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Sonnenstaat: Idee eines philosophischen Gemeinwesens

Ein poetischer Dialog

AutorTommaso Campanella
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl54 Seiten
ISBN9788026857341
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Sonnenstaat ist ein Werk, das den wirtschaftlichen und politischen Aufbau eines idealen Staates darstellt. Die Darstellung erfolgt in Form eines poetischen Dialoges zwischen einem genuesischen Schiffskommandanten und dem Großmeister der Hospitaliter. Der Genuese ist beim Großmeister zu Gast und erzählt von seiner letzten Reise und dem Aufenthalt im Sonnenstaat. Sein Gastgeber treibt das Gespräch mit Fragen zu Alltag, Politik und Lebensweise der 'Solarier' voran. Campanello führt im Sonnenstaat alle sozialen Übel auf das Privateigentum zurück. Dieses will er mit seiner kollektivistischen Gesellschaftsordnung, die sämtliche Lebensbereiche umfasst, beseitigen. Genau ermittelte Bedarfspläne bestimmen demnach die Produktion. Die Institution der Familie, die das materielle Denken fördert und deshalb das Privateigentum stützt, soll aufgelöst werden. An ihrer Stelle soll ein Frauen- und Kinderkommunismus verwirklicht werden, der eugenischen Zielen dient. Im 'Sonnenstaat' bedeutet die Gattung alles, das Individuum nichts. Tommaso Campanella (1568-1639) war ein italienischer Philosoph, Dominikaner, neulateinischer Dichter und Politiker.

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Leseprobe

Ein poetischer Dialog

(La Città del Sole. Dialogo di Repubblica nel quale si dimostra l'idea di riforma della Repubblica cristiana conforme alla promessa da Dio fatta alle Sante Caterina et Brigida)

Personen des Gesprächs:

Der Großmeister der Hospitaliter.
Ein genuesischer Schiffskommandant, sein Gast.

DER GROSSMEISTER. Wohlan, ich bitte dich, erzähle mir, was dir während deiner letzten Seefahrt Alles widerfahren ist?

DER GENUESE. Ich habe dir schon auseinandergesetzt, in welcher Weise ich meine Weltumsegelung ausgeführt habe und endlich nach Taprobana gekommen und gezwungen worden bin zu landen, dann, aus Furcht vor den Einwohnern mich in einem Walde verborgen habe, den ich nach einiger Zeit wieder verließ, um mich in einer großen Ebene direkt unter dem Aequator zu befinden.

DER GROSSMEISTER. Und was ist dir da widerfahren?

DER GENUESE. Ich gerieth in einen Haufen bewaffneter Männer und Weiber, deren Viele unsere Sprache kannten. Sie führten mich geraden Wegs nach der Sonnenstadt.

DER GROSSMEISTER. Laß hören, wie dieses Staatswesen konstruirt ist und wie es regiert wird.

DER GENUESE. In einer weitgestreckten Ebene erhebt sich ein mächtiger Hügel, auf dem der größte Theil der Stadt staffelförmig angelegt ist. Die vielfachen Umkreise der Stadt erstrecken sich eine lange Strecke über den Fuß des Berges hinaus, so daß der Durchmesser der Stadt zwei, ihr Umfang aber über sieben Meilen beträgt. In Folge ihrer hügeligen Lage nimmt sie mehr Raum ein, als wenn sie in der Ebene läge.

Sie ist in sieben große Kreise eingetheilt, die nach den sieben Planeten benannt sind. Aus einem in den andern gelangt man auf vier Wegen und durch vier Thore, die nach den vier Weltgegenden gerichtet sind. Diese Stadt ist so gebaut, daß, wenn Jemand den ersten Kreis erobert hätte, er die doppelte Anstrengung daranwenden müßte, um den zweiten zu erobern, und noch größere, um den dritten in die Hand zu bekommen, und so hätte er immerfort gesteigerte Bemühungen und Anstrengungen aufzubieten, so daß die Stadt siebenmal von ihm erobert werden müßte. Ich bin aber der Ansicht, daß nicht einmal der erste Kreis eingenommen werden könnte, mit so breiten Erdwällen ist er eingefaßt und mit Bollwerken aller Art befestigt und bewehrt, wie Thürmen, Gräben, Bombarden.

