1 Einladung zu Veränderungen
In unserer Zeit hat sich ein neuer Typ von Mann herausgebildet. Es ist ein Mann mit einem starken Bewußtsein seiner eigenen Maskulinität, der die ihn eingrenzenden stereotypen Rollenbilder durchbricht. Er ist dabei, die Bedeutung und die Freude wiederzuentdecken, die es heißt, ein Mann zu sein, ein Vater und ein Sohn. Er ist dabei, das schlafende Wesen in sich selbst zu wecken, den kreativen, genußfähigen, gefühlsmäßig eingebundenen Mann. Er ist produktiv in der Arbeitswelt und dennoch zutiefst an den Entwicklungen seiner Familie interessiert, verfügbar für seine Kinder und seine Partnerin. Er ist dabei, neue Möglichkeiten der Freundschaft mit anderen Männern zu entdecken, die die Bindungen, die er bereits zu ihnen hat, vertiefen und verstärken. Er entdeckt, wie wertvoll gleichberechtigte und dauerhafte Beziehungen zu Frauen sind. Er ist sexuell aktiv und leidenschaftlich, und dennoch fürsorglich und einfühlsam anderen gegenüber. Er ist dabei zu lernen, wie man spielt, wie man sich freuen kann, und dennoch in höchstem Maße engagiert und effizient seiner Arbeit nachgeht. Er stellt die Beziehungen zu seiner Ursprungsfamilie wieder her und zeigt ein tiefes Interesse an der Geschichte der Generationen, die vor ihm gelebt haben. Er tut sein Bestes, Kontakte mit Männern seines eigenen Alters, aber auch mit älteren und jüngeren Männern zu fördern und zu bewahren. Er ist bereit, die Entwicklung jüngerer Männer mit eigener Kraft und Zeit zu fördern und selbst den Rat und die Hilfe älterer Männer in Anspruch zu nehmen. Er ist ein Mann mit ausgeprägten Fähigkeiten, Kraft, Bindungswillen und ethischen Werten. Diese neuen Männer der neunziger Jahre treten in immer größerer Anzahl auf. Sie sind eine Herausforderung für das Klischee, daß Männer sich den Definitionen des Mann-Seins anzupassen hätten, die man ihnen als Rolle auf den Leib geschrieben hat. Sie weigern sich, sich mit den Rollen und den Erwartungen abzufinden, die von so vielen Männern in der westlichen Gesellschaft akzeptiert werden.
Unglückseligerweise beschreiben viele dieser letztgenannten Männer ihr Leben als isoliert, von Süchten regiert und als vom Mangel an Nähe sowohl zu Männern wie Frauen gezeichnet. Die Häufigkeit schwerer Depressionen unter Männern ist stark angestiegen, bei jungen wie bei alten. Männer sterben im Durchschnitt fast zehn Jahre früher als Frauen. Männer sind der Alkohol- oder der Drogensucht in einem Verhältnis von vier süchtigen Männern zu einer süchtigen Frau verfallen. Alle streßbedingten, tödlichen Krankheiten treten in signifikant höherem Maße unter Männern auf. Männer begehen viel häufiger Gewaltverbrechen als Frauen.
Doch überall in den westlichen Ländern unternehmen Männer etwas gegen diese Probleme. Sie arbeiten an Veränderungen in ihren Beziehungen zueinander und zu ihren Familien. Eine immer schneller anwachsende Zahl von Männern ist bereit, die eigene Isolation zu durchbrechen und die Nähe zu anderen Männern und Frauen zu vertiefen. Sie wollen tiefe, dauerhafte Bindungen aufbauen. Sie arbeiten hart daran, in ihrer Männlichkeit einen neuen Sinn und eine neue Quelle der Freude zu entdecken, und sie suchen neue Definitionen dafür, was es heißt, »ein Mann zu sein«. Sie besitzen eine neue innere Bereitschaft und einen neuen Wunsch nach Befriedigung in allen Bereichen ihres Lebens – bei ihrer Arbeit, in ihren Familien, in ihren Freundschaften und in ihren Liebesbeziehungen. Wir laden Sie ein, an diesen Veränderungen teilzunehmen und die Zufriedenheit mit Ihrem Leben zu steigern und zu vertiefen.
Es gibt viele Möglichkeiten, um das zu erreichen, was Sie sich wirklich von Ihren Beziehungen mit anderen Menschen und auch zu sich selbst erhoffen. Wir haben dieses Buch geschrieben, um Ihnen Hilfsmittel zur Hand zu geben, die nicht nur Ihr Verständnis dessen, was ein Mann ist, fördern, sondern Ihnen direkte Möglichkeiten zeigen, die Ihnen in allen Aspekten Ihres inneren und äußeren Lebens helfen. Wir haben die wichtigsten Bereiche im Leben des Mannes berücksichtigt, von der Arbeit, der Liebe, dem Spiel, dem Suchtverhalten bis hin zum Verhältnis zur Ursprungsfamilie. Es ist unser Anliegen, daß Sie ein grundlegendes Verständnis dafür entwickeln, was schiefgelaufen ist, und wir wollen Ihnen all das vermitteln, was Sie benötigen, um daran arbeiten zu können, für sich selbst und Ihre Beziehungen »die Dinge wieder ins richtige Maß zu bringen«.
Das Buch setzt an drei verschiedenen Punkten an. Zum ersten wird in jedem Kapitel ein grundlegender »Bereich« Ihrer Beziehung zu sich selbst und zu anderen systematisch durchleuchtet. Wir wollen Ihnen ein solides, grundlegendes und für Sie brauchbares Verständnis der Schwierigkeiten und Probleme vermitteln, die auftreten können, und auch der Gründe, wieso sie für den einzelnen Mann entstehen können. Als zweiten Punkt bieten wir sofort anwendbare Übungen und Aufforderungen für Männer an, die jeder individuell oder auch in Gruppen dazu nutzen kann, Veränderungen herbeizuführen. Als dritten Punkt nennen wir Ihnen zusätzliche Hilfsmittel, um Ihre eigene Arbeit zu erweitern und zu vertiefen und um mit anderen in Verbindung treten zu können, die sich wie Sie der eigenen positiven Entwicklung verschrieben haben. Sie können diese drei Wege einzeln oder insgesamt nutzen.
In jedem Kapitel sind spezielle Übungen für Männer aufgeführt. Diese Übungen sind manchmal allein durchzuführen, manchmal mit einer weiteren Person und manchmal am sinnvollsten in einer Gruppe. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten im Rahmen der Fragebögen, noch gibt es eine »richtige« Art und Weise, die Übungen anzuwenden, bis auf ganz wenige Fälle. Probieren Sie so viele der Übungen aus und nehmen Sie so viele der Herausforderungen an, die sie bieten, wie Sie nur können. Verwenden Sie unsere Rollenmuster und schaffen Sie sich Ihre eigenen. Einige der Übungen und der Informationen können zu sofortigen Veränderungen führen. Andere Veränderungen brauchen länger – Wochen, Monate, sogar Jahre. Einige der Dinge, zu denen wir Sie auffordern, können ein ganzes Leben lang brauchen, bis sie ihre Wirkung zeigen, denn sie setzen bei Veränderungen des grundlegenden Musters von Beziehungen an, die in Ihrer Familie und in Ihrer Kultur seit vielen Generationen entwickelt wurden.
Denken, fühlen, empfinden Sie Ihren Körper, seien Sie sich Ihrer selbst bewußt. Dies ist es, was viele Männer nicht mehr können, was sie vergessen haben. Dieses Buch bietet Ihnen Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen und Erinnerungen. Wir haben es als Handbuch verfaßt und hoffen, daß es bald Eselsohren haben wird, wenn Sie, während Ihrer Arbeit an Ihren Beziehungen zu anderen und mit sich selbst, wieder und wieder darauf zurückgreifen.
Und nun lassen Sie uns damit beginnen, darüber zu sprechen, »wie die Männer zu dem wurden, was sie sind«. Sobald Sie einen guten Überblick darüber haben, werden Sie erkennen, was Sie daran hindert, was Sie schockiert, sich in der Art und Weise weiterzuentwickeln, in der Sie es gern möchten. Eines der grundlegendsten Elemente in der Herausbildung von Beziehungsmustern bei Männern ist die Beziehung zwischen Sohn und Vater. Diese Beziehung beeinflußt alles im Leben eines Mannes, von der Art, wie er sich selbst innerlich begreift, bis zu der Art, wie er alle anderen Menschen, aber auch Macht, die Wirtschaft, Politik und sogar seine Wahrnehmung der Natur sieht.
Einige Schriftsteller und Philosophen gehen davon aus, daß das Gefühl des Verletztseins, das so viele Männer haben, ihre Distanziertheit, Desillusionierung und ihr Entfremdetsein auf viele traditionelle männliche Tugenden und Wertvorstellungen zurückzuführen sind, wie etwa Tapferkeit, Wettbewerbsgeist, Wille zum Sieg, Aggression, Stärke und zielgerichtetes oder lineares Denken. Diese Eigenschaften, die oft als »patriarchalisch« oder als »Eigenschaften des Patriarchats« gelten, werden von diesen Kultursoziologen als schädigend, destruktiv, entzweiend und hierarchisch angesehen. Dies legt nicht nur nahe, daß die traditionellen männlichen Eigenschaften an sich in Zweifel gezogen werden, sondern darüber hinaus als logische Konsequenz, daß die traditionelle Art und Weise, wie ein Vater seinen Sohn großzieht, ernsthaft in Frage zu stellen ist.
In diesem Buch verwenden wir die Begriffe männlich und maskulin, weiblich und feminin, und zwar in den folgenden Bedeutungen: Männlich und weiblich beziehen sich auf die biologische Geschlechterdifferenz, auf Männer und Frauen. Maskulin und feminin sind Eigenschaften der Geschlechter, die keine biologischen Wurzeln haben, sondern von der herrschenden Kultur definiert werden. In einer Kultur mag zu einer bestimmten Zeit üppige, grelle und aufgeputzte Kleidung als maskulin gelten; zur gleichen Zeit in einer anderen Kultur als feminin. Im Rahmen der Zielsetzung dieses Buches gebrauchen wir den Begriff maskulin als gleichbedeutend mit Stärke, Entschlossenheit, Direktheit, Virilität, Mut, Ausdauer und Willensstärke. Diese Eigenschaften sind bei Frauen ebensogut anzutreffen (wenn vielleicht auch in anderer Form als bei Männern). Das vorliegende Buch jedoch konzentriert sich auf die Männer und deren Erfahrung von Maskulinität.
Heutzutage wachsen viele Jungen ohne ein Rollenmuster der Maskulinität auf. Sie wachsen zu Männern heran ohne die Gegenwart eines Vaters, entweder buchstäblich ohne Vater – in einer Einelternfamilie mit nur der Mutter – oder ohne die Gegenwart eines selbstsicheren, gefühlsmäßig offenen Vaters. Viele Väter wissen heutzutage nicht, was sie mit ihren Söhnen anfangen sollen, und sie fühlen sich als Väter hilflos und wie erfroren. Es sind viele Faktoren,...