Frühe Tonfilm-Western
In Old Arizona
USA 1929; s/w; 95 min
R: Irving Cummings
P: Sol M. Wurtzel (für Fox)
B: Tom Barry (nach einer Story von O. Henry)
K: Arthur Edeson
D: Warner Baxter (The Cisco Kid), Edmund Lowe (Sergeant Mickey Dunn), Dorothy Burgess (Tonia Maria)
Der große Treck
The Big Trail
USA 1930; s/w; 125 min
R: Raoul Walsh
P: Winfield R. Sheehan (für Fox)
B: Jack Peabody, Marie Boyle, Florence Postal (nach einer Story von Hal G. Evarts & Raoul Walsh)
K: Lucien N. Andriot, Arthur Edeson
M: Arthur Kay, R. H. Bassett, Peter Brunelli, Alfred Dalby, Jack Virgil
D: John Wayne (Breck Coleman), Marguerite Churchill (Ruth Cameron), El Brendel (Bussie), Tyrone Power Sr. (Red Flack)
Billy the Kid
USA 1930; s/w; 98 min
R: King Vidor
P: Irving Thalberg (für MGM)
B: Wanda Tuchock, Laurence Stallings (nach dem Roman von Walter Noble Burns)
K: Gordon Avil
M: Fritz Stahlberg
D: John Mack Brown (Billy the Kid), Wallace Beery (Pat Garrett), Kay Johnson (Claire Randall), Russell Simpson (McSween)
Pioniere des Wilden Westens
Cimarron
USA 1930; s/w; 123 min
R: Wesley Ruggles
P: William LeBaron (für RKO)
B: Howard Estabrook (nach dem Roman von Edna Ferber)
K: Edward Cronjager
M: Max Steiner
D: Richard Dix (Yancey Cravat), Irene Dunne (Sabra Cravat), Estelle Taylor (Dixie Lee)
Plötzlich ist alles auch zu hören: das Brüllen der Rinder, das Getrappel der Pferdehufe beim Galopp über die Prärie, das Knistern des Feuers am nächtlichen Lager, das Gegröle der Betrunkenen in den Saloons, das Knallen der Colts, das Signalhorn der Lokomotiven – und die Stimmen der Stars. Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre kam es in Hollywood zum ersten Höhepunkt im Tonfilm-Western: Unter anderem Irving Cummings (mit In Old Arizona, 1928), Victor Fleming (mit The Virginian,1929, für Paramount) und Henry Hathaway (mit seinen sieben, acht Zane-Grey-Western für Paramount), Wesley Ruggles (mit Cimarron, 1931), King Vidor (mit Billy the Kid, 1931), Raoul Walsh (mit The Big Trail, 1931), William Wyler (mit Hell’s Heroes, 1930, für Universal) nutzten die neue Technik, um in den Sog der Bilder die Klangwelt der Stimmen und Geräusche zu integrieren. Und sie nutzten den Ton sofort, um die ihm ganz eigenen Effekte zu inszenieren und zu akzentuieren. Bei Cummings wird unentwegt gesungen, und man sieht noch überdeutlich die geradezu kindliche Freude der Sänger (und der Musiker) bei ihrer Aktion, selbst der berüchtigte Cisco Kid tönt mehrfach, in der Prärie wie in der Badewanne: »I send my gal to the city […].« Bei Walsh gibt es wieder und wieder markante Geräusche: anfangs das Holzhacken einer älteren Frau mit weitem Rock, während die Männer sich unterhalten; dann das tiefe Hupen eines ankommenden Schiffes, das Geschrei der Tiere, als der Treck loszieht, der Kühe, Schweine und Hunde, der Esel und Pferde, und das laute Geknarze der hölzernen Karrenräder auf dem Weg durch die Wildnis; schließlich das Heulen der Winde und das Prasseln des Regens im Sturm. Bei Ruggles gibt es anfangs unentwegt ein Stimmengewirr aus der noch unfertigen Stadt, in der alles offen ist und vorläufig; dazu ist das helle Schaben der eisernen Feile überlaut zu hören, als Yancey Cravat ein weiteres Zeichen in seinen Colt ritzt, um die Zahl der von ihm Erschossenen zu markieren. Und bei Wyler sind die Geräusche schon dramaturgisch genutzt, um die visuellen Effekte zu unterstützen. Da hört man einmal einen Schuss im Hintergrund, mit dem sich ein Mann opfert, um Wasser für seine Freunde für ihren Gang durch die Wüste zu sparen, während man im Vordergrund die Gesichter dieser Freunde sieht – und wie sie bei dem Geräusch zusammenzucken.
Der Aufbruch in ein neues Land, das es zu erobern (und zu zivilisieren) gilt: Oklahoma, ein Land, das – wie es einmal heißt – noch »voller Indianer, Klapperschlangen, Revolverhelden und Banditen« ist. Bereits nach dem Startschuss geht es vielen darum, überall die ersten zu sein. Einige brechen sich schon auf den ersten Meilen den Hals. Andere lassen sich Zeit: Sie wissen, das Land ist riesengroß und hinter ihnen folgt eine unüberschaubare Menschenmenge auf der Suche nach einer neuen, erfolgreichen Zukunft, in der Hoffnung auf »noch mehr Amerika«.
Dazu sind einige kinematographische Effekte wunderbar genutzt: der Reißschwenk nach rechts in In Old Arizona, um die drohende Konfrontation zwischen Cisco Kid und dem Soldaten, der ihn verfolgt, zu betonen. Die Panoramaschwenks über die Weite der Landschaft, die noch Wildnis ist, aber durch das Handeln der Helden zivilisiert werden soll (in The Virginian und The Big Trail). Der rasante Wechsel zwischen Totalen und Halbnahen nach dem Start zur Landnahme in Oklahoma – und die eingeschnittenen Studio-Aufnahmen mit Rückprojektion, um die Erregung zuzuspitzen, die vorherrscht vor der Eroberung des neuen Landes (in Cimarron).
Auch die erzählerische Vielfalt der Western Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre war beachtlich, nachdem das Genre in den Jahren zuvor eher Stereotypisches bot. Nun gab es viele Facetten, die zu Zeiten des Stummfilms nur in Ansätzen erprobt und entwickelt wurden: den Kampf der Armee gegen einen freibeuterischen Banditen, der von seiner Geliebten betrogen wird und daraufhin eine Intrige in Gang setzt (in In Old Arizona). Die Etablierung sozialer Regeln in einer entlegenen Gegend, in der weder polizeiliche noch juristische Instanzen existieren (in The Virginian). Den Aufbruch der Siedler mit ihren Planwagen ins unbekannte Land und die ständige Qual unterwegs; das Motto dazu, von John Wayne im dichten Schneetreiben geschrien: »Jeder hat zu kämpfen, das ist das Leben, aufhören zu kämpfen aber bedeutet den Tod« (in The Big Trail); das Porträt eines Banditen als eines Rebellen gegen die für ihn falsche Ordnung der Gesellschaft (in Billy the Kid). Die soziale Eingliederung dreier Bankräuber durch die Sorge für ein neugeborenes Baby (in Hell’s Heroes). Die einzelnen Stationen der Kultivierung eines Landes bis zur Gründung des Staates Oklahoma (in Cimarron).
Die Erweiterung mit dem Ton hatte allerdings keinerlei Verlust im Visuellen zur Folge. Ganz im Gegenteil: Viele der großen Schauwerte des Genres sind neu geformt und dichter gefasst. Der Überfall auf eine Postkutsche, die anfangs von oben beobachtet, dann verfolgt und »überaus höflich« zum Halten gebracht wird; Viehtrieb durch staubiges Gelände; und schließlich Schießereien in felsiger Umgebung (in In Old Arizona). Die Ankunft einer Lehrerin aus dem Osten mit dem Zug; Streitereien um Drinks und Girls im Saloon; die Bestrafung eines Viehdiebs durch den Strang; der Shoot Out am Ende als Akt zivilisatorischen Tuns (in The Virginian). Die Bewegung nach Westen, weiter und weiter; die rasante Büffeljagd, die im Hinterhalt endet, mit Bildern aus der Mitte der Herde; die Bildung einer Wagenburg beim Kampf gegen die Indianer; das Abseilen der großen Karren von den ansonsten unüberwindlichen Abhängen (in The Big Trail). Das Eintreffen der Postkutsche mit der jungen Frau aus dem Osten, zunächst in der Totale, dann im Wechsel von außen und innen fotografiert – und mit einer Subjektiven auf die galoppierenden Pferde (in Billy the Kid). Das hektische Treiben in der Stadt Osage, die gerade erst im Entstehen begriffen ist; die andächtige Versammlung aller Bürger dieser neuen Stadt, die mit einer kurzen Schießerei (und dem Tod des Desperados) endet; dann der Blick auf immer dieselbe Straße und auf das Maß der Veränderungen: 1890, 1893, 1898, 1907, 1929; zuvor aber, nach dem Zeitsprung ins Jahr 1890, der Banküberfall der Banditen, mit lauten Schüssen und klirrenden Glasscheiben der Bank, alles choreographiert wie ein Ballett – mit einem »Sorry« des Outlaws am Ende (in Cimarron).
Irving Cummings feierte (nach der Übernahme der Regie von Raoul Walsh) in seinem balladesken Western In Old Arizona noch betont ungeniert das freie Leben eines Banditen, der, ohne an sich und seinem Tun zu zweifeln, Postkutschen überfällt und es sich mit dem Geld gutgehen lässt: nach einem Bad so viel Parfum wie nur möglich benutzen, danach eine schöne Frau umflirten, roten Wein genießen und mit den Soldaten, die ihn ergreifen sollen, seine Späße treiben. Der Film steht noch ganz in der naiven Tradition des Attraktionskinos. Die Frage nach der Moral hinter dem Tun – wie zu der Zeit bei Fleming, Vidor und Walsh – wird nicht gestellt. Er sei »very mysterious«, sagt einmal eine ältere Frau zu Cisco Kid. Seine Antwort, ganz im Sinne des melancholischen Draufgängers: »Das Leben ist voll von Mysteriösem. Gestern und auch morgen. Wie das Ende eines Regenbogens und die Küsse des Mondes.« Am Ende gibt es noch nicht einmal ein Shoot Out; es wird ausgespart zugunsten einer raffinierten Kabale, die die Frau bestraft, die dem Banditen Treue geschworen, sich aber nicht daran gehalten hatte. So überleben die beiden Rivalen: der Soldat, der seine Ziele verfehlt hat, und Cisco Kid, der nach seiner erfolgreichen Rache in die Weite des Westens...