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E-Book

Stille Nacht! Heilige Nacht!

Die Geschichte eines Liedes

AutorWerner Thuswaldner
VerlagResidenz Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783701745944
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
'Stille Nacht! Heilige Nacht!' erklang erstmals am Heiligen Abend 1818 und ist heute das bekannteste Weihnachtslied der Welt. Das 1816 vom Hilfspfarrer Joseph Mohr geschriebene und 1818 vom Dorfschullehrer und Organisten Franz Xaver Gruber vertonte Weihnachtslied wurde in 300 Sprachen übersetzt, wird auf allen Kontinenten dieser Erde gesungen und von den großen christlichen Kirchen geteilt. 2011 in den Rang des immateriellen Kulturerbes Österreichs erhoben, war es nicht zuletzt auch ein gigantischer kommerzieller Erfolg. Zum 200-Jahr-Jubiläum erzählt der leidenschaftliche Kenner Werner Thuswaldner die Geschichte eines völkerverbindenden Welterfolgs: historische Hintergründe, unbekannte Details aus Musik- und Religionsgeschichte, aber auch viel Persönliches machen dieses Buch zu einer Fundgrube für alle, in denen 'Stille Nacht! Heilige Nacht!' bis heute die schönsten Weihnachtserinnerungen weckt.

Werner Thuswaldner, geboren 1942 in Kärnten, Ausbildung zum Techniker, Studium der Germanistik und Geschichte in Salzburg, langjähriger Leiter des Kulturressorts der 'Salzburger Nachrichten'. Schriftstellerische Arbeiten für Theater und Radio; Sachbücher, Romane, Kinderbücher, 2002 die erste Ausgabe von 'Stille Nacht! Heilige Nacht!', die der Autor aus Anlass des Jubiläums überarbeitet und um zahlreiche neue Erkenntnisse erweitert hat.

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Leseprobe

Turbulenzen der Geschichte


Die verhängnisvolle »Franzosenzeit« begann für die Region damit, dass bereits an dem Feldzug von 1792 800 Salzburger mitwirken mussten, von denen viele umkamen. Das war aber nur ein Vorgeschmack auf das Leid und die gravierenden Ereignisse, die in den Jahren darauf über Salzburg im Allgemeinen und Laufen im Besonderen hereinbrachen. Das Kriegsgeschehen erreichte in den letzten Jahren des Jahrhunderts auch die Salzburger Region. Französische Truppen rückten von Süden auf Salzburger Territorium vor und steckten Tamsweg und Mauterndorf in Brand. Am 3. Dezember 1800 wurden die Österreicher bei Hohenlinden in der Nähe von München geschlagen. Wenige Tage danach ergriff der Fürsterzbischof von Salzburg, Hieronymus Graf Colloredo, die Flucht, zuerst nach Brünn und dann in seine Heimatstadt Wien. Nach Salzburg kehrte er nie wieder zurück. Der habsburgische Erzherzog Johann besetzte mit einem Heer von 40 000 Mann das rechte Salzachufer. Am 13. Dezember 1800 kam es in unmittelbarer Nähe der Stadt Salzburg zur Schlacht auf dem Walserfeld. 500 Franzosen sollen dabei gefallen sein. Zurückflutende österreichische Soldaten kamen nach Laufen. Im benachbarten Waging zündeten Franzosen vier Häuser an und raubten die Kirche aus. Zwei österreichische Divisionen setzten sich in Laufen und Oberndorf fest. Große Teile der Bevölkerung verließen ihre Häuser in Erwartung des Feinds und flohen in die umliegenden Wälder. Am Morgen des 13. Dezember kamen die Franzosen, zuerst ein Korporal und sechs Jäger zu Pferd mit gezogenen Säbeln. Am Stadttor empfing sie der Pfleger, der Verwalter Andreas Seethaler, und hielt eine Ansprache:

»Der Ruf eurer Siege und eurer Großmut ist längst von den Ufern der Maas, Schelde und des Rheins bis an die Gestade der Salzach vorgedrungen. Euer Einzug hier überzeugt uns bereits von der Wirklichkeit und dem ausgedehnten Erfolg eurer Siege. Macht uns durch euer menschenfreundliches, der Nation würdiges Betragen zu Zeugen eurer Großmut. Eine kleine, durch Kriegsungemach und Feuer-, Wasser-, Schauer- und Viehfallschaden gebeugte Gemeinde bittet euch darum. Meldet dies euren Generalen zurück und unser Verlangen zum Wohle eurer siegreichen Truppen alles Mögliche zu tun.« Dem Korporal wurden vom Bürgermeister die Schlüssel der Stadt übergeben. Nachdem weitere französische Soldaten gekommen waren und Wein, Schnaps, Brot und Geld verlangt hatten, fingen die Österreicher an zu schießen.

Die Franzosen erwiderten das Feuer, der Schusswechsel dauerte eine Stunde. Die Franzosen sicherten sich so viele Schiffe wie möglich und setzten damit ihre Truppen auf das rechte Ufer über. Dabei verloren sie an die fünfzig Mann. Laufen gaben sie aber nicht auf. Hier kam es zu Plünderungen, auch die Bauernhäuser in der Umgebung wurden ausgeraubt. Französische Soldaten brachen den Tabernakel in der Stiftskirche auf und stahlen die Monstranz. Ganze Wagenladungen mit geraubten Gütern fuhren davon. Dazu kam die Verpflichtung, einen Großteil der Vorräte herauszurücken, Brot, Hafer, vierhundert Zentner Heu, sechshundert Zentner Stroh. In diesen Dezembertagen mussten in der Stadt mehr als 95 000 Soldaten und über 24 000 Pferde untergebracht werden.

Diese Dezember-Ereignisse wurden von einem Oberndorfer Zeitzeugen, Sebastian Standl, in einer Familienchronik festgehalten. Es ist die Sicht der Opfer, die hier zur Sprache kommt.

»Die Franzosen kamen bald. Schon am 13. Dezember 1800 kamen sie die Straße von Waging und Tittmoning herein. Bei Froschham traten die dunklen Massen aus dem Wald aufs Feld heraus. Die Schöffleute waren viel oben auf dem Totenberg, wo die kaiserlichen Kanonen standen, und schauten hinüber. Jetzt konnte man sehen, wie die Artellerie auffuhr und ehe man sich’s versah, blitzte es auf. Ein tiefer, dumpfer Schlag hinunter und wieder herauf an den stillen Wänden der Salzach. Die Kaiserlichen blieben die Antwort nicht schuldig; ein Knall, daß man glaubte, der Totenberg stürze ein und ein französisches Geschütz war unbrauchbar gemacht. Die Franzosen waren sehr im Nachteil, denn sie mußten aufwärts schießen. Die Kaiserlichen waren gut verschanzt und die Brücke über die Salzach abgetragen. Haben die Franzosen wirklich so viel zu tief geschossen oder war es Absicht? Kurz, die Häuschen von Oberndorf bekamen genug Vier- und Sechspfünder zum Verspeisen. Zum Glück waren es keine gefüllten oder Sprenggeschoße und so ging’s ohne Brennen ab. Beim ersten Kanonenschuß liefen alle Zivilisten heim und Weib und Kind flohen mit dem Nötigsten in den nahen Hackerwald bei Maria Bühel, um sich dort zu verstecken. Der alte Egyd Standl, wohl schon 80 Jahre alt, blieb im Häuschen zurück und betete den Rosenkranz. Immer näher und näher hörte man die Trommeln der französischen Infanterie und ihre Trompetensignale. In langen dunklen Linien kamen sie zur Salzach herunter und eröffneten ein heftiges Kleingewehrfeuer gegen die österreichischen Schützen, welche sich in Oberndorf leicht gute Deckung schaffen konnten. Die alte Großmutter, welche den Großvater nicht allein lassen wollte, kniete in der Mitte ihrer Stube vor dem Hausaltar und betete. Plötzlich ein fürchterlicher Schlag! Das Häuschen scheint einzustürzen.

