Ein wesentlicher Teil der Werbewirkungsforschung ist die Analyse von Wirkungsgesetzmäßigkeiten. Um die Frage zu beantworten, wie Werbung wirkt und welche Reaktionen sie beim Rezipienten auslöst, wurde im Laufe der Forschung eine Vielzahl von Modellvorstellungen entwickelt. Die Mehrzahl dieser Modelle geht von hierarchisch strukturierten Wirkungsketten aus, die in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen und einen bestimmten zeitlichen Ablauf vorweisen. Von dieser Annahme aus entwickelten sich eine Reihe weiterer Wirkungsmodelle.[52] Im folgenden Abschnitt sollen einige Modelle kurz erläutert sowie kritisch beurteilt werden.
Die aus dem Behaviorismus[53] stammenden Stimulus-Response-Modelle (S-R-Modelle), die Lasswell 1927 in die Kommunikationswissenschaft einführte,[54] dominierten über lange Zeit in der Konsumentenpsychologie. Die Grundidee dieses Modells war, dass das Konsumverhalten eines Menschen von bestimmten Reizen abhängt.[55] Es wird unterstellt, dass die Werbung (Stimuli der Sender) die Rezipienten[56] in gleicher Weise erreicht und dabei unmittelbar Wirkungen auslöst.[57] Die einfache Struktur dieser Modelle macht sie leicht verständlich und operationalisierbar.[58] Jedoch vereinfachen sie zu stark und sind somit als Erklärungsmodell für die Werbewirkung nur eingeschränkt sinnvoll. Bei den Stimulus-Response-Modellen werden die Bedingungen vernachlässigt, unter denen die Werbung auf den Rezipienten wirkt. Es wird davon ausgegangen, dass gleiche Stimuli, egal wen sie treffen, auch die gleiche Wirkung erzeugen und dass die Reizstärke die Intensität der Wirkung beim Rezipienten beeinflusst. Was sich zwischen dem Stimulus und der Reaktion des Rezipienten abspielt, wird nicht berücksichtigt und als so genannte „Black Box“ gesehen.[59] Das S-R-Modell reicht also nicht aus, um die komplexen Vorgänge der Werbewirkung zu erklären, vor allem, da der Mensch als passiv und von außen gesteuert gesehen wird.[60] Dem Stimulus und der Reaktion wird eine dritte Variable hinzugefügt – der Organismus.
Beim erweiterten Stimulus-Organismus-Response-Modell (S-O-R) führen beim Rezipienten theoretische Konstrukte wie Motive, Einstellungen oder Lernen zu Reaktionen.[61] Diese Reaktionen werden nicht wie beim S-R-Modell direkt durch die Werbung ausgelöst, sondern gelten als „indirekte Folge von Reaktionen im Vorfeld der Kaufhandlung“.[62] S-O-R-Modelle werden deshalb auch als Hierarchiemodelle bezeichnet, da sich die Werbewirkung in einer Aufeinanderfolge von Stufen entwickelt.[63] Eines der klassischen Hierarchiemodelle ist das von Lewis bereits 1898 entwickelte AIDA-Modell.[64] Die vier Buchstaben stehen für:
Attention (Aufmerksamkeit),
Interest (Interesse),
Desire (Bedürfnis) und
Action (Kauf).[65]
Dabei wird unterstellt, dass der Werbewirkungsprozess in vier Stufen abläuft. Zunächst muss die Aufmerksamkeit des Rezipienten gewonnen werden. Unter Aufmerksamkeit versteht man „das Maß, in dem sich ein Konsument auf einen Reiz, der sich innerhalb seines Aufmerksamkeitsradius befindet, konzentriert“.[66] Sie ist die Voraussetzung für ein Produktinteresse seitens des Rezipienten und dies wiederum für ein Kaufbedürfnis, das idealerweise letztendlich zur Kaufhandlung führt. Das klassische AIDA-Modell gilt heute aufgrund der Annahmen, dass die Reihenfolge der einzelnen Stufen zwingend notwendig ist und der Konsument eine eher passive Rolle einnimmt, weitestgehend als veraltet.[67] Nach Trommsdorff darf sich nicht auf eine derartige Stufenabfolge der Werbewirkung verlassen werden, da einige Stufen bei einer bestimmten Werbung nicht oder nicht in der Reihenfolge vorkommen.[68]
In der akademischen Werbewirkungsforschung ist generell eine zunehmende Abkehr von den Stufenmodellen zu beobachten, da es aufgrund der gestiegenen Werbeflut unrealistisch erscheint, dass der Rezipient der Werbebotschaft seine volle und bewusste Aufmerksamkeit schenkt. Vielmehr wird Werbung häufig ohne große kognitive Anstrengung verarbeitet und zunehmend weniger beachtet, eine Wirkung bleibt jedoch nicht aus.[69]
