9.1 Aufwärmen
Die Effekte eines guten Warm-ups sind unbestritten und mittlerweile gut untersucht (Herman, Barton, Malliaras & Dylan, 2012). Aber auch über die Wissenschaft hinaus kann jeder Trainierende in jedem beliebigen Sport von den Vorzügen eines guten Aufwärmens berichten. Es bereitet den Sportler nicht nur physisch auf die nachfolgende Belastung vor, sondern auch psychisch, was sehr oft in den Hintergrund gedrängt wird. Letzteres kann auch dadurch beschrieben werden, dass der Alltag abgeschüttelt wird und die Probleme des Tages zur Seite geschoben werden.
Während des Warm-ups sollte der Sportler in der Lage sein, sich immer mehr auf das bevorstehende Training oder den bevorstehenden Wettkampf zu konzentrieren, was die Verletzungsrate deutlich senkt, denn wer unaufmerksam ist, riskiert Verletzungen, die zu Trainingspausen führen können. Der Sportler muss also mental auf die folgende Belastung eingestellt sein.
Physisch lässt sich das Warm-up in zwei Teile unterteilen: das allgemeine Aufwärmen und das spezifische Aufwärmen (siehe auch Costa, Medeiros & Fukuda (2001)). Das Warm-up sollte im Allgemeinen aus Übungen bestehen, die möglichst viele Muskeln mit einbeziehen und mindestens 10 min dauern, besser wäre aber eine längere Durchführung.
Das allgemeine Aufwärmen ist sportartunspezifisch. Es kann z.B. aus Laufen bestehen, wobei darauf zu achten ist, dass es wirklich locker beginnt und der Grad der Belastung über die Zeit gesteigert wird. Währenddessen sollte sich die Pulsrate sowie der Blutfluss erhöhen, auch die Temperatur in den Muskeln steigt genauso wie die Anzahl der Atemzüge pro Zeiteinheit. Das Laufen sollte variiert werden und Übungen wie Rückwärtslaufen, Seitwärtsshuffle und Ähnliches sollten in das Training mit eingebaut werden. Wer keine Zeit hat, sich die Laufschuhe zu schnüren oder einfach keine Laufstrecke vor der Haustür hat, kann sich auch mit stationären Übungen aufwärmen. Dazu zählen Jumping Jack und anderes. Am Ende des allgemeinen Aufwärmens sollte der Athlet schwitzen.
Das spezifische Aufwärmen bereitet den Sportler auf die folgenden Belastungen vor. Im Falle der Solodrills kann auf diesen Teil aber verzichtet werden, wenn die Folgebelastungen nicht sehr hoch sind und die Solodrills als Techniktraining genutzt werden. Dann ist ein ausgeruhter Zustand förderlich für das Lernen neuer Bewegungen. Handelt es sich aber um ein Gruppentraining oder um ein nachfolgendes Kraft- oder Konditionstraining, so sollten an dieser Stelle des Warm-ups zuerst Fitnessdrills und dann Kampfdrills trainiert werden, da sie die folgenden Bewegungen simulieren und der Körper keine Überraschungen im Training erlebt. Die Intensität der Übungen ist abhängig von der nachfolgenden Belastung, sodass alle in diesem Buch vorgestellten Übungen bei angepasster Intensität hervorragend zum Aufwärmen genutzt werden können. Je größer die Belastung im eigentlichen Training sein wird, desto größer sollte auch die Belastung im Warm-up sein, um adäquat vorbereitet zu sein. Dies gilt auch für Wettkämpfe, die im Vergleich zum Training oftmals deutlich intensiver sind.
Lunge and Twist
Der Drill beginnt im Ausfallschritt, bei dem das vordere Bein ungefähr 90° im Knie gebeugt und der Oberkörper aufrecht ist. Die Hände sind ineinander verhakt und die Arme bilden einen Kreis (Bild 1).
Der Schultergürtel wird jetzt langsam zu der Seite, bei der das Bein vorne steht, gedreht, wobei sich weder Arm- noch Beinposition verändern. Die Drehung findet in der Wirbelsäule statt und endet, wenn der Blick 90° zur Seite gerichtet ist (Bild 2). Diese Position wird einige Sekunden gehalten. Die Linie zwischen den Schultern während der Drehung und auch in der Endstellung ist parallel zum Boden.
Anschließend dreht der Sportler den Schultergürtel langsam zur anderen Seite, Arm- und Beinposition ändern sich auch dabei nicht. Die Drehung findet in der Wirbelsäule statt und endet, wenn der Blick 90° zur Seite gerichtet ist (Bild 3). Diese Position wird einige Sekunden gehalten. Die Linie zwischen den Schultern während der Drehung und auch in der Endstellung ist parallel zum Boden.
Hauptsächlich trainierte Koordinationsfähigkeiten
Durch den weiten Ausfallschritt und die langsamen Drehungen mit der jeweiligen Gewichtsverlagerung wird die Gleichgewichtsfähigkeit trainiert.
