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Stereotypisierende literarische Indianerfiguren und deren Modifizierung. James Fenimore Coopers 'The Last of the Mohicans' und 'The Pioneers'

AutorSirinya Pakditawan
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl149 Seiten
ISBN9783638533171
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Amerikanistik - Literatur, Note: 1,0, Universität Hamburg (Institut für Anglistik und Amerikanistik), 69 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: James Fenimore Coopers Werk markiert den Beginn der Indianerliteratur des 19. Jahrhunderts. In seinen Indianerromanen stellt Cooper die Beziehung der Angloamerikaner zu den Indianern dar und entwirft darüber hinaus ein Bild des Indianers, das am nachhaltigsten die Vorstellung vom typischen Indianer in der Literatur geprägt hat. Hierbei ist Cooper einerseits der europäischen Aufklärung verpflichtet, die den 'noble savage' 'erfand'. Andererseits greift Cooper auch das puritanische Feindbild des Indianers, den 'satanic savage', auf. Darüber hinaus orientiert sich Cooper aber auch an zeitgenössischen spezifisch amerikanischen Vorstellungen von Indianern, wie dem 'vanishing American'. Im Ganzen präsentiert Cooper ein stereotypisiertes Bild des Indianers, indem er ihn unter die simple Dichotomie des 'guten' und des 'bösen' Indianers subsumiert. Dennoch problematisiert Cooper bestimmte Klischees des Fremden, indem er einzelne Indianer individualisiert. Diese Arbeit untersucht, wie Cooper den 'typischen' Indianer darstellt und wie er zentrale Indianergestalten individualisiert. Hierbei wird zunächst auf die Traditionen und Quellen eingegangen, denen Coopers Indianerdarstellung verpflichtet ist. Diese Arbeit richtet sich vor allem an Studierende und Mitarbeiter im Fachbereich Amerikanistik, sowie an alle Interessierten auf dem Gebiet der Indianerliteratur.

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Leseprobe

0.Einleitung


 

The Leather-Stocking stories illustrate (…) the Indian's shifting role on the American frontier.1

 

James Fenimore Cooper gilt als Amerikas erster Mythopoet, Vater der amerikanischen Nationalliteratur und als „amerikanischer Scott", 2 weil er Themen aus der amerikanischen Geschichte verarbeitete. Dabei „fiktionalisierte" er historische Ereignisse, indem er sie in die tradierten Formen einer Romanhandlung umgoss und von der Ebene des individuellen Erlebens her beleuchtete. Hierbei bekannte sich Cooper nicht nur zu einem genuin amerikanischen Schauplatz (setting), sondern erstritt mit seinen indianischen Protagonisten die Literaturwürdigkeit der nordamerikanischen Ureinwohner. Im Rahmen seines umfangreichen Werkes stellen die Leatherstocking Tales den amerikanischen Mythos schlechthin dar und bilden darüber hinaus den Beginn der Indianerliteratur des 19. Jahrhunderts.3 Coopers Indianerfiguren wurden infolge der breiten Rezeption sowohl in Amerika als auch in Europa zum Inbegriff des „Roten Mannes". So schrieb beispielsweise Paul Wallace im Jahr 1954: „For a hundred years The Leather-Stocking Tales' cast a spell over the reading public of America and Europe and determined how the world was to regard the American Indian".4 Coopers Indianerdarstellung hat also wesentlich dazu beigetragen, dass sich das gegensätzliche Indianerbild vom „guten" und „bösen" Indianer zu dem Mythos vereinigen konnte, der sich bis in die heutige Zeit hinein durchsetzen konnte: „by developing powerful images to symbolize both extremes of feeling about the red man (...) [Cooper] created one of the major nineteenth-century myths about America".5

 

Die Lederstrumpf-Romane verarbeiten also Grunderfahrungen und -probleme der jungen amerikanischen Nation und rufen somit auf der Ebene der literarischen Realität vor allem die Indianerfrage als ein amerikanisches Grundsatzproblem ins öffentliche Bewusstsein. Auf diese Weise sind einerseits narzisstische Selbstspiegelung, ob des unaufhaltsamen Wachsens der jungen amerikanischen Nation, sowie andererseits bußfertige Selbstanklage, ob der rücksichtslosen Vertreibung der Ureinwohner und der damit verbundenen Trauer über den Untergang der indianischen Welt, in ihrer unaufhebbaren Ambivalenz literarisch in den Leatherstocking Tales greifbar.

 

The Pioneers (1823) und The Last of the Mohicans (1826) sind dabei diejenigen Werke aus dem Lederstrumpf-Zyklus, die den historischen Prozess, d.h. die Wildniskämpfe und die Ansiedlung der Weißen, thematisieren und am deutlichsten geschichtlich konzipiert sind.6 Entsprechend befasst sich Cooper in diesen Werken mit Indianern und den Vorgängen bei der Inbesitznahme des nordamerikanischen Kontinents durch die angloamerikanische Zivilisation. Hierbei stellt Cooper in The Last of the Mohicans, aber auch in dem zeitlich später angesiedelten The Pioneers, die Beziehung der weißen Amerikaner zu den Indianern dar und entwirft darüber hinaus ein Bild des Indianers,7 das am nachhaltigsten die Vorstellung vom typischen Indianer in der Literatur geprägt hat.8 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu bemerken, dass The Pioneers zwar intensiv die Siedlungsproblematik behandelt, aber The Last of the Mohicans der indianischen Tragödie sehr viel mehr Raum widmet, die in der unseligen Verknüpfung zwischen der Eroberung des Kontinents durch die weißen Einwanderer und der damit ausgelösten Vernichtung der Indianer besteht. In beiden Romanen präsentiert Cooper jedoch im Ganzen ein stereotypisierendes Bild des Indianers, indem er dessen Eigenschaften auf wenige Merkmale reduziert und ihn somit generell unter die simple Dichotomie des „guten" und des „bösen" Indianers subsumiert. Gleichwohl greift Cooper bestimmte Klischees des Fremden auf, um sie dadurch zu problematisieren, dass er einzelne Indianer individualisiert. Auf diese Weise lässt sich aufzeigen, dass Cooper eine Differenz zwischen den Stereotypen seiner Zeit und konkreten indianischen Protagonisten darstellt. Somit lässt sich die These aufstellen, dass sich in Coopers Indianerdarstellung insofern ein neuer Zug findet, als über die bekannte Typisierung in „gute" und „böse" Indianer hinaus, Widersprüche, Divergenzen und eine Zerrissenheit zur Geltung kommen.

 

Dennoch verdanken Coopers „primitive Wilde" ihre Existenz grundsätzlich weniger seinen ethnologisch präzisen Kenntnissen als einer langen und komplizierten europäischen Tradition, die sich seit dem Zeitalter der Entdeckungen in Auseinandersetzung mit den Ureinwohnern der amerikanischen Kontinente entwickelt hatte. Der nordamerikanische Indianer war also mythisch als barbarische, wilde Kreatur und als unverdorbenes, glückseliges Naturgeschöpf existent, lange bevor Cooper ihn episch stilisierte.9 Im ersten Kapitel soll deshalb die historische Entwicklung des stereotypisierenden Indianerbildes skizziert werden, um zunächst klären zu können, welcher Tradition Cooper generell verpflichtet ist. Hierbei wird es auch um eine historische Einbettung beider Romane gehen. Dabei ist zu klären, wie in der literarischen Tradition mit dem Fremden, Wilden und Neuen umgegangen wurde. In diesem Kontext wird zudem zu zeigen sein, dass sich vor allem die kulturkritische Philosophie Rousseaus in The Pioneers und The Last of the Mohicans spiegelt, denn Cooper verdeutlicht, dass erst die Viren der weißen Zivilisation das „Schlechte" in die indianische Lebensweise eingeführt und das Edle und Tugendhafte im Charakter der Indianer zunehmend zersetzt haben.10

 

Die Gestaltung des Indianers als literarische Figur erweiterte Cooper aber auch durch umfangreiche Quellenstudien, deren Ursprünge seine eigene inventio sowohl antezedieren als auch überschreiten. Darauf wird im zweiten Kapitel eingegangen werden. Zu bemerken ist, dass sich gerade im 18. Jahrhundert Reisebeschreibungen, Expeditions- und Missionarsberichte über die nordamerikanischen Indianer häufen, die sich im Unterschied zu den eher pauschalen Abhandlungen früherer Jahrhunderte mit einzelnen Stämmen und ihren Traditionen befassen. Es wird deshalb zu klären sein, wie Cooper die Klischees, die in frühen, aber auch noch in zeitgenössischen Schriften kursierten, unterläuft, hinterfragt oder gar aufhebt. In diesem Zusammenhang wird zudem analysiert werden, wie Indianer in Coopers Hauptquellen dargestellt werden, und wie er diese kritisch und problembewusst bearbeitet. Hierbei ist auch der Wahrheitsgehalt der historischen Quellen an sich zu prüfen sowie zu klären, ob diese Texte lediglich den Klischees verhaftet bleiben, oder ob auch sie schon individualisierte Indianerfiguren präsentieren.

 

Jedoch ist Coopers Indianerdarstellung bereits von Zeitgenossen kritisiert worden, mit dem Vorwurf, seinen Indianern fehle es an Lebensechtheit.11 Entscheidend ist hierbei, dass Cooper seine Indianer stets als Figuren seiner dichterischen Freiheit verstanden hat, also gar nicht für sich in Anspruch nahm, nordamerikanische Ureinwohner tatsächlich realistisch gezeichnet zu haben.12 Coopers antithetisches Bild des Indianers scheint somit in der Tat idealisiert und eine grobe Vereinfachung zu sein, wobei die Stereotypen grundsätzlich rassistisch erscheinen. Dennoch kann generell gesagt werden, dass kein weißer amerikanischer Schriftsteller des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts vollkommen vorurteilsfrei gegenüber Indianern war. Das gilt auch für Cooper. Insofern kann auch seine Präsentation des Indianers zu den rassischen Stereotypen gezählt werden, die das amerikanische Denken im 19. Jahrhundert geprägt haben. Aus diesem Grund erscheint Coopers polares Indianerbild als Spiegel seines kulturellen Hintergrunds. Darum auch wurde oft betont, dass Cooper die Indianer so hinnahm, wie sie ihm durch seine Kultur präsentiert wurden.13 Verdeutlicht soll aber auch werden, dass Cooper nach einem Kompromiss zwischen seinen eigenen, vorurteilsbeladenen Vorstellungen vom Typ Indianer und seinen epischen und politischen Intentionen suchte, denn auch er teilte prinzipiell die Überzeugung seiner Zeitgenossen von der historischen Notwendigkeit des weißen Siegs. Auf diese Weise wird die Stereotypisierung seiner indianischen Protagonisten auch als Beweis für seine ethno-chauvinistische Vorurteilsbeladenheit zitiert. Nicht ohne Grund...

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