In der kommerziellen Forschung hingegen stützt man sich noch auf die Hierarchiemodelle, da sie den Eindruck vermitteln, dass mit jeder weiteren durch Werbemaßnahmen erreichten Stufe die Kaufwahrscheinlichkeit der Rezipienten steigt.[70]
Nach Kroeber-Riel und Weinberg richtet sich die Werbewirkung vielmehr nach den Wirkungsdeterminanten (Bestimmgrößen der Werbewirkung): Involvement des Konsumenten, Gestaltung der Werbung sowie Anzahl der Werbewiederholungen.[71] In ihrem „Modell der Wirkungspfade“ kombinieren sie den Grad des Involvements des Konsumenten mit der Art der Werbung. Sie unterscheiden dabei zwischen informativer und emotionaler Werbung sowie zwischen hohem und geringem Involvement. Daraus ergeben sich vier unterschiedliche Wirkungsmuster, in denen entweder emotionale oder kognitive Prozesse wichtiger für die Bildung der Einstellung und Kaufabsicht sind. Da in der Werbepraxis häufig gemischte Werbung aus Information und Emotion vorherrscht, kann man je nach Grad des Involvements die Wirkungsmuster miteinander kombinieren.[72] Außerdem muss unter den aktuellen Markt- und Kommunikationsbedingungen verstärkt mit gering involvierten Konsumenten gerechnet werden, die „aufgrund von situativen Umständen, wie z.B. Zeitdruck nicht bereit sind, sich intensiv mit der Werbung auseinander zu setzen“.[73]
Abb. 3: Grundmodell der Wirkungspfade:
Quelle: Kroeber-Riel / Weinberg (2003), S. 614
Mit dem Thema Involvement haben sich auch Petty und Cacioppo beschäftigt und im Jahre 1981 das Elaboration Likelihood Modell entwickelt, das zuerst als sozialpsychologisches Konzept vorgestellt und zwei Jahre später auf die Werbewirkungsforschung übertragen wurde.[74] Dabei unterscheiden sie zwischen zwei unterschiedlichen Wegen der Informationsverarbeitung, die sich je nach Grad des Involvements unterschiedlich gestalten.[75] Bei hoch involvierten Konsumenten findet die Informationsverarbeitung auf der so genannten „zentralen Route“ statt. Hält der Konsument die dargebotene Information für relevant, wird er ihr Aufmerksamkeit schenken und kognitive Reaktionen zeigen, die wiederum zu einer relativ stabilen Einstellungsänderung führen und das Verhalten lenken werden.[76] Petty und Cacioppo sprechen dabei von „Elaborationen“, die als gedankliche Aktivitäten verstanden werden können, welche insbesondere durch Einbeziehung von vorhandenem Wissen eine Informationsverarbeitung bewirken.[77] Bei niedrig involvierten Konsumenten erfolgt die Informationsverarbeitung auf der „peripheren Route“. Hier werden affektive Assoziationen wirksam, die eine Informationsverarbeitung auch mit geringem Aufwand ermöglichen. Dazu orientieren sich die Konsumenten z.B. an der Glaubwürdigkeit der Informationsquelle oder an der Gestaltung des Informationsmittels.[78] Es wird davon ausgegangen, dass die Konsumenten hier prinzipiell leichter zu beeinflussen sind, da sie sich kaum mit den Botschaftsinhalten beschäftigen und deshalb weniger Gegenargumente entwickeln.[79]
Die Involvement-Modelle gehen nicht von einem festen Wirkungsverlauf aus, sondern setzen die Werbewirkung in Relation zur Persönlichkeit des Rezipienten sowie zur Verständlichkeit und Interessantheit der dargebotenen Information.[80] Sie machen deutlich, dass keine generellen Aussagen darüber gemacht werden können, wie sich ein Rezipient in einer bestimmten Situation verhalten wird und dass die Werbewirkung generell nicht davon abhängt, ob der Rezipient hoch involviert ist und sich aktiv mit der dargebotenen Information beschäftigt. Auch bei passivem Werbekonsum erfolgt eine Werbewirkung. Da man sich heute der Werbung praktisch nicht mehr entziehen kann, kann man sich folglich auch ihrer Wirkung nicht entziehen.[81]
Involvement-Modelle können jedoch genauso wenig wie die Stufenmodelle Indikatoren für die Vorhersagbarkeit des Verhaltens der Rezipienten liefern und aufgrund ihrer Komplexität sind sie nicht empirisch überprüfbar. Dessen ungeachtet haben sie zu einer Weiterentwicklung der klassischen Hierarchie-Modelle geführt und gerade im Bereich des Involvements große...