Lunge and Wring
Dieser Drill wird in einem langen Ausfallschritt gestartet. Der vordere Kniewinkel beträgt etwa 90° und der Oberkörper ist aufrecht. Das hintere Knie berührt nicht den Boden. Beide Arme sind 90° angewinkelt, wobei der Arm, auf dessen Seite das Bein vorne steht, auf dem Rücken ist, der andere Arm ist vor dem Körper (Bild 1).
Der Oberkörper wird nun langsam zur Seite des vorderen Beins rotiert, dabei ist der Schultergürtel zu Beginn noch parallel zum Boden und die Drehung findet nur in der Wirbelsäule statt. Die Fußposition ist unverändert (Bild 2).
Bei der Fortführung der Körperdrehung beugt der Sportler den Körper weit nach vorne und versucht, die Schulter nah ans Knie zu bringen (Bild 3).
Der vordere Ellbogen ist dabei am Oberschenkel des vorderen Beins vorbeigeschoben worden und befindet sich an der Außenseite des Oberschenkels. Der Kopf ist mit zur Seite gedreht worden (Bild 4). Diese Endposition wird einige Sekunden gehalten.
Hauptsächlich trainierte Koordinationsfähigkeiten
Durch den weiten Ausfallschritt und die Drehung und das Vorbeugen des Oberkörpers mit dazugehöriger Gewichtsverlagerung wird die Gleichgewichtsfähigkeit trainiert.
Spider Lunge
Der Sportler nimmt einen weiten Ausfallschritt ein, bei dem das hintere Bein möglichst gestreckt ist. Die Oberkörper wird nach vorne gebeugt und die Hände werden so auf dem Boden abgestellt, dass sie mit dem vorderen Fuß eine Linie bilden (Bild 1). Der Rücken ist dabei gerade.
Ohne die Fußpositionen zu verändern, wird nun der Oberkörper so gedreht, dass die Brust vom vorderen Bein wegzeigt. Der äußere Arm wird dabei im gestreckten Zustand angehoben, bis er senkrecht nach oben zeigt. Der Blick folgt dabei der Hand. Die Fußpositionen sowie die Position der fußnahen Hand verändern sich nicht (Bild 2). Die Bewegung in diese Position sollte langsam vollzogen und die Endstellung einige Sekunden gehalten werden.
Zum Wechsel der Seite wird der Oberkörper zurückgedreht und die freie Hand wieder auf einer Linie mit Fuß und Hand aufgestellt. Der Oberkörper dreht dann weiter und die fußnahe Hand wird bis zu einer senkrechten Position des Arms nach oben geführt. Der Blick ist wieder auf die obere Hand gerichtet, die Positionen der Füße und der abstützenden Hand ändern sich nicht (Bild 3). Die Bewegung in diese Position sollte langsam vollzogen und die Endstellung einige Sekunden gehalten werden.
Hauptsächlich trainierte Koordinationsfähigkeiten
Bei beiden Endpositionen wird die Gleichgewichtsfähigkeit gefordert, wobei die in Bild 2 gezeigte Position anspruchsvoller ist, als die in Bild 3 gezeigte.
Balance
Aus dem normalen Stand wird das Gewicht auf ein Bein verlagert. Das andere Bein und der Oberkörper bleiben gestreckt, während der Sportler in der Hüfte nach vorne gebeugt wird. In der Endposition sollten Bein und Oberkörper eine Linie bilden. Die Arme können gestreckt zur Seite gehalten werden (Bild 1) oder, um die Schwierigkeit zu erhöhen, gestreckt nach vorne.
Hauptsächlich trainierte Koordinationsfähigkeiten
Dieser Drill trainiert hervorragend die Gleichgewichtsfähigkeit, da der Körperschwerpunkt deutlich verlagert und diese Position gehalten wird.
Push up Walk
Aus dem normalen, aufrechten Stand beugt sich der Sportler in der Hüfte nach vorne und setzt die Handflächen mit gestreckten Armen auf dem Boden auf. Dabei sollten die Beine so gestreckt wie möglich sein, was stark abhängig von der Dehnfähigkeit der ischiokruralen Muskulatur ist (Bild 1).
Anschließend läuft der Sportler auf den Händen nach vorne, ohne dass die Füße sich von der Stelle bewegen. Eine Verlagerung auf die Fußballen ist aber unvermeidbar und gewollt (Bild 2).
In der Endposition sind die Arme und Beine gestreckt und die Hände mindestens in Liegestützposition unterhalb der Schultern. Steigt die Kraftleistung durch das Training an, sollten die Hände deutlich vor dem Kopf auf dem Boden aufgesetzt werden (Bild 3). Um den Rücken nicht zu schädigen, ist eine kontinuierliche, bewusste Anspannung des Bauchbereichs anzuraten.
Die Hände bleiben jetzt dort stehen, wo sie sind, während der Übende mit den Beinen langsam und in kleinen Schritten nach vorne läuft (Bild 4).
In der Endposition sind Arme und Beine wieder jeweils nebeneinander und möglichst gestreckt (Bild 5). Von hier aus kann die Bewegung erneut gestartet oder...