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E-Book

Soziologie für Dummies

AutorRudolf Richter
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783527810826
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Dieses Buch bietet einen Einblick in die Soziologie, ihre Theorien und Methoden. Rudolf Richter erklärt, wie die Soziologie Individuen und ihre Beziehungen zueinander betrachtet, und zeigt auf, wie diese Wechselwirkungen zu Gewohnheiten und Regeln, zu Systemen und Institutionen werden. Lernen Sie, was eine Gesellschaft ausmacht. Erfahren Sie, welche empirische Methoden und statistischen Auswertungen Soziologen nutzen, um soziale Strukturen sichtbar zu machen und zu erklären. Lassen Sie sich erklären, wie sich der quantitative Ansatz vom qualitativen unterscheidet. Tauchen Sie ein in die spannende Welt der Soziologie!

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Leseprobe

Kapitel 1

Grundlagen der Soziologie

In diesem Kapitel

Der Gesellschaftsbegriff

Der Gegenstand der Soziologie

Zugänge zur Soziologie

Gleich zu Beginn: Das Thema der Soziologie sind die Beziehungen zwischen den Menschen. Was spielt sich in Gruppen ab, in der Familie, in Unternehmen, in Versammlungen, auf öffentlichen Plätzen – das sind die Fragen der Soziologie. Die einfachste Antwort ist: Da spielt sich Gesellschaft ab. Aber was ist das schon: die Gesellschaft? In diesem Kapitel erfahren Sie, was Gesellschaft eigentlich ist und wie sich das Denken über Gesellschaft entwickelt hat.

Ich bin umzingelt – Gesellschaft überall

Sie kennen die Geschichte von einem Betrunkenen, der vor einer Mülltonne auf die Knie geht, die Mülltonne umarmt und ausruft: »Hilfe, ich bin umzingelt«? Das mag so ungefähr die Erfahrung sein, die wir von der Gesellschaft haben. Wir fühlen uns allein, wir handeln individuell, aber doch sehen wir uns eingezwängt in ein Korsett von Gesellschaft. Zum Glück. Der Mensch ist ohne den Umgang mit anderen Menschen nicht lebensfähig.

Wir kennen Beispiele von Kindern, die mit Wölfen aufgewachsen sind, sich über zehn Jahre wie durch ein Wunder dem Wolfsrudel anpassen konnten und denen die Wölfe nichts getan haben. Zurückgekehrt in die Gesellschaft war es unmöglich, sie zu domestizieren. Sie verhielten sich wie Wölfe und waren in einer menschlichen Gesellschaft nicht überlebensfähig. Auch Menschen, die als Kinder ausgesetzt wurden und nie die Sprache erlernten, besser gesagt, nie sprechen lernten, konnten nicht in die Gesellschaft eingegliedert werden.

Es ist ein Glück, wenn wir in Gesellschaft mit anderen Menschen aufwachsen. Wir brauchen diese Beziehungen zu anderen.

Zum Glück ist uns diese Eingliederung auch meist nicht bewusst. Sie können sich nicht in jeder Minute, in jeder Stunde bewusst machen, was Sie jetzt so alles sozial regelrecht getan haben, weil Sie in einem bestimmten sozialen Milieu, in einer bestimmten Region aufgewachsen sind, bestimmte andere Menschen kennen.

Gesellschaftliches Handeln ist Routine, und das ist gut so.

Genau damit beschäftigt sich die Soziologie: mit der Allgegenwärtigkeit von Gesellschaft. Was aber ist die Gesellschaft? Hat die frühere englische Premierministerin Margaret Thatcher recht, wenn sie sagte: »Es gibt keine Gesellschaft, es gibt nur Individuen«? Natürlich hat sie aus Sicht der Soziologie nicht recht, aber es trifft nicht ganz daneben. Irgendwer muss Träger der Gesellschaft sein, und von irgendwoher muss Gesellschaft kommen. Das ist das Individuum. Das hat schon John Stuart Mill, ein englischer Philosoph und Ökonom, im 19. Jahrhundert behauptet: Das Individuum ist die Grundlage von Gesellschaft. Aber es gibt eben neben dem Individuum auch Gesellschaft. Der einzelne Mensch ist immer von gesellschaftlichen Inhalten bestimmt und erzeugt diese gesellschaftlichen Inhalte mit. Es gibt kein Huhn ohne Ei und kein Ei ohne Huhn. So gehören auch Individuum und Gesellschaft zusammen.

Das Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft wird in der Soziologie unterschiedlich thematisiert. Das werden Sie vor allem in Teil II über soziologische Perspektiven kennenlernen. Es gibt Ansätze, die

das Individuum und die Person in den Mittelpunkt stellen und davon ausgehend Gesellschaft analysieren,

die Gesellschaft in den Mittelpunkt stellen und davon ausgehend das Verhalten der Menschen analysieren,

soziale Systeme in ihrer Eigengesetzlichkeit beschreiben, bei denen das Individuum kaum vorkommt oder höchstens ein Störfaktor ist.

Menschen existieren seit Jahrtausenden und haben miteinander gelebt. In dieser Zeit haben sich Formen und Strukturen des Zusammenlebens entwickelt – immer wieder verschiedene –, aber immer wieder welche. Dass es Formen des Zusammenlebens gibt, hat überlebt, und es haben sich ganz bestimmte Formen erhalten: der Glaube an das Übernatürliche, Fragen nach Gerechtigkeit und gerechter Verteilung, Fragen des Austauschs und Teilens von Gütern. Das sind grundlegende Formen, die wir heute als Religion, Wirtschaft, Recht kennen und als selbstverständlich ansehen. Es scheint uns ganz klar, dass diese existieren, wir sehen sie als äußerliche Dinge, an denen wir mehr oder weniger teilhaben, und vergessen, dass sie von Menschen erzeugt und entwickelt wurden und werden.