›Jesus Maria! – Der Ähnl ist tot!‹ Mühsam hebt sich die Frau auf und wankt die Treppe hinunter. ›Ähnl! Ähnl!‹ ruft sie in Todesangst und öffnet die Tür im Erdgeschoß; starr vor Entsetzen sieht sie das große Loch im Häuschen; die Küchenmauer auch durchgeschlagen und eine Grube im Felsen, dann abgeprellt und mitten ins kleine Zimmerchen zurückgerollt, war sie, eine französische Kanonenkugel, ein Sechspfünder, und der Ähnl saß im Lehnstuhl und betete, als wäre nichts geschehen.

Noch lange, wie zum Spaß, schossen die Franzosen über die Salzach. Wie massenhaft die Kanonenkugeln fielen, bezeugen die vielen eingemauerten Kugeln in Oberndorf und in der Altach.

Mit Kolbenstößen sah man jetzt Schöffleute aus dem Stadttore zur Salzach bringen, wo schnell eine Schiffbrücke aus ein paar dahängenden Hallaschplätten zusammengemacht und die Franzosen zwangen mit Fußtritten und Gewehrkolben die armen Schiffer zur Arbeit. Bei jedem Schiffer drei Mann mit Gewehr im Anschlag und aufgezogenem Hahn, wurde die Schiffbrücke errichtet und die Franzosen über den Fluß gebracht. Die ersten Abteilungen marschierten unter großem Geschrei auf der Braunauer Straße den abziehenden Österreichern nach.

Die massenhaft Nachkommenden plünderten in den Häusern. An die Haustür wurde gestoßen, daß der Schließhaken davon sprang und unter Schimpfen und Lachen stampften schwere Tritte ins Zimmer herein, Kasten und Schubläden wurden aufgerissen und alles durchsucht. Hemden und Unterhosen war alles, was für sie Wert zu haben schien, alles warfen sie mitten ins Zimmer. Die Betten wurden mit dem Säbel bearbeitet, ob nicht irgendein Gegenstand oder gar Geld versteckt wäre. Dann ging’s an die Strohsäcke, ohne sich um die bittende und weinende Frau zu kümmern, welche sie beständig beschimpften und verlachten.

Drei Franzosen und ein Elsässer plünderten das kleine Stübchen des alten Ähnl. ›Geld her, alter Hund!‹ Immer wieder hörte die Großmutter diese Worte hinauf. Die zwei Franzosen, welche bei der Großmutter waren, riefen den dreien etwas zu und gingen lachend hinaus. Stöhnend hörte sie von Ähnl die Worte: ›Herr, Herr, wir ham gar nix!‹ Dann unter Lachen und Fluchen ein leises Wimmern, ein unterdrückter Aufschrei und ein dumpfer Fall, dann stürmten die rohen Gesellen zur Türe hinaus. Dann war alles still. Die Großmutter faßte sich, nahm ihre ganze Kraft zusammen und ging die Treppe hinunter. Die Tür war offen. Der alte Ähnl lag blutend samt seinem Lehnstuhl am Boden. Blut trat aus dem Munde, ganze Stücke Bart hatten sie dem alten Manne samt der Haut abgerissen und die Stiefel abgezogen. Das Wasserschaff in der Küche hatten sie zerschlagen und das Wasser rann in der Stube herum. Die Großmutter bemühte sich nun, den Alten hin zum zerrissenen Strohsack zu ziehen. Inzwischen war es finstere Nacht geworden.«

Bis in den März des folgenden Jahres wurde Laufen von Wellen französischen Militärs überrollt. Am 3. April 1801 zogen die Letzten von ihnen ab. Jetzt ging man daran, die Kriegsschäden zusammenzuzählen. Sie machten in Laufen 185 000 Gulden aus. Das entsprach dem Wert von rund 20 000 Ochsen. Das Land war mit 3,5 Millionen Gulden schwer verschuldet, viele Archive und Bibliotheken zerstört, Kunstschätze geraubt und die Landwirtschaft durch die Zwangsmaßnahmen der Kriegsparteien schwer beeinträchtigt.

Das nunmehr herrenlose Land Salzburg, das jahrhundertelang von geistlichen Fürsten regiert worden war, wurde zum Spielball der großen Politik. Im Jahr 1802 wurde es dem Großherzog Ferdinand III. von Toskana, einem Bruder des in Wien residierenden Kaisers, zugesprochen. Kaiserliche Truppen zogen in der Stadt Salzburg, die damals...

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