Als ich nun durch das nördliche Thor eingetreten war, das mit Eisen überzogen und so gearbeitet ist, daß es in die Höhe gezogen und herabgelassen werden kann, und sich mit Leichtigkeit und völliger Sicherheit schließen läßt, indem seine Angeln sich höchst kunstvoll in den Rinnen starker Balken bewegen, erblickte ich einen ebenen Zwischenraum von siebzig Schritt, der die erste Mauer von der zweiten trennt. Dann sieht man großartige Paläste, die alle an die Mauern des zweiten Kreises angebaut sind, so daß man sie sämmtlich für einen einzigen Gebäudekomplex halten könnte. In halber Höhe der Paläste sieht man den ganzen Kreis entlang fortgeführte Schwibbogen mit Spazierdächern auf denselben, von schönen, unten breit auslaufenden Säulen getragen, die wie Peristyle oder Klosterräume eine Säulenhalle umsäumen.

Unten sind nur Eingänge in den konkaven Partien der Mauern; in die unten belegenen Zimmer gelangt man ebenerdig und in die oberen Stockwerke auf Marmortreppen, die zu Spazierdächern im Innern führen, von denen man wieder in die oberen prächtigen Stockwerke gelangt. Diese empfangen Licht durch zierlich gestaltete Fenster, die sich im konkaven und im konvexen Theile der Wände befinden.

Die konvexe, d.i. die sich ausbauchende oder vorspringende Mauer, hat eine Dicke von 8 Spannen, die konkave auf der Innenseite von nur drei Spannen, die Zwischenmauer nur von einer Spanne oder vielleicht noch einer halben.

Wenn man über die erste Ebene hinüber ist, gelangt man auf die zweite, die etwa um drei Schritte schmäler ist. Von hier aus erblickt man die erste Mauer des zweiten Kreises, mit ähnlichen Wandelgängen oben und unten geschmückt, und mehr nach rückwärts ist eine zweite Mauer, welche die dort befindlichen Paläste umfängt, und unten befinden sich von Säulen getragene Erker und Peristyle, oben aber, wo die Ausgänge der höher gelegenen Häuser sind, sind ausgezeichnete Gemälde angebracht.

So geht man durch ähnliche Kreisrundgänge und doppelte Mauern, die Paläste zwischen sich einschließen und mit Wandeldächern nach außen geschmückt sind, die von Säulen gestützt werden, und gelangt zum obersten Rundgang, immerfort auf gerader Fläche. Nur wenn man durch die Thore der einwärts und der auswärts gebogenen Mauer schreitet, steigt man über Stufen, was man aber kaum gewahr wird, da sie sehr schräg angehen und die Steigung der einzelnen Stufen kaum merkbar ist.

Am Gipfel des Berges aber ist eine geräumige Ebene, in deren Mitte ein Tempel errichtet ist, der sich als ein wunderbarer Kunstbau erhebt.

DER GROSSMEISTER. Fahre fort, fahre fort, ich beschwöre dich.

DER GENUESE. Der Tempel ist von vollkommen runder Gestalt und nicht von Mauern umgeben, sondern schwebt auf starken, zierlich gearbeiteten Säulen. Die größere Kuppel in der Mitte des Daches, gleichsam der Pol des Tempels, ist von einer kleineren überhöht, die im Mittelpunkt ein Guckloch hat, durch welches man direkt auf den Altar herabsieht, der sich in der Mitte des Tempels befindet, dessen Peripherie dreihundertfünfzig Schritt übersteigt. Auf der Außenseite der Säulenkapitäle und auf diese gestützt, erheben sich etwa acht Schritt vorragende Schwibbogen, die von unten auf einer dicken, drei Schritt hohen Mauer basiren, so daß die Säulen des Tempels und jene, welche den äußeren Schwibbogen tragen, mit ihren Zwischenräumen eine niedere Galerie bilden, die ein prächtiges Pflaster hat. Die Innenseite der niedrigen Mauer ist von zahlreichen Thüren unterbrochen, und hier und da erblickt man unbewegliche Sitze, wenn gleich auch zahlreiche zierliche, tragbare Stühle zwischen den inneren Säulen des Tempels selbst vorhanden sind.