Es ist deshalb eine müßige Frage, ob wir von Gesellschaft bestimmt sind oder nicht, beides gilt: Sie persönlich gestalten Gesellschaft – ob Sie es wollen oder nicht – und die Gesellschaft gestaltet Sie – ob Sie es wollen oder nicht.

Die Soziologie hat Gesellschaft zum Thema, aber Sie werden gleich merken, dass dieses Thema unterschiedlich beleuchtet werden kann.

Zugänge zur Soziologie

Wenn Sie Soziologie verstehen wollen, müssen Sie akzeptieren, dass es so etwas wie Gesellschaft gibt. Ob diese nun außerhalb des Einzelnen existiert, gleichsam als Phänomen, das man begreifen, beobachten, erfassen kann wie einen materiellen Gegenstand, oder ob dies nur durch die Perspektive des Einzelnen oder des Individuums geschieht, mag momentan dahingestellt bleiben. Es gibt beide Zugänge, die eines gemeinsam haben: Es gibt Gesellschaft, es gibt das Soziale.

Mit dem Verständnis der Gesellschaft als eigenem Untersuchungsbereich hat sich Soziologie entwickelt.

Wie so vieles in der Wissenschaft, können wir auch das Denken über Gesellschaft auf die ­Antike zurückführen. Sicherlich haben schon Platon und Aristoteles über den Staat und die Gesellschaft reflektiert. Thomas von Aquin hat im Mittelalter ein Gesellschaftsbild, geprägt vom Christentum, gehabt und entworfen, viele Denker haben sich mit dem Zusammenleben der Menschen beschäftigt und damit soziologische Gedanken verfolgt.

Der Name »Soziologie« wird allerdings erst im 19. Jahrhundert geprägt. Erst dann entsteht die Wissenschaft von der Gesellschaft, die Soziologie.

Die eigentliche Soziologie beginnt erst dann, wenn wir das Phänomen Gesellschaft als

eigenen Gegenstandsbereich begreifen, der mit

wissenschaftlichen Methoden

beschrieben,

erklärt,

gemessen und

verstanden werden kann.

Wie entstand Gesellschaft?

Wie entstand Gesellschaft? Warum gibt es sie? Das sind Spekulationen, mit denen sich Vorläufer des soziologischen Denkens, die Sozialphilosophen, beschäftigt haben. Im Prinzip treffen sie zwei Annahmen:

Gesellschaft entstand aus einem Kampf aller gegen alle.

Gesellschaft entstand aus einem friedlichen Urzustand.

Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau sind als Vorläufer der Soziologie die beiden Antipoden dieser Auffassungen.

Der Gesellschaftsvertrag schafft Ordnung

Menschen haben in einem dauernden Kampf aller gegen alle gelebt, jeder will seine eigenen Interessen durchsetzen, sieht aber mit der Zeit, dass durch Gewalt aller gegen alle jeder Einzelne nur verlieren kann. Es braucht eine Ordnungsinstanz.

Dies hat Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert in seinem Buch »Leviathan« so gesehen. Von ihm stammt der berühmte Ausspruch: »Der Mensch ist des Menschen Wolf.« Und ein weiterer dramatischer Ausspruch von ihm wird berichtet: »Meine Mutter hat Zwillinge geboren, mich und die Furcht zugleich.«

Um Unsicherheit, Angst und Chaos zu vermeiden, schließen die Menschen einen Vertrag mit dem Leviathan, einem Symbol aus der christlich-jüdischen Mythologie für Allmacht. Es ist der Staat, der alle Macht hat, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Gesellschaft, so die Vorstellung, entsteht aus einem freiwilligen und vernünftigen Abschließen eines Vertrags.

Thomas Hobbes formuliert damit das für Sozialwissenschaften grundlegende Problem: das Problem der sozialen Ordnung.

Eigentum schafft Ungleichheit

Anders die Vorstellung von Jean-Jacques Rousseau. Der große Philosoph und Pädagoge des 18. Jahrhunderts geht von einem friedlichen Zusammenleben der Menschen aus. Gesellschaft schafft nicht Ordnung, sondern bringt Spannung und Konflikt in das menschliche Zusammenleben. Gesellschaft bringt den Menschen Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Schuld daran ist vor allem das Eigentum. Sobald ein Einzelner sagt: »Dies ist mein Land, mein Jagdrevier, mein Haus, mein Feld, meine Nutztiere«, sobald ein Einzelner sein Grundstück umzäunt, seinen Wohnort abgrenzt und – das ist entscheidend – andere diese Abgrenzung akzeptieren und in der Folge ihr eigenes Grundstück abgrenzen, entsteht Ungleichheit, aber damit auch Gesellschaft.

Für Jean-Jacques Rousseau bringt Gesellschaft Ungerechtigkeit und Ungleichheit ins menschliche Zusammenleben. Grund dafür ist die Entstehung des Eigentums.

Es sind zwei ganz unterschiedliche Vorstellungen, die trotzdem eines gemeinsam haben. Während die eine von einem chaotischen Urzustand und die andere von einem harmonischen Urzustand ausgeht, sehen beide, dass Gesellschaft von Menschen gestaltet ist und Gesellschaft aber auch Unterordnung, Ungleichheit und Machtverhältnisse erzeugt.

Macht und Ungleichheit bleiben deswegen auch die zentralen Themen der Soziologie.

Endlich: Soziologie als Wissenschaft

Im 19. Jahrhundert erhält das Denken über Gesellschaft eine moderne wissenschaftliche Basis. Dazu müssen Sie sich folgende Namen merken:

Auguste Comte

Émile Durkheim

Karl...

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