Nach Meffert/Burmann kennzeichnet der Begriff der identitätsorientierten Markenführung einen nach außen und innen gerichteten „…Managementprozess mit dem Ziel der funktionsübergreifenden Vernetzung aller mit der Markierung von Leistungen zusammenhängenden Entscheidungen und Maßnahmen zum Aufbau einer starken Markenidentität….“[49] Weiter wird darunter die Planung, Durchführung und Kontrolle aller Schritte verstanden, die ein klar definiertes Soll-Image bei den externen und internen Bezugsgruppen[50] des Unternehmens zum Ziel haben.[51]
Das „Ziel der Markenmanager muss der Aufbau und Erhalt einer starken Marke sein.“[52]
Als zentrale Kontroll- und Steuerungsgröße dient der Markenführung dabei die Beobachtung des Wertes einer Marke, da sich die Stärke einer Marke materiell in ihrem Wert niederschlägt.[53]
Der Markenwert ist keine Schöpfung des Marketing, sondern wurde erstmals in den 80er Jahren von Finanzexperten diskutiert, als sich zeigte, dass bedeutende Konzerne bei der Veräußerung von Unternehmen diese für weitaus mehr als nur deren Aktivposten erworben hatten.[54] In Geldeinheiten ausgedrückt dient der Markenwert somit „...der Bilanzierung, der Lizenzierung, der Akquisition oder der Schadensbemessung bei Markenpiraterie.“[55]
Im Gegensatz zu den Motiven der finanzwirtschaftlichen Forschung geht die verhaltenswissenschaftlich orientierte Forschung davon aus, dass der Wert einer Marke nicht nur im Unternehmen liegt. Vielmehr spiegelt er sich in den Köpfen der Konsumenten wider.[56] Die verhaltenswissenschaftliche Sichtweise sieht den kundenorientierten Markenwert[57] als das Ergebnis unterschiedlicher Reaktionen der Konsumenten auf Marketingmaßnahmen einer Marke an, welche auf Grund spezifischer, im Gedächtnis verankerter Markenvorstellungen, die mit dem Namen oder Symbol der Marke verbunden sind, im Unterschied zu einem technisch-gleichen aber namenlosen Vergleichsprodukt hervorgerufen werden.[58]
Das Ziel der verhaltenwissenschaftlichen Forschung ist also die Bestimmung derjenigen Vorstellungen von der Marke, welche diese Reaktionen in den Köpfen der Konsumenten auslösen und somit auch die Wirkung zukünftiger Marketingmaßnahmen beeinflussen. Sie kann deshalb wertvolle Hinweise für die identitätsorientierte Markenführung liefern. Meffert und Burmann bescheinigen der verhaltenswissenschaftlich geprägten Forschung allerdings ein Defizit auf Grund der Konzentration auf einzelne Aspekte des Markenphänomens.[59]
Dieses Defizit soll ein von Meffert/Burmann entwickeltes, integriertes Modell der identitätsorientierten Markenführung beseitigen, auf welches im Folgenden eingegangen wird.
Mit dem Wandel der Markenführung von der angebotsorientierten zur nachfrageorientierten Betrachtungsweise änderten sich auch die verfolgten Prinzipien. Was einmal recht und billig war wurde später als veraltet und nicht mehr anwendbar angesehen. Der identitätsorientierte Ansatz der Markenführung hingegen peilt eine Integration beider Betrachtungsweisen an. Um sich sowohl auf die Nachfrage des Marktes als auch auf die eigenen Möglichkeiten im Sinne von Ressourcen zu konzentrieren, bietet sich eine Kombination aus dem „market-based view“ und dem „resource-based view“ an.[60]
Die marktorientierte Sichtweise geht davon aus, dass der Erfolg eines Unternehmens auf lange Sicht durch die Struktur der Produktmärkte, in denen es operiert, und durch sein strategisches Verhalten bestimmt wird. Demnach würde z. B. schon allein die Positionierung in einem Nischenmarkt mit geringer Wettbewerbsintensität einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Dabei wird jedoch zum einen die Veränderlichkeit solcher Märkte vernachlässigt, und zum anderen werden die Ressourcen und Fähigkeiten aller, in demselben Marktsegment positionierten Unternehmen als in gleichem Maße gegeben angesehen.[61]
Die ressourcenorientierte Sichtweise sucht die Ausgangspunkte für ein erfolgreiches Agieren am Markt im Unternehmen selbst. Ein dauerhafter Wettbewerbsvorteil basiert demnach „…auf der ‚richtigen’ Nutzung der verfügbaren Ressourcen zur Generierung eines wettbewerbsüberlegenen Kundennutzens.“[62] Nach dem „resource-based view“ stellt also die Identifikation und Steuerung derjenigen Fähigkeiten und Ressourcen den Kern der Markenführung dar, welche besonders zur Erlangung eines solchen Vorteils geeignet sind.[63]
Wie schon beim „market-based view“ fehlt aber auch diesem Ansatz der Fokus auf dynamische Aspekte. Die Notwendigkeit des Lernens und Verlernens als Voraussetzung für das Erlangen neuer Kernkompetenzen bei sich verändernden Marktbedingungen wird weitgehend vernachlässigt. Hier wird die Zweckmäßigkeit des identitätsorientierten Ansatzes der Markenführung deutlich, welcher nicht nur die absatzmarktbezogene um die innengerichtete Perspektive ergänzt, sondern auch die Markenidentität als Folge der veränderlichen, beiderseitigen Wechselwirkungen zwischen markenbezogenen Aktivitäten, z. B. eines Markenartikelherstellers, und deren Wahrnehmung beim Konsumenten in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt.[64]
Um auf das theoretische Konzept der identitätsorientierten Markenführung eingehen zu können, werden nachfolgend einige Begriffe veranschaulicht, welche in Verbindung mit der Markenidentität genannt werden und die zu ihrem Verständnis beitragen.
Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur liefert eine Reihe mehr oder weniger konsistenter Definitionen für den Image-Begriff.
Während Kroeber-Riel „Image“ synonym mit „Einstellung“ verwendet[65], werden hier beide Begriffe etwas differenziert betrachtet. Im Unterschied zur Einstellung, als eindimensionale Beurteilung eines Objektes (z. B. „gut“ oder „schlecht“), stellt das Image ein mehrdimensionales und ganzheitliches System von subjektiv bewerteten, empfundenen Eigenschaften einer Marke dar.[66] Dabei können Eigenschaften des Produkts bzw. der Marke objektiv vorhanden und somit sachlich begründet sein oder diesen subjektiv zugesprochen werden. Einige Autoren sprechen hierbei von denotativen (sachhaltigen) und konnotativen (emotionalen) Produkt- und Markeneigenschaften.[67] Andere nehmen eine ähnliche Unterscheidung nach einer kognitiven (rationales Wissen) und einer affektiven bzw. evaluativen (gefühlsmäßige Einschätzung, Wertung) Image-Komponente vor.[68]
Zusammenfassend wird in dieser Arbeit das Image eines Unternehmens, eines Produkts oder einer Marke als die Gesamtheit der Erwartungen, Einstellungen und Eindrücke verstanden, die ein Individuum oder eine Gruppe gegenüber diesem Objekt hat.[69]
Ein positives Image von einer Marke beim Konsumenten ist allerdings bereits das Ergebnis einer „vorgelagerten“ Aufgabe der Markenführung. Zwar spielt es mit Blick auf die Zielgruppe nach wie vor eine wichtige Rolle und verkörpert im Bezug auf die Marke das Versprechen, dass Produkte und Dienstleistungen die Erwartungen des Kunden erfüllen. Die erfolgreiche Vermarktung einer Marke über ein positives Image setzt allerdings auch eine entsprechende Markenidentität voraus. In diesem Zusammenhang werde ich nachfolgend näher auf den Begriff der Identität einer Marke und seine Bedeutung eingehen.
Den nun folgenden Ausführungen sei vorausgeschickt, dass Joachimsthaler/Aaker die Identität als die Seele der Marke bezeichnen.[70]
Meffert/Burmann folgend, wird hier der Identitätsbegriff nach dem Gegenstand der Identitätszuschreibung in die Ich-Identität, die Gruppenidentität und die Identität von Objekten (z. B. Marken) unterteilt.
Abbildung 3: Systematisierung des Identitätsbegriffs
(Quelle: Meffert/Burmann 2002b, S. 42)
In dieser Arbeit wird dem Untersuchungsgegenstand entsprechend die Identität von Objekten im weiteren und Marken im engeren Sinne (unter Berücksichtigung der oben genannten Überschneidungen) betrachtet.
Weiterhin wird nach der...