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E-Book

Sundali

Geschichten aus dem Tierpark

AutorMathias Scholz
Verlagepubli
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783746796413
Altersgruppe1 – 99
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Unsere berufliche Laufbahn mit Tieren mussten wir leider vorzeitig beenden. Doch viele Begebenheiten und Begegnungen mit Kollegen, Tierbesitzern, Tierliebhabern und den Tieren selbst haben eine Fülle von Erinnerungen in mir hinterlassen, so dass ich nicht anders konnte, als einige davon aufzuschreiben. Jeder unserer Berufskollegen könnte natürlich so ein Buch schreiben. Die skurrilen, aufregenden, gefährlichen und auch lustigen Begebenheiten mit Mensch und Tier bleiben jedem Pfleger lange im Gedächtnis. Bei unseren jährlichen Alttierpfleger-Treffen vom Tierpark Cottbus ist es daher nicht verwunderlich, dass diese Episoden stets im Mittelpunkt stehen. In jedem Jahr besuchen wir dabei den Tierpark Cottbus, reden mit Kollegen, die zum Teil in unserer Dienstzeit ihre Ausbildung gemacht haben, und betrachten mit Abstand unser Lebenswerk, wie es von jungen, genauso begeisterten Tierpflegern weitergeführt wird. Der Tag endet dann immer mit einem gemeinsamen Essen. Wenn die drei Worte 'Wisst ihr noch?' erst gefallen sind, beginnt meist der besonders schöne Teil des Abends. Ich habe den Buchtitel 'Sundali' gewählt, weil die kleine Elefantendame, die heute noch im Tierpark Cottbus lebt, mein Tierpfleger-Dasein am meisten geprägt hat. Wir haben zusammen die Baby-Zeit, die Teenager-Probleme und das Erwachsenwerden erlebt. Keinem Tier habe ich mehr Zeit gewidmet, als meiner 'Dali'.

1954 Schulbesuch in Cottbus- 1963 Ausbildung zum Landwirt- 1966 Tierpfleger im Tierpark Cottbus- 1969 Ausbildung zum Zootierpfleger- 1972 Oberzootierpfleger in Cottbus- 1982 Tierparkleiter im Tierpark Dahme/Mark- 1991 Tierheimleiter im Tierheim Traunstein/Oberbayern Ab 2008 Rentner in Vielitzsee

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Leseprobe

Die Steigerung dessen ist, sich mit Armen und Beinen strampelnd auf den Boden zu schmeißen. Glauben Sie mir, das können Affen genauso gut. Affen besitzen nicht umsonst 95% der menschlichen Gene oder umgedreht. Wenn sie ihren Pfleger ärgern wollen, ist ihre Kletterfähigkeit von besonderem Vorteil. Nach zwei Wochen meiner Affenelterntätigkeit bekundeten sie mir ihren Unmut über die neue Situation. Beim Spaziergang warfen sie sich plötzlich mit Armen und Beinen schüttelnd, auf den Erdboden. Dann verschwanden die beiden trotz meiner Ordnungskommandos in die naheliegenden 10 Meter hohen Eichen. Als meine Schützlinge hoch oben in den Bäumen ihre Nester bauten, reagierten sie auf nichts mehr. Ich hätte mich als Affenpfleger selbst vor Wut auf den Boden schmeißen wollen. Das einzig Positive, was mir zu dieser Situation noch einfiel, war die Erkenntnis gegenüber der Fachliteratur, dass Schimpansen den Nestbau von ihren Eltern nicht lernen mussten. Sie konnten es einfach.

 

Der Tierpark war an diesem Ausreiß-Tag der beiden Affen gut mit Menschen besucht. Zunächst tat ich so, als wenn das Verhalten der Affen normal wäre. Thomas und Regi taten das Gleiche mit ihrem Pfleger, aber oben in ihrem Baum. Sicherheitshalber sperrten wir den Besucherweg unter den Bäumen ab. Einige Tierpfleger, die oft mit den Affen Kontakt hatten, kamen mir zu Hilfe. Nun standen unter den 10 Meter hohen Eichen, auf denen die Affen unbeeindruckt die Zweige knickten, die hilflosen Tierpfleger, winkten mit Bananen und warfen Früchte in die Höhe. Bestimmt ein irres Bild. Zu den Tierpflegern hatte sich mittlerweile auch unser Chef gesellt. Er bemerkte die Hilflosigkeit und machte etwas, wofür ich ihm sehr dankbar war. Er zog mich ein wenig beiseite und sagte mir etwas leise ins Ohr.

Sofort setzte ich seine Anregung um. So laut ich konnte, rief ich meine Kollegen zum Rückzug auf: „Alle Tierpfleger treffen sich im Raubtierhaus und bitte unterhaltet euch laut, wenn wir dorthin gehen!“

