Einleitung
Frauen stiften mit Engagement und Empathie
VON DR. VERA BLOEMER
Wer gibt sein Geld und Wissen, wer nutzt die ihm zur Verfügung stehenden Mittel für eine bessere Welt? Es sind Stifterinnen und Stifter, die als Vorbilder unserer Zeit ihr Vermögen, ihre Zeit, ihre Kontakte und ihr Know-how zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen.
Dieses Buch stellt faszinierende Frauen vor, die mit ihrer Begeisterung anstecken und Berge versetzen. Im Rahmen meines ehrenamtlichen Engagements lernte ich Stifterinnen kennen und wurde neugierig: Was motiviert diese Frauen? Welchen Hintergrund haben sie? Warum und wofür kämpfen sie? In diesem Buch sind nur einige porträtiert, die für viele stehen, die einen besonderen Weg eingeschlagen haben.
Heute bieten die Stifterinnen ein neues Frauenbild: Visionärinnen, Vordenkerinnen mit Selbstbewusstsein und Mut, die das erarbeitete oder geerbte Vermögen der Allgemeinheit, einer Zielgruppe oder für ein spezielles Thema stiften. Sie gehen ein unternehmerisches Risiko mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen ein und kämpfen für den Erfolg ihrer Ideen. Es finden sich oft unkonventionell kreative Lebensstrategien mit beispielhafter Werteorientierung.
Die in der Gegenwart aktiven Stifterinnen agieren meist eher in der Stille. Das sollen die vorliegenden Porträts ändern und in den Fokus nehmen, was diese Frauen geschaffen haben. Es fehlen Vorbilder und Beispiele, denn zu selten wird von den Frauen gesprochen, denen es mit dem ererbten oder selbst erwirtschafteten Vermögen ein Herzensanliegen ist, sich in ganz verschiedenen Bereichen zu engagieren. Sie bieten ihre Zeit, ihr Wissen, ihre kreativen Ideen zusammen mit ihren finanziellen Möglichkeiten. Sie wollen etwas bewegen.
In den letzten Jahren kann man von einem Stiftungsboom sprechen. Dabei treten vermehrt Frauen als Stifterinnen auf. Wer sind diese Frauen? Wofür stehen sie? Und was sind ihre Motive, ihre Anliegen, ein Lebenswerk in Form einer Stiftung einzubringen und weiterleben zu lassen?
Philanthropie
Der klassische Philanthrop ist jemand, der für andere etwas Gutes tut, altruistisch handelt. In den Vereinigten Staaten wird der Begriff auf reiche Menschen angewendet, die einen Teil ihres Vermögens für wohltätige Zwecke einsetzen. Als moderner Mäzen und Philanthrop gilt z.B. der Amerikaner Andrew Carnegie, der diese Einstellung gelebt hat. Er prägte den Satz: „Wer reich stirbt, stirbt in Schande.“ Er stammt aus seinem Buch „Das Evangelium des Reichtums“, das der Stahlindustrielle 1889 veröffentlichte. Trotz guter Absichten der daraus resultierenden Spenden und Stiftungen gab es immer wieder Kritik bezüglich möglicher Einflussnahme und Gefahren. Denn wie Thomas Druyen es in seinen Forschungen und seinem Buch „Goldkinder. Die Welt des Vermögens“ aufzeigt, sind es private Initiativen, keine demokratischen Organisationen, die in der Regel den persönlichen Einstellungen der Stifter entsprechen.
Die Bereitschaft für philanthropisches Engagement hat auch in Deutschland eine Tradition und nimmt zu. Die hohe Zahl an Stiftungsgründungen der letzten Jahre unterstreicht dies, wenn auch die Anzahl und Größe der Stiftungen in den Vereinigten Staaten viel höher ist. Schätzungen zufolge verfügen die privaten Haushalte in Deutschland über etwa zehn Billionen Euro Vermögen, von denen etwa 25 Prozent innerhalb der nächsten zehn Jahre vererbt werden. Und da kommt hoffentlich auch das Thema Spenden oder Stiften auf die Agenda.
Die Porträts der Stifterinnen in diesem Buch zeigen, dass Frauen sich mit Herz und Verstand engagieren: Sie geben nicht nur ihr Geld, sondern bringen sich voll ein. Sie betonen die Dankbarkeit und sind sich des Privilegs bewusst, stiften zu können und für ihre Stiftung zu arbeiten. Einige der interviewten Stifterinnen verdeutlichen, dass es Frauen nicht darum geht, Höchstleistungen Einzelner auszuzeichnen, sondern anstelle von Ergebnissen eher Prozesse zu fördern. Diese Frauen greifen für die gesellschaftliche Entwicklung relevante Themen auf und schaffen einen Raum für tragfähige, nachhaltige Ergebnisse. Hier können die Stiftungsporträts einen tieferen Einblick geben.
