Im folgenden Kapitel wird auf das Medium Fernsehen im Detail eingegangen. Zunächst wird das in Österreich vorherrschende duale Rundfunksystem vorgestellt, um die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen besser zu verstehen. In weiterer Folge wird das Fernsehen aus mehreren relevanten Perspektiven dargestellt, als erstes im Rahmen seiner Aufgaben und Funktionen, in weiterer Folge aber konkreter mit Bedacht auf die relevanten Faktoren der Interaktivität und Anschlusskommunikation.
Das Fernsehen als Massenkommunikationsmittel hat große politische, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung, unterliegt darin aber den Regeln und Einflüssen anderer (Teil-)Strukturen der Gesellschaft. Gerade die bestehende Rundfunkordnung einer Kultur zeigt auch aus welcher Perspektive und in Ausübung welcher Funktion das Massenmedium verstanden wird. (vgl. Roßnagel/Strothmann, 2004: S.16)
In der westlichen Welt und so gut wie allen post-industriellen Staaten hat sich die Rundfunkordnung aus dreierlei Basismodellen entwickelt:
- Das Public Service Modell, das ausschließlich durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter, deren Aufgaben detailliert festgelegt sind, geprägt wird und das durch eine zumindest teilweise Steuer- oder Gebührenfinanzierung gekennzeichnet ist.
- Das rein kommerzielle Modell, in dem nur private, wirtschaftlich orientierte Unternehmen Rundfunk veranstalten und die ihre Programme hauptsächlich durch Werbeeinnahmen oder durch direkte Leistungen ihrer Zuschauer (z. B. Abonnements beim Pay-TV, Verkauf von Merchandise, Produkten oder neuerdings Einnahmen durch Telefondienstleistungen bei Gewinnspielteilnahmen oder Abstimmungen) finanzieren.
- Das Modell des dualen Rundfunks, in dem öffentlich-rechtliche und private kommerzielle sowie nicht-kommerzielle Rundfunkanbieter in unterschiedlicher Trägerschaft nebeneinander existieren. (Roßnagel/Strothmann, 2004: S. 16)
Das duale Rundfunkmodell ist das gängigste im europäischen Raum und ist auch in Österreich gegeben, auch wenn diese Entwicklung vergleichsweise spät stattfand und zuvor ein Public Service Modell bestand hatte. Erst 2001, mit der Verabschiedung des Privatfernsehgesetzes (im Vergleich: Großbritannien 1954) war die Umwandlung abgeschlossen.
Abb. 2: Einführung dualer Rundfunkmodelle in Europa (Roßnagel/Strothmann, 2004: S.25)
1995 wurde dafür der Grundstein gelegt: Der österreichische Verfassungsgerichtshof erklärt das Verbot der Ausstrahlung für private und lokale Rundfunkanbieter für verfassungswidrig. Zwei Jahre später werden Kabel-, und Satellitenrundfunk- und Regionalradiogesetz verabschiedet, private Betreiber entstehen, auch wenn zunächst nur auf lokaler Ebene. 2001 tritt letztendlich das Privatfernsehgesetz in Kraft, welches die Zulassung für private Fernsehveranstalter regelt. Dieser letzte Schritt beendet de facto die Marktmonopolstellung des öffentlich-rechtlichen Anbieters ORF und das österreichische Public Service Modell. (vgl. Roßnagel/Strothmann, 2004: S.25)
Die Ursachen für die Verzögerung beim Systemwandel sind hauptsächlich politischer Natur. Die SPÖ war 30 Jahre lang Regierungspartei und zog, konform mit grundsätzlichen sozialdemokratischen Ansichten, staatliche Kontrolle einem freien Markt vor. Dieses Mantra übertrug sich auch auf die Fernsehlandschaft:
Die immer wieder vorgebrachte Forderung nach „Scheinliberalisierung – insbesondere des Fernsehens – durch Kommerzialisierung führt in der Praxis zu einer nachweislichen Verflachung des Programmangebots und der Herausbildung neuer privater Monopole.
