1 Was wird in diesem Lehrbuch geboten?
1.1 Einführung
In dieser Einführung wird in knapp bemessener Form auf allgemeine Rahmenbedingungen gesellschaftlicher Entwicklungen eingegangen, um auf dieser Grundlage sowohl wirtschafts- als auch sportspezifische Handlungen verständlich machen zu können. Die ausgewählten Themen und Ansätze beziehen sich vorrangig auf nationale Strukturen und Prozesse, da es verschiedene Besonderheiten herauszuarbeiten bzw. zu berücksichtigen gilt. Diese „Besonderheiten“ beziehen sich u. a. auf die praktische Unterscheidung in als gemeinnützig anerkannte Sportvereine einerseits und erwerbswirtschaftliche Sportanbieter andererseits sowie auf die theoretische Einbettung sportökonomisch relevanter Fragestellungen in eher sport- oder eher wirtschaftswissenschaftliche Disziplinen. Schließlich muss hervorgehoben werden, dass sich die folgenden Grundzüge durch einen eindeutigen Bezug auf empirische Ergebnisse ausweisen, die entsprechend auf die nationalen Besonderheiten eingehen.
Denn obwohl die Menschen in modernen Gesellschaften ihre sportspezifischen Interessen zu Massenbewegungen geführt haben1, hat sich ein sportökonomischer Forschungszweig erst spät ausdifferenziert. Dabei wohnte Sportaktionen von Beginn an ökonomisches Handeln inne. Zwar gab es immer wieder Einzeluntersuchungen, die die „Ökonomie“ sportspezifischer Aktivitäten zum Gegenstand hatten, doch fanden diese kaum Widerhall in den Wissenschaften. Weder in den den „Oikos“ bzw. die darauf beruhende „Oikonomia“ untersuchenden Wirtschaftswissenschaften noch in den sich aus der Theorie der Leibeserziehung herausbildenden Sportwissenschaften lag an diesen Fragestellungen ein besonderes Interesse vor. Erst am Ende des 20. Jahrhunderts, das in seiner Gesamtheit eine ungeahnte Erfolgsgeschichte nationaler und globaler Sportentwicklungen darstellt, wurde in Deutschland eine „Einführung in die Ökonomie des Sports“ veröffentlicht (Heinemann, 1995). Gerade Heinemann hat sich durch die frühe Herausgabe verschiedener Sammelbände (1984; 1987) sowie durch weitere Veröffentlichungen um die Herausbildung einer sportökonomischen Wissenschaftsdisziplin verdient gemacht. Immerhin konnte in Bayreuth bereits 1985 ein universitärer Studiengang erfolgreich eingerichtet werden. Der erste vollständig in der Sportwissenschaft etablierte Lehrstuhl für Sportökonomie wurde 1995 an der Deutschen Sporthochschule Köln eingerichtet.
Diese knappe Skizze mag zunächst ausreichen, um zu bestätigen, warum unser sportökonomisches Wissen noch immer eher als bescheiden dargestellt wird, denn die Ressourcen, sich dieser Thematik zu widmen, sind gering. Als ein weiterer Schritt, diese Rahmenbedingungen zu verbessern, kann die Einrichtung eines Arbeitskreises Sportökonomie angesehen werden. Dieser 1997 gegründete Verein „verfolgt ... das Ziel, die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern sowie Wissenschaftlern und Praktikern ... zu fördern und den Nutzen entsprechender Forschung und akademischer Ausbildung gegenüber Wissenschaft, Praxis, Politik und Öffentlichkeit zu demonstrieren“ (Satzung, 2000; vgl. auch Büch, 2000).
Da diese drei Entwicklungen – wissenschaftliche Untersuchungen – Einrichtung akademischer Lehre – Zusammenschluss einer Interessenvertretung – in gewisser Weise auch Phasen charakterisieren und letztlich erst seit Mitte der 80er Jahre in Deutschland Platz gegriffen haben, kann mit Fug und Recht von einer jungen Disziplin gesprochen werden, wenn man sich der Sportökonomie zuwenden will.
1.2 Was forschen die Wissenschaften?
Die Wirtschaftswissenschaften lassen sich im weiteren Sinne als Kulturwissenschaften begreifen (vgl. u. a. Groß, 1999), da sie die Erzeugung, die Verteilung sowie den Verbrauch von Gütern erklären und darstellen, die der menschlichen Bedürfnisbefriedigung dienen. Der Komplexität der Aufgaben, Herangehensweisen sowie Differenzierungsnotwendigkeiten wegen wird zwischen Betriebswirtschaftslehre sowie Volkswirtschaftslehre einschließlich der Finanzwissenschaft unterschieden. Auch die Sportwissenschaften fassen kulturwissenschaftliche Phänomene zusammen, die den Menschen in seinen körper- sowie darauf bezogenen leistungs- und organisationsbezogenen Einheiten untersuchen.