Eingrenzung der Stifterinnen- und Stiftungsporträts
Das vorliegende Buch soll Frauen vorstellen, die mit Stiftungen ein Werk geschaffen haben, das mehr öffentliche Beachtung verdient. Beschrieben werden Stiftungsinitiativen, aber auch die Initiatorinnen selbst: interessante Persönlichkeiten, die sich zurücknehmen zugunsten einer großen Idee und selbst nicht unbedingt im Rampenlicht stehen. Sie wollen ihr Erbe, ihr erwirtschaftetes Vermögen oder ihre Popularität für eine gute Sache einsetzen, um mit ihrer Stiftungsarbeit Themen aufzugreifen, Gutes zu bewirken, ihre Umwelt positiv zu gestalten und zu verändern. Durch Kreativität und hohes Engagement zeichnen sich die Stifterinnen aus, die immer ein langfristiges und nachhaltiges Ziel vor Augen haben.
In diesem Buch werden Stifterinnen aller Altersgruppen vorgestellt, die aus vielen Bereichen kommen. Sie sprechen über ihre Erfahrungen, auch über die Bereicherung und Freude, die sie aus ihrer Stiftungsarbeit schöpfen. Im Rahmen von Gesprächen habe ich sie zu den Themenbereichen der Stiftung, zur Stiftungsgründung und zur Zielsetzung ihrer Stiftungen befragt, zu ihrem Lebensweg, ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung, ihrer Beziehung zu Geld und dazu, welchen Stellenwert die Stiftung in der eigenen Biografie hat. Mein Ziel war, die Stifterinnen selbst zu Wort kommen zu lassen, sie möglichst authentisch zu porträtieren.
Es geht in dem vorliegenden Buch nicht um eine Bewertung oder Evaluation der Stiftungsaktivität und Projektarbeit. Grundsätzlich ist es bemerkenswert, wenn Menschen die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen finanzieller, persönlicher und fachlicher Art einsetzen und diese im Rahmen einer Stiftung zum Wohle der Allgemeinheit oder einer bestimmten Zielgruppe zur Verfügung stellen, wobei eine kritische Auseinandersetzung nicht fehlen sollte.
Vielfältige Palette der Stifterinnen und Stiftungen
Bei der Auswahl der Stifterinnen habe ich eine möglichst große Vielfalt der Themen angestrebt. Kriterium war, dass die Frauen für ein persönliches Gespräch zur Verfügung stehen und bereit sind, sich und ihre Stiftung in diesem Buch vorzustellen. Die positive Resonanz hat mir Mut gemacht, sowohl bekannte Persönlichkeiten als auch Frauen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, zu interviewen. Die Ziele der dargestellten Stiftungen sind breit gefächert: Sie setzen sich z.B. für Kinder, Medizin, Umweltschutz, Kultur und vieles andere ein. Nicht nur die Themenbereiche sind spannend, sondern auch die geförderten Zielgruppen und Projekte im In- und Ausland. Die Stifterinnen waren, als sie stifteten, im Alter von Anfang 20 bis Mitte 60, zum Zeitpunkt der Gespräche Anfang 30 bis Ende 80 und – ob jung oder alt – sprühend vor Engagement. Was den Gründungszeitpunkt der in diesem Buch besprochenen Stiftungen angeht: Die jüngste ist erst ein Jahr alt, die älteste verfügt über eine 40-jährige Stiftungstradition.
Die vorgestellten Stifterinnen haben ihr eigenes Vermögen in die Stiftung investiert, und durchweg alle bringen neben dem finanziellen auch berufliches Know-how mit ein. Die Stiftungsmittel kommen sowohl aus erarbeitetem als auch aus geerbtem Geld. Mal ist ein Preisgeld die Basis für den Kapitalstock – wie etwa bei Jenny De la Torre – oder ein kleiner Betrag, der im Rahmen einer Zustiftung oder Gemeinschaftsstiftung die Entscheidung bewirkt. Viele Stifterinnen spenden weiterhin regelmäßig oder führen zusätzliche Ressourcen der Stiftungsarbeit zu.
Die verschiedenen Lebenswege zeigen, dass die Stiftungsgründung nicht selten mit einem Schicksalsschlag im Zusammenhang steht – oder mit einem Thema, das der Stifterin am Herzen liegt und meist mit dem eigenen Fachgebiet zu tun hat. So sind die Stiftungsanliegen häufig mit viel Herzblut verbunden. Die Stiftungsgründung erfolgt teils parallel zur beruflichen Tätigkeit, teils erst im Anschluss an die Karriere – als neues Aufgabenfeld, wo sich die Gründerinnen mit ihren Ideen und Anliegen voll einbringen. Der Wunsch zu gestalten, etwas zu bewegen, wurde in allen Gesprächen deutlich und zeigte, dass in der Biografie der Stifterin das Stiftungsziel einen besonderen Stellenwert einnimmt, als Ergänzung oder oft auch als einer der Höhepunkte des persönlichen Wegs.
Die Stiftungsgründung basiert meist auf einer Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, sodass eine gewisse persönliche Reife die Voraussetzung bildet. Ein Großteil der Stifterinnen empfindet die Stiftung als logische Folge ihrer persönlichen Entwicklung und als einen wichtigen Teil des eigenen Lebenswerks. Dabei schauen alle mit Dankbarkeit auf die Möglichkeit, etwas gestalten und geben zu können und so viel Bereicherndes durch das Engagement...