Für die Sozialdemokratie ist daher die öffentlich-rechtliche Verfassung von Rundfunk und Fernsehen die bessere Organisationsform zur Sicherung der Meinungsvielfalt, umfassender Information und eines hohen Qualitätsstandard des Programms. (König, 1996: S.63)
Der ORF selbst ist, wie die meisten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, politisch gesteuert. Das ORF-Kuratorium setzte sich aus Vertretern von Parteien und von der Politik bestellten Personen (von 1970 bis 2000 also mit SPÖ-Gewichtung) zusammen und konnte so Politik auch innerhalb und mithilfe des ORF-Medienapparates betreiben. So war es wenig verwunderlich, dass alles daran gesetzt wurde die unvermeidliche Liberalisierung des Fernsehmarktes so lange wie möglich hinauszuzögern. Die Verhinderung (eigentlich: Hinauszögerung) des Markteintrittes von finanzstarken Medienkonglomeraten des großen Nachbarmarktes Deutschland war dabei das hauptsächliche Ziel. Denn im Jahre 1993 wurde auf europäischer Ebene entschieden, dass das Monopol des ORF gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt und damit gegen ein zentrales Recht der europäischen Menschenrechtskonvention. Verteidigt wurde das Monopol damit, dass der österreichische Markt zu klein sei, um eine ausreichende Stationenanzahl zu rechtfertigen und damit wiederum die Entstehung privater Monopole nicht zu verhindern wäre. Somit sei ein Rundfunkmonopol die einzige Möglichkeit des Staates, die Objektivität und Unparteilichkeit der Nachrichten, sowie Meinungsvielfalt zu garantieren. Letztlich trat die Liberalisierung des österreichischen Fernsehmarktes 2001 ein. (vgl. Gerin 1997: S. 239)
Die Konkurrenzsituation zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird in Österreich durch ein eigenes Organ geregelt und überwacht. Die Kommunikationsbehörde Austria, kurz KommAustria, ist die österreichische Regulierungsbehörde für audiovisuelle Medien. In dieser Funktion kontrolliert sie unter anderem die die Einhaltung der werberechtlichen Bestimmungen durch den ORF und die privaten Rundfunkveranstalter. (vgl. RTR GmbH)
Dies ist insofern von Belang, da neue Innovationen am Markt, wie eben Social TV-Inhalte, geregelt werden müssen. Als Beispiel hierzu dient die ORF-Second Screen App zur Ski WM. Das Konzept dieser erklärte die KommAustria als rechtlich unzulässig, da sie ein eigenständig redaktionell gestaltetes mobiles Angebot darstellt, welches laut Gesetz dem ORF nicht erlaubt ist. Ohne sich weiter in Details zu diesem spezifischen Fall zu vertiefen, zeigt dies jedoch, dass öffentlicher Rundfunk Social TV vor zusätzliche Herausforderungen stellt.
Trotz der vergleichsweise geringen Größe Österreichs ist die Auswahl an TV-Inhalten und Sendern groß. Im 4.Quartal 2013 konnten pro TV-Haushalt im Schnitt rund 100 Sender empfangen werden, wovon 74 in deutscher Sprache sind. Die große Auswahl liegt vor allem an dem hohen Grad der Digitalisierung, bereits 82 % der österreichischen TV-Bevölkerung ab 12 Jahren leben in Haushalten mit digitalem Empfang. Dank dieser hohen technischen Durchsetzung und eines großen gemeinsamen Sprachraumes (DACH), der den Empfang deutscher und schweizerischer Sender ermöglicht, verfügen die Österreicher inzwischen über eines der umfangreichsten Programmangebote in der eigenen Landessprache. Der Umstieg von analogem zu digitalem Empfang fand im Jahre 2006 statt und war von einer umfangreichen Informationskampagne begleitet. Ein Jahr darauf wurde das analoge TV-Signal zur Gänze eingestellt. HDTV-Versionen der privaten und öffentlichen Sender sind ebenfalls seit einigen Jahren verfügbar und über unterschiedliche Anbieter zu unterschiedlichen Konditionen verfügbar. (vgl. HDaustria)
Die Konkurrenzsituation zwischen den unterschiedlichen TV-Häusern untereinanderIn Sachen Werbemittelmarktanteile ist in den letzten Jahren viel Bewegung am Markt. Das öffentliche Fernsehen in Österreich hat weiterhin den größten Gesamtanteil vorzuweisen, die privaten Anbieter holen jedoch auf. In seiner Gesamtheit fallen 34 % der TV-Werbeeinnahmen auf den ORF und 66 % auf die kumulierten übrigen privaten Anbieter.
Abb. 3: Entwicklung der TV-Marktanteile in Österreich 2007/2012/2013 (Schaller, 2013: S.70)
Der Anteil an den Gesamtwerbeeinnahmen aller Mediengattungen des Landes liegt im Fall von TV bei einem Viertel (25,1 %), wobei klassische Printwerbung den größten Teil der Werbeausgaben einnimmt (52,6 %). Im internationalen Vergleich ist der Anteil des Fernsehens relativ niedrig, steigt jedoch an. (vgl. ORF-Enterprise, 2013)
Des Weiteren gibt es in Österreich auch Pay-TV Anbieter (führend hierbei wie in Deutschland Sky), welche wegen Ihrem Abonnentensystem keinen entscheidenden Anteil am „Werbekuchen“ haben. Nichtsdestotrotz stellen diese ebenfalls Konkurrenz dar und buhlen um Publikumsaufmerksamkeit. Die Kämpfe um die Verbreitung von Fernsehinhalten finden aber online statt. Sowohl der ORF als auch die privaten Anbieter betreiben Mediatheken, die entweder mit Werbung frei verfügbar sind, oder teilweise auch bezahlt werden müssen. Hierbei handelt es sich meist um eigene Produktionen, da gesendete Kaufinhalte nicht ohne weiteres in Mediatheken angeboten werden können. Dies hinterlässt natürlich eine klaffende Lücke, wenn es um...