.2 Notverordnung und Ermächtigungsgesetz
Am 11. Februar des Jahres 1929 unterzeichneten der Vatikan und der faschistische Staat Italien, die Lateranverträge, um die Verhältnisse von Staat und Kirche zueinander zu klären. In einigen Punkten, wie beispielsweise der Jugenderziehung, fand sich beiderseits noch keine endgültige Einigung (vgl. Harenberg et al., S. 401, 1988). Im Folgenden ereignete sich, laut Zeitungsberichten, am 30. Mai 1931 ein Streit zwischen Vatikan und Mussolinis Staat, wobei sich der Vatikan gegen Verstöße gegen das Abkommen vom 11. Februar 1929 beschwerte, wobei der Streitpunkt wiederum die Jugenderziehung betraf. Mussolini erhob Anspruch auf die Totalität des faschistischen Staates wie auch der Jugenderziehung (vgl. Harenberg et al., S. 431, 1988).
Am 9. Oktober 1932 ergeht die Meldung in den Tageszeitungen, dass Joseph Stalin, Russlands faschistischer Diktator gegen innerparteiliche Gegner vorgeht.
Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler durch Hindenburg zum Reichskanzler ernannt.
Wenige Wochen später ereignete sich zwischen dem 27. und 28. Februar des gleichen Jahres der berühmt berüchtigte Reichstagsbrand, der zur sogenannten „Notverordnung“ führte, die 7 Artikel außer Kraft setzten, die bürgerliche und persönliche Freiheiten garantierten. Für den Reichstagsbrand wurden KPD Mitglieder, unter anderem der junge Marinus van der Lubbe verantwortlich gemacht und inhaftiert.
Die im Rahmen der „Notverordnung“ vom 28. Februar vorgesehene Schutzhaft wird gleichzeitig als Beseitigung von Kommunisten genutzt (vgl. ebd., S. 462, 1988).
Am 24. März 1933 berichtet die Zeitung „Völkischer Beobachter“, dass der Reichstag Adolf Hitler die Herrschaft des Staates übergeben hätte.
Regierungsgeschäfte können innerhalb von vier Jahren ohne Zustimmung des Parlaments getätigt werden. Träger von Mandaten wurden versucht zur Zustimmung zu ersten Gesetzesvorhaben „zur Behebung der Not von Volk und Reich“ zu bewegen, ansonsten wurden sie verfolgt und inhaftiert. In diesem Zusammenhang wurde auch der damalige Vorsitzende der KPD Ernst Thälmann in Schutzhaft genommen und später ins KZ deportiert (vgl. Harenberg et al., S. 401, S. 637,1988).
Eine weitere Unterstützung bekommt der Reichsstaat, laut Zeitungsmeldung vom 4. April 1933, eine weitere Unterstützung durch die evangelische Kirchengemeinde, die eine einheitliche Reichskirche des Führers institutionalisieren will und das „Führerprinzip“ voll und ganz unterstützt (vgl. ebd., S. 465, 1988).
Am 29. September 1936 wird in Salamanca der Diktator Franco zum Staatschef gewählt und erhält damit alle Führungsgewalten über Spanien (vgl. Harenberg et al., S. 510, 1988).
.3 Plötzlich ausgeschlossen aus der Volksgemeinschaft
Als hätte man das Licht einer Kerze von einem Moment auf den anderen gelöscht, so verhielt es sich mit „Andersdenkenden“, Juden, etc. und ihrer sozialen Umstrukturierung in Menschen, die schlechter behandelt wurden als „Vieh“ und zu Menschen 2. und sogar 3. Klasse degradiert wurden (vgl. Rees, S. 138, 2009). Das soziale Umfeld, wie Freunde, Familie, Kollegen verschwand, die Umwelt nahm Abstand von stigmatisierten Menschen, die zur Vernichtung und Ausbeutung vom deutschen Volk ausgesucht wurden. Von nun an entstand eine äußerliche Gewalt durch die Gesellschaft, ein Volks – Mobbing, dem die „Aussätzigen“ tagtäglich schutzlos ausgeliefert waren, ohne jegliche Möglichkeit auf faire Behandlung und (Rechts-) Schutz. Es klingt wie ein Scherz, als am 1. April eine Pressemitteilung ergeht zur Ausschaltung von Juden in höheren Positionen, wie Juristen, Mediziner, Lehrer und Kulturschaffende, die zu einem „freiwilligen“ Austritt aus dem Berufsleben genötigt werden sollten. Mehrere Hochschullehrer bekamen Ende des Monats April eine Beurlaubung und Künstler erhielten sogar Auftrittsverbote (vgl. Harenberg et al., S. 465, 1988).
Man konnte buchstäblich keinem Menschen mehr trauen, denn sonst wäre es sofort zum Vorteil ausgenutzt und gegen verwendet worden. Man musste ständig darauf gefasst sein, dass andere einem in den Rücken fielen. Es wurde zu einem täglichen Spiel um Leben und Tod (vgl. Rees, S. 134, 2009).
„In allen Fällen ging es um die größtmögliche wirtschaftliche Ausnutzung jener Menschen, die man vernichtete (Rees, S. 242, 2009).“
(Abb. Ginzel, S. 128, 1993)
Jüdische Geschäfte werden durch Massengewalt und öffentliches Gesellschafts – Mobbing nicht nur sabotiert sondern auch mutwillig zerstört. Ziel dieser Kampagnen sind so genannte „Arisierungen“, wobei der Besitz der Juden konfisziert wird (Ginzel, S. 128, 1993).