Ueber dem Altar sind nur zwei Globen zu sehen, weiter nichts; auf dem größeren derselben ist der gesammte Himmel abgebildet, auf dem zweiten die ganze Erde. In der größeren Kuppel sind die Sterne von der ersten bis zur sechsten Größe abgebildet und mit ihren speziellen Namen verzeichnet, auch ist ihr Einfluß auf die irdischen Dinge je in drei Versen geschildert. Darauf sind auch die Pole und die größeren und kleineren Himmelskreise in perspektivischer Zeichnung, doch nicht fertig ausgeführt, da die Mauer nach untenzu abbricht, der Globus also, wie die Kuppel, nur eine Halbkugel ist. Man kann sich durch Betrachtung dieser Globen wissenschaftlich belehren. Der Estrich schimmert von kostbaren Steinen. Sieben goldene Lampen hängen von der Decke herab und brennen beständig. Sie führen die Namen der sieben Planeten.

Die kleinere Kuppel des Daches umgeben zierliche kleine Zellen und hinter jener Terrasse oder Plattform über den Schwibbogen der inneren und äußeren Säulen befinden sich viele große und schmucke Zellen, worin die Priester und Mönche wohnen, neunundvierzig an der Zahl.

Ueber der kleinen Kuppel ragt eine nach allen Seiten bewegliche Fahne empor, welche die Winde anzeigt, deren man bis zu sechsunddreißig unterscheidet. Sie kennen die einzelnen Winde, die im Jahre herrschen und was für Wetterwechsel zu Lande und zur See stattfinden, aber nur in ihrem Himmelsstriche. Unter der Fahne wird ein Buch aufbewahrt, worin diese meteorologischen Angaben mit goldenen Buchstaben verzeichnet sind.

DER GROSSMEISTER. Ich bitte dich, edler Held, setze mir die Verfassung und Regierung dieses Volkes auseinander. Ich habe mit Ungeduld gewartet, bis du zu diesem Punkte kommen würdest.

DER GENUESE. Der oberste Fürst bei ihnen ist ein Priester, den sie in ihrer Sprache Sol (Sonne) nennen; wir würden ihn in unserer Sprache Metaphysikus nennen, Er ist der höchste Machthaber in geistlichen und weltlichen Dingen; alle Angelegenheiten und Streitigkeiten werden durch sein Urtheil entschieden.

Ihm stehen drei andere Häupter gleichberechtigt zur Seite: Pon, Sin und Mor, in unserer Sprache, Macht, Weisheit und Liebe.

Dem »Macht« liegen die Interessen des Krieges und Friedens ob, so alle militärischen Angelegenheiten; darin ist er unbedingter Herr, doch nicht über dem Sol. Er hat die Oberaussicht über die militärischen Behörden, über das Heer, über die Kriegsvorräthe, die Befestigungen, die Belagerungen, die Kriegsmaschinen und über alle dahin einschlägigen Dinge.

Dem »Weisheit« unterstehen die freien und die mechanischen Künste und die Wissenschaften, die betreffenden Behörden und die Unterrichtsanstalten. Es gibt einen Beamten, der Astrolog heißt, desgleichen einen Kosmographen, einen Geometer, einen Historiographen, einen Dichter, Logiker, Rhetor, Grammatiker, Arzt, Physiker, Politiker, Moralisten.

Sie haben nur ein einziges Buch, das sie »Weisheit« nennen, ein Compendium aller Wissenschaften, die mit wunderbarer Leichtigkeit zusammengefaßt sind. Dieses lesen sie dem Volke nach der Weise der Pythagoräer vor.

»Weisheit« hat die Mauern der ganzen Stadt von außen und von innen, sowohl oben wie unten mit ausgezeichneten Gemälden schmücken lassen, welche in herrlicher Anordnung die Wissenschaften darstellen. Auf den äußern Wänden des Tempels und auf den Vorhängen, die herabgelassen werden, wenn der Priester predigt, damit der Schall seiner Stimme nicht zerstreut wird, sind die gemalten Sterne zu erblicken, und in drei Verschen sind ihre Größe, ihr Lauf, ihre Bahnen und ihre geheimen Kräfte geschildert.

Auf der Innenseite der Mauer des...

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