Will man nun unter sportwissenschaftlichen Ansätzen eine wirtschaftswissenschaftliche Diskussion ausfindig machen, so identifizierte Heinemann eine gewisse „Ökonomieferne“, die noch immer vor dem Hintergrund derzeitiger sportwissenschaftlicher Forschungsschwerpunkte gilt. Wenn im Folgenden nun eine sportwirtschaftswissenschaftliche Darstellung versucht wird, dann keinesfalls, um das Thema oder eine Disziplin einem „ökonomischen Imperialismus“ auszuliefern; dagegen soll die ökonomische Analyse menschliche Verhaltensweisen, deren Entscheidungen und ihre Wirkungen im Sport und darüber hinaus erklären helfen, während die Bewertungen den individuellen und kollektiven Sportakteuren überlassen bleiben. Diese Bemerkung scheint an dieser Stelle deshalb angebracht, da immer mehr Anwendungen wirtschaftstheoretischer Analysetechniken in „nichtökonomischen“ Gebieten auftreten (vgl. Becker & Becker, 1998).2 Aus diesen Gründen heraus wird in dieser Einführung kein Gegensatz zwischen Sport- oder Wirtschaftswissenschaft konstruiert, sondern es werden interdisziplinäre sport- und wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen gefordert, die erst in der Lage sind, Nutzen- und Gewinnorientierungen bzw. -maximierungen aller „Sportaktivitäten“ umfassend zu erklären!
Vor diesen Hintergründen sind mithin sport- und wirtschaftswissenschaftliche Analysen und Erkenntnisse bedeutsam, um in eine ökonomische Analyse des Sports einzuführen. Auf Sportaktivitäten bezogen, ist das Handeln und Entscheiden über knappe Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse zu untersuchen. Dabei ist ein Vergleich zwischen Kosten und Nutzen bzw. Aufwand und Ertrag („Wirtschaftlichkeitsprinzip“) bedeutsam. Das Spannungsverhältnis zwischen (unbegrenztem) Bedarf und (begrenzter) Bedarfsdeckung führt letztlich auch zur Entscheidung zwischen nicht gleichzeitig wählbaren Alternativen („Opportunitätskosten“).
Wenn jede Wissenschaft eine Art der „Ordnungstheorie“ darstellt, dann kann auch Sportökonomie in diesem Sinne verstanden und eingesetzt werden. So können Sport- und Wirtschaftssysteme in ihren Besonderheiten integrativ behandelt werden. Nach dem generellen Verständnis lassen sich gewisse Merkmale herausfiltern: Eigentum, Koordination, Motivation und Rolle des Staates.
Bei der Eigentumsfrage ist herauszuarbeiten, welche Mittel sich überwiegend in privatem, gesellschaftlichem oder staatlichem Eigentum befinden. Das Merkmal der Koordination drückt die Art der Entscheidungen und Abstimmungen aus, die – hierarchisch oder kollegial – getroffen werden, um optimale Lösungen zu erzielen. Bei der Motivationsstruktur wird das Begriffspaar „individualistisch“ und „solidarisch“ betont. Allgemein formuliert, drücken individualistische Ziele und Verhaltensweisen das Eigeninteresse eines Individuums aus, während ein solidarisches Auftreten stärker das Engagement eines Individuums im Rahmen einer Gemeinschaft herausstellt. Dieses Verhalten muss nicht mit Altruismus deckungsgleich sein, da durchaus auch „Gegenleistungen“ erwartet werden können. Interessant ist die Durchsetzung beider Ausprägungen der Motivationsstruktur: Denn beide Formen müssen insofern Regularien unterworfen werden, da der individualistische Ansatz ein Verhalten nach sich ziehen kann, das durch implizite Normen oder explizite Vorschriften begrenzt wird, um unangemessene Bereicherung zu vermeiden; was auch für solidarisches Verhalten gelten kann, wenn es nicht der Erhöhung des Gemeinwohls dient, sondern einer Gruppensolidarität mit Vorteilen auf Kosten der Gesamtheit.
Die Rolle des Staates wird erfahrungsgemäß unterschiedlich betrachtet. Auch wenn die marktwirtschaftliche Ordnung weithin akzeptiert ist, so existieren doch zahlreiche Deutungen, die dem Staat entweder rückläufige oder zunehmende Aufgaben zuweisen. Eine Schwächung des Staates wird einerseits unter Globalisierungstendenzen befürchtet, was zur „Entfesselung der Ökonomie“ (Forrester, 1998) und damit individualistischer Verhaltensweisen beitrage, während andererseits eine Stärkung der staatlichen Rolle gefordert wird, um die Wohlfahrt der Gesellschaften zu sichern (vgl. u. a. Sen, 1999). Wie weit sollen bzw. dürfen Selbststeuerungsprozesse gehen und wie können einerseits zerstörerische Elemente verhindert werden, ohne andererseits die dynamischen Potenziale zu beeinträchtigen? In welcher Weise sind Sportentwicklungen gerade aktuell davon betroffen bzw. wie haben sie an derartigen Prozessen Anteil?
Die eher generalisierenden Beschreibungen haben unmittelbare Bedeutung für die Sportentwicklungen einer Gesellschaft und die Ausarbeitung einer Sportwirtschaftswissenschaft. Eine ökonomische Theorie des Sports kann nämlich die in den Wirtschaftswissenschaften dominanten Ansätze aufgreifen und überprüfen. Dabei können sportbetriebs- und sportvolkswirtschaftliche Ansätze eine Rolle spielen. Die sportbetriebswirtschaftliche Beschreibung und Erklärung kann sich auf einzelwirtschaftliche Phänomene beziehen sowie Empfehlungen aussprechen. So, wie eine allgemeine Betriebswirtschaftslehre auf alle „Betriebe“ bezogen werden kann, so wird hier die Sportbetriebswirtschaftslehre in allgemeiner und angewandter Form für „Sportbetriebe“ als fruchtbar angesehen (vgl. u. a. Woratschek, 1998). Dabei kann der Sportbetrieb in seinen ökonomischen, technischen, sozialen und organisatorischen Einheiten ebenso untersucht...