbeit ist die Beschreibung von Schmidt etwas praziser, denn aus seiner Sicht dient Marketing vornehmlich als operatives Instrument der Personalbeschaffung. [22] Wobei Personal in diesem Zusammenhang vordergrundig auf die Studieninteressenten abzielt.
Deutsche Hochschulen stehen, besonders in den kommenden Jahren, grofien Herausforderungen gegenuber. Deutschland war uber Jahre hinweg als ein geschlossenes System konzipiert. Jedoch liefien sich insbesondere die Diplom- oder Magisterabschlusse nicht mit dem Streben nach hoherer Mobilitat von Studierenden, Absolventen, Lehrenden und forschenden Akteuren der Wissenschaft vereinbaren. [23]
Aufgrund der erwahnten Zahlen im vorausgegangenen Abschnitt, also der erhohten Nachfrage an Studienplatzen in den...