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Der Zweite Weltkrieg. Eine kurze Geschichte

Fröhlich, Elke - Gesamtdarstellung aller Schauplätze und Aufarbeitung in der deutschen Geschichtsschreibung

AutorElke Fröhlich
VerlagReclam Verlag
Erscheinungsjahr2013
ReiheReclam Sachbuch 
Seitenanzahl280 Seiten
ISBN9783159602240
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,49 EUR
Kein Krieg hat die Welt so erschüttert und umgestaltet wie der Zweite Weltkrieg. Er war der letzte deutsche Krieg im umfassenden Sinn des Worts. Die Geschichtsschreibung hat auch in Jahrzehnten nicht mit ihm abschließen können, selbst Teile der militärischen Ereignisgeschichte erscheinen durch neu entdeckte oder erschlossene Quellen in Archiven auf der ganzen Welt auch in neuem Licht. Nach einer Phase verstärkten Interesses an einer Perspektive 'von unten'? von Soldaten und Opfern her, unternimmt Elke Fröhlich eine neue Gesamtdarstellung, die wieder mehr die Kriegsführung durch das NS-Regime und die Wehrmacht selbst akzentuiert. Erstmals ist in einen konzisen Überblick über den Zweiten Weltkrieg auf allen seinen Schauplätzen auch eine einlässliche Darstellung seiner Aufarbeitung in der deutschen Geschichtsforschung integriert, von der Institutionalisierung der Zeitgeschichte in Deutschland über den Historikerstreit bis zur Widerlegung der Legende von der 'sauberen' Wehrmacht.

Elke Fröhlich war fast vier Jahrzehnte lang wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. Sie arbeitete als Geschäftsführerin des dortigen Projekts zu Widerstand und Verfolgung in der NS-Zeit, war Mitherausgeberin der fünf Bände und Autorin eines Bandes der Reihe 'Bayern in der NS-Zeit'? Mitherausgeberin der 'Biographischen Quellen zur Zeitgeschichte' und Leiterin des Großprojekts zu den Tagebüchern von Joseph Goebbels sowie Herausgeberin der 32bändigen Edition. Sie wirkte als Expertin an zahlreichen Dokumentationen aller großen öffentlich-rechtlichen TV-Sender über die NS-Zeit mit.

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Leseprobe

II. Die einzelnen Feldzüge bis zum großen Krieg


1. Überfall auf Polen, Kriegseintritt von Großbritannien und Frankreich


Am 1. September 1939 befand sich Hitler am Ziel, was aber in seiner eigentlichen Bedeutung von kaum jemandem erkannt werden konnte. Vordergründig hatte es den Anschein, als nutze Hitler lediglich die für ihn vorteilhafte Situation. Im Grunde stand sein Krieg aber von Beginn an auf zwei ideologischen Grundpfeilern: Rassismus und Lebensraum. Wie er Anfang des Jahres in seiner Reichstagsrede (30. Januar 1939) wortwörtlich prophezeit hatte, zielte sein Krieg auf die »Vernichtung der jüdischen Rasse«. Das steht bereits in seiner Kampfschrift von 1925 zu lesen, ebenso wie das zweite Ziel, die Eroberung von Raum im Osten. Beide Ziele bilden das Fundament, von dem aus Hitler der Griff nach der Weltmacht möglich schien. Deutschland sollte nach Hitlers Vorstellung hinter Großbritannien, Frankreich und Japan den vierten Rang in der Weltherrschaft einnehmen. 79 Monate lang bereitete er den Krieg mit einer ebenso gewagten wie erfolgreichen Revisions- und Aggressionspolitik vor, von einer europäischen Staatengemeinschaft im wesentlichen tatenlos toleriert (»Appeasement-Politik«). Mit dem Überfall auf Polen folgten 68 Monate Krieg. Was mit risikoverliebter Kriegslust begann, endete in furioser Kriegswut.

Diesem Krieg lag zwar eine geschlossene Weltanschauung zugrunde, doch ihm fehlte ein entsprechendes einheitliches Strategiekonzept. Bei Beginn des Krieges existierte an strategischen Planungen nicht viel mehr als der »Fall Weiß«, der Operationsplan für den Angriff auf Polen. Mit der Ausrüstung der Wehrmacht stand es auch nicht zum besten. Zwar galt die Wehrmacht allgemein als gut gerüstet, vor allem die Panzer-Verbände und die motorisierten Divisionen. Insofern ermöglichte dies eine gänzlich neue, bewegliche Kriegführung, die alten Kriegstaktiken überlegen zu sein schien. Doch die Schnelligkeit der Aufrüstung brachte auch Nachteile mit sich. Auch befand sich die Wehrmacht immer noch im Aufbau, deren Vollendung nach Hitlers Befehlen erst für das Jahr 1942 geplant war. Nur etwa die Hälfte der Heeres-Divisionen war rundum einsatzfähig. Auch die Ausrüstungsvorräte der Wehrmacht lagen unterhalb der vom Oberkommando des Heeres geforderten Grenze. Der Vorrat an kriegswichtigen Rohstoffen reichte höchstens für ein Jahr. Bei der starken Abhängigkeit Deutschlands von Lieferungen aus dem Ausland bedeutete das eine konkrete Gefahr. Ludwig Beck, Generalstabschef des Heeres, schätzte diese so hoch ein, dass er vor Hitlers expansionistischer Kriegspolitik schon 1938 warnte. Als einer der wenigen hatte er erkannt, dass Deutschland einen Weltkrieg oder auch »nur« europäischen Krieg gegen überlegene Wirtschaftsmächte nicht gewinnen konnte. Um seiner Warnung Nachdruck zu verleihen, trat er – wie oben erwähnt – im August 1938 zurück. Ein spektakulärer Fall, der die absolute Ausnahme blieb. Auch ein Jahr später nach Einverleibung der Ressourcen Österreichs und der Tschechoslowakei blieben Bevorratung und Ergänzung knapp. Über allem Zweifel stand aber die exzellente Erstschlagkraft der Truppe, die Polen zum Verhängnis werden sollte. Innerhalb von drei Wochen war der Polenfeldzug entschieden, nach zwei weiteren Wochen definitiv zu Ende.

Es traten 1,5 Millionen deutsche gegen annähernd gleich viele polnische Soldaten (1,3 Millionen) an, doch blieben die Verteidiger im Grunde chancenlos. Bereits am ersten Tag vernichtete die überlegene deutsche Luftwaffe die Fliegerverbände Polens, zumeist noch bevor diese überhaupt in die Luft abheben konnten, auf dem Boden ihrer Flugplätze. Damit beherrschten die deutschen Flieger bereits am zweiten Tag den Luftraum über Polen. Sie konnten dadurch die Nachrichten- und Verkehrsverbindungen zerstören, was den Aufmarsch der polnischen Truppen erheblich behinderte. Mit entsprechender operativer Unterstützung aus der Luft durchbrachen die schnellen motorisierten deutschen Angriffskeile die polnischen Linien. Am 8. September erreichte der vorausgeeilte Panzerverband unter General Hoepner die Stadtgrenze von Warschau. Er schrieb am 6. September an seine Frau, er erlebe »wunderbare Situationen«. Ähnlich äußerte sich General Weichs in einem Brief unter demselben Datum an seinen Schwager, er lebe in dem »erhebenden Gefühl«, einen »großen Sieg erfochten zu haben«, der Feldzug sei »wunderbar« und die deutsche Wehrmacht die beste der Welt.

In solche Kriegseuphorie mischte sich unmittelbar nach Beginn der Kampfhandlungen ein Wermutstropfen. Am Abend des 1. September forderten Großbritannien und Frankreich in gleichlautenden Noten, die deutschen Truppen seien aus Polen abzuziehen, andernfalls würden sie, die bereits mobil gemacht hätten, Polen militärisch zu Hilfe kommen. Mussolini beeilte sich, nach dem Vorbild der Münchener Konferenz eine Viermächtekonferenz zur Lösung der deutsch-polnischen Probleme und anderer aus dem Versailler Vertrag entstandener Konflikte vorzuschlagen. Ihn trieb weniger die Liebe zum Frieden als das subjektive Interesse, seine eigene militärische Impotenz nicht vor aller Welt offenbaren zu müssen. Hitler, der Zeit gewinnen und möglichst viele militärische Tatsachen geschaffen haben wollte, aber auch die Entschlusskraft der Westmächte durch Friedenshoffnungen zu schwächen gedachte, sagte seine Entscheidung für den Mittag des 3. September zu. Frankreich war an sich bereit, mit seiner Kriegserklärung bis zu diesem Termin zu warten. Doch Großbritannien forderte nachdrücklich und kompromisslos den Rückzug der deutschen Truppen, und so konnte sich Frankreich dieser Forderung schlechterdings nicht verschließen.

Am 3. September 1939 überbrachte der britische Botschafter das Ultimatum der deutschen Regierung, das für 11 Uhr den Kriegszustand ankündigte, falls die Kampfhandlungen bis dahin nicht eingestellt seien. Das analoge Ultimatum Frankreichs traf mittags ein und setzte den Kriegszustand für 17 Uhr fest. Hitler war einer Fehlkalkulation aufgesessen. Er hatte im Grunde den Krieg bereits verloren, so die neuere Forschung. Entgegen Hitlers Annahme und Voraussage befand er sich am dritten Tag »seines« Krieges im Kriegszustand mit den mächtigsten Staaten der damaligen Welt, wobei allein Großbritannien ein Viertel derselben durch Kolonien und Dominions beherrschte. Darüber hinaus hielten die wirtschaftlich potenten USA zu ihrem ehemaligen Mutterland, was bald eine kriegsentscheidende Rolle spielen sollte. Der als regional begrenzt geplante kriegerische Konflikt weitete sich bereits am dritten Tag zu einem europäischen Krieg aus und zu einem von allen, auch von den Spitzenmilitärs und selbst von Hitler gefürchteten Zweifrontenkrieg. Angesichts dieser Gefahren blieb für die Wehrmacht und ihren »Führer« nur eine Chance: der rasche Erfolg. Ein konzentrierter Vernichtungsfeldzug sollte in kürzester Zeit den Gegner schlagen, bevor ein Blockade- und Abnutzungskrieg einsetzen konnte. Aus diesem militärischen Vorgehen leitete sich dann später das bekannte Konzept ab, das in der Militärdoktrin als »Blitzkrieg« Schule machte.

Der vom Volksmund als »18-Tage-Krieg« bezeichnete Feldzug profitierte in nicht zu unterschätzender Weise vom Stillhalten der Westmächte. Hitler, im ersten Moment von der Bündnistreue Englands schockiert, fasste sich bald und prophezeite Goebbels, es werde im Westen zu einem »Kartoffelkrieg« kommen. Tatsächlich verharrten die Westmächte in der Defensive, obwohl sich die Hauptmasse des deutschen Heeres im östlichen Einsatz befand. Das hatte vielfältige Gründe. Frankreich wollte Frieden, was in der kommunistischen Parole: »Mourir pour Dantzig? – Non!« plastisch zum Ausdruck kam. Auch waren die schrecklichen Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg, in dem besonders England seine jugendliche Elite verloren hatte, noch sehr lebendig, und die generelle Überschätzung des Gegners tat ihr übriges. Das mündete in dem alten Führungsprinzip, hinter dem Schutzgürtel der Maginotlinie erst einmal abzuwarten. Ihm lag vor allem auch die vom Oberbefehlshaber der alliierten Landstreitkräfte bevorzugte Strategie zugrunde, die auf einen langen Krieg mit allmählicher Zermürbung des Gegners abzielte. Während die Polen in heroischem Widerstand untergingen, nutzten die Westmächte die Zeit, ihre Schlagkraft gegenüber Deutschland zu vergrößern. Ein Zweifrontenkrieg fand nicht statt. Der Sitzkrieg, »drôle de guerre«, wie die Franzosen ihn nannten, begann.

Wenn die deutschen Truppen in Windeseile vorwärts marschieren konnten, so beruhte das unter anderem auch darauf, dass die polnischen Streitkräfte eine völlig ungeschützte Verteidigungslinie aufgebaut hatten. Sie ermöglichte eine äußerst erfolgreiche Umfassungsbewegung durch die Heeresgruppe Nord von Pommern und Ostpreußen aus und durch die Heeresgruppe Süd von Schlesien und der Slowakei aus, was zu einem raschen Sieg der deutschen Truppen über die polnischen Armeen westlich der Narew-Weichsel-Linie führte. Eine weitere große Zangenbewegung sollte die im Osten Warschaus stehenden polnischen Armeen einschließen.

Der Umfassungsring war geschlossen, Warschau umzingelt, die polnische Regierung nach Rumänien entwichen, da griffen die Sowjets am...

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