(Abb. Ginzel, S. 128, 1993)
Rees berichtet von Familie Fried, die zur Aussage gab, dass besonders der offensichtliche Betrug und vor allem der Verrat von Freunden trugen. Die besten Freunde wurden zu der Zeit des Nazi Terrors zu den bösartigsten Feinden (vgl. Rees, S. 375, 2009).
In seinem Abschluss – Plädoyer seines Buches hätte Rees nicht treffender formulieren können.
Vorbereitung eines literarischen Scheiterhaufens auf dem Berliner Opernplatz vom 10. 03. 1933. 100 jüdische Bibliothekare und Bibliothekarinnen wurden aus ihren Positionen gedrängt. Ein Zeitungsartikel aus „Die Welt“ berichtet über diesen geschichtlichen Verlauf am 23.03.1991. Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin hält ebenfalls vielerlei Informationsmaterial bereit (vgl. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin, Material 6.2. 11/92/2).
1.4 Das Leben der „Aussätzigen“ an verschiedenen Beispielen
Obwohl die Deutschen die Juden, „Andersdenkenden“, etc. so sehr hassten, hatten sie keine Hemmungen, deren Kleider, Schuhe und Schmucksachen zu nehmen. Die Frage stellte sich, weshalb die Deutschen keine Abneigung gegen diese Sachen empfanden (vgl. Rees, S. 148f, 2009). War es wirklich Hass gegen die „Andersdenkenden“, Juden, etc. oder waren es eventuell doch mehrere andere Motive wie Neid, Habgier, etc. die diesen immensen Hass beschworen?
In rascher Aufeinanderfolge wurden Verordnungen erlassen, um sich jüdischer Geschäfte zu bemächtigen. Die Geschäfte von Juden wurden systematisch durch Volkverhetzung zerstört und „arisiert“, das heißt durch Deutsche wurden Läden und Geschäfte konfisziert. Juden wurden somit aus dem alltäglichen Leben ausgeschlossen und gezwungen, ein „Stigmata“, den gelben „Judenstern“ zu tragen. Diese „Sterne“ gab es in unterschiedlichen Farben auch für „Andersdenkende“, „Bibelforscher“, „Asoziale“, etc. Die Juden, „Andersdenkende“, Bibelforscher, angeblich „Asoziale“, etc. waren nicht länger ehrbare Personen. Sie mussten die höhere Schule verlassen und durften kein persönliches Eigentum besitzen. Für Juden, „Andersdenkende“, etc. war ein Schulabschluss bis zur vierten Klasse der Volksschule vorgesehen. Danach wurden diese stigmatisierten „Aussätzigen“ gezwungen, die Schule zu verlassen. Koch, die als Kind von Kommunisten groß gezogen wurde und deren Mutter sogar den Beruf der Apothekerin ausübte, wurde verwehrt einen höheren Bildungsabschluss zu erreichen. Sie konnte sogar ihre Ausbildung zur Erzieherin nicht absolvieren, weil die Nazis aus einem Sabotageakt heraus den Montessori Kindergarten in einen NSV – Kindergarten umfunktionierten und den Auszubildenden ihre kurz vor dem Abschluss stehende Ausbildung verwehrten (Koch, S. 76, 2006). Koch war Mitglied der Widerstandsgruppe „Edelweiß“, die noch vor der „Weißen Rose“ aktiv wurde und im Widerstand gegen Hitler und sein System nicht nur Flugblätter verteilte, sondern versuchte die Öffentlichkeit zu warnen und zum Umdenken zu bewegen (ebd., S. 90, 2006). Zur gleichen Zeit wie die „Edelweiß – Gruppe“ waren auch die „Navajos“ aktiv, die den Nazis durch ihr Engagement ebenfalls versuchten Widerstand zu leisten (Koch, S. 89, 2006).
„1940 stellte Sebstian Haffner fest, dass die propagierte Tüchtigkeit der Nazis nur Täuschung war […].
Noch nie in der Geschichte hatten Machthaber Untertanen so barbarisch als bloße Nullen behandelt und gleichzeitig behauptet, sie würden sich für sie aufopfern. Da die Nazis über keine Lebensart und keine Werte des Lebens wie Liebe, Verantwortungsbewusstsein und richtige Lebensfreude verfügten, benötigten sie ständig große und immer größere Sensationen und Abenteuer, um der Langeweile zu entrinnen (Barbian, S. 475f., 2010)“.
Koch berichtet in ihrem Werk „Edelweiß“, wie Kommunisten auf offener Straße von den Nazis getötet wurden (Koch, S. 67, 2006). Manchmal wurden die Leichen der Ermordeten tagelang als Abschreckungsbeispiel auf den Bürgersteigen liegen gelassen.
Ernst Glaeser engagierte sich vor 1933 in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). 1933 wurde ihm alle Arbeit verboten. Er kehrte 1939 aus dem Schweizer Exil zurück nach Deutschland, wobei Ernst Glaeser unter dem Namen „Ernst Töpfer“ sonderbarerweise gestattet wurde, seine Werke zu publizieren. Auflage des Amtes...