Die Ausreißer standen jetzt nicht mehr im Mittelpunkt, denn das „Rudel“ zog weiter. Die Affenkäfige befanden sich im hinteren Teil des Raubtierhauses. So gingen wir, uns laut unterhaltend, in diese Richtung. Das passte den beiden überhaupt nicht. Wir hörten leise Klagelaute. Bis dahin hatten die Affen, auch wenn sie es nicht zeigten, die Aufmerksamkeit genossen. Sie merkten, dass etwas nicht stimmte. Sie wollten so schnell wie möglich dem „Rudel“ folgen. Geschickt kamen sie mit klagenden „Uch-Uch-Lauten“ vom Baum herunter und uns hinter her. Da keiner von uns reagierte, kam Panik bei den Affen auf. Der Tierpfleger, den sie zuerst erreichten, war ausgerechnet einer, der Angst vor Schimpansen hatte. Bevor er die rettende Tür erreicht hatte, hingen beide Affen an ihm. Thomas merkte als erster, dass es nicht sein Chef war. Er wollte sofort wieder weg. Regi war das egal. Sie hielt sich an dem Pfleger und Thomas fest, der deswegen nicht weg konnte. Verärgert biss Thomas den Pfleger kräftig in die Schulter. Alle drei schrien laut auf: Regi, weil sie Angst hatte, Thomas, weil er wütend war und der Tierpfleger vor Schmerz. Das laute Trio erreichte das Tierhaus. Bevor sich Thomas losreißen konnte, war die Tür von innen zu.

Nur langsam konnte ich die Affen beruhigen, um sie wieder in ihre Käfige bringen. Beim abendlichen Bier in der Tierparkgaststätte bedankte ich mich bei meinem Chef Klaus Jacob, der mir das Rudelverhalten erklärte. Auf meine nicht gerade intelligente Frage: „Woher haben Sie das gewusst?“, bekam ich einen Satz von ihm zu hören, der mir so gefallen hat, dass ich ihn selbst später sehr häufig verwendet habe.

Und das ist der Wundersatz: „Wissen Sie, Herr Scholz, ich bin doch nicht umsonst Chef und verdiene etwas mehr Geld!“

Seither ging ich nur mit einem Affen spazieren, oder besser gesagt, fuhr mit ihm spazieren. Thomas war zum Tragen zu schwer geworden. Auf der Erde liefen Affen nicht sehr gern, zumal die Tierparkwege einen feinen Splittbelag hatten. Dadurch hatten sie mein Fahrrad zu ihrem Lieblingsfortbewegungsmittel auserkoren. Die Hinterfüße umfassten die Mittelstange wobei die Hände sich an der Lenkstange fest hielten. Regi wurde immer kränker und brauchte ihre Ruhe. So war ich fast ausschließlich mit Thomas unterwegs. Schnell hatte er sich daran gewöhnt. Ein Besucherauflauf war dabei immer vorprogrammiert. Er lernte die Fahrradklingel zu bedienen, um zwischen den erstaunten Besuchern durchzukommen.

Auf dem Weg zum Klettergerüst kamen wir stets an einer Imbissbude vorbei. Die Verkäuferin hatte sich mit Keksen in Thomas‘ Affenherz geschlichen. Ohne Halt am Kiosk ging es nur unter lautem Protest weiter. Es blieb aber nicht bei einem Keks, es kamen oft eine Cola, ein paar Bonbons und Waffeln dazu. Mit dem Hintern saß Thomas auf der Stange des Fahrrades und lehnte sich mit dem Rücken bei mir an. Alle vier Affen-Hände hatten eine Aufgabe. In einer ein Pappbecher mit Cola, in der anderen einige Kekse, den Lutscher in einer "Fuß-Hand", die Waffeln in der anderen. Danach ging es im Rundschlag. Mal abbeißen, mal trinken, mal lutschen. Thomas konnte essen, ohne zu krümeln. Die Unterlippe wurde dazu beim Abbeißen etwas vorgeschoben. So fing er alle Krümel auf. Auch der letzte Tropfen aus dem Becher wurde geschickt mit der Zunge entfernt. Obwohl ich diese Prozedur zur Genüge kannte, war es immer wieder schön, ihm dabei zuzusehen. Ich würde nicht darüber schreiben, wenn diese schönen Momente nicht ihre Ausnahme gehabt hätte.

Ein ziemlich angetrunkener Mann, der am Kiosk die immer nette Verkäuferin aufdringlich mit dummem Zeug anmachte, sah, wie ich mit Thomas auf dem Rad ankam. Ich erkannte die Situation und wollte schon weiterfahren, merkte aber, dass die Verkäuferin Hilfe von mir erwartete. Sie hatte dem Mann ein weiteres Bier verweigert, woraufhin dieser sehr ungehalten wurde. Ich dachte, vielleicht lenkt ihn der Affe ab. Zunächst ging der Plan auch auf. Er ließ von der Kioskfrau ab. „Ich sehe einen Affen, du… du bist mein Freund Schimpanse“, gab er lallend von sich. Er lachte über sein Gesagtes.

Ich erwiderte,

„Das finde ich gut, denn ich sehe zwei Affen, ohne dass ich etwas getrunken habe. Wenn du so weiter trinkst, wird es noch ein Elefant.“

Thomas bekam wie immer alle Hände voll zu trinken und zu fressen. Sofort begann er mit seiner Fressgewohnheit. Ein Schluck Cola, einmal an den Keksen knabbern, am Lutscher lecken und eine Waffel anbeißen.

Der Angetrunkene ging sehr nahe an den Affen heran. Durch Klopfen auf dessen Kopf bezeugte er ihm seine Sympathie. Das konnte Thomas überhaupt nicht leiden. Er wich aus. Ich warnte den Mann, dass der Schimpanse auch beißen könne, er solle das lieber lassen.

„Ha, ha, beißen, der?“, lachte er gekünstelt und versuchte Thomas den Cola-Becher aus der Affenhand zu nehmen.

Da ich den Lenker und Thomas halten musste, hatte ich keine Möglichkeit, sofort einzugreifen. Das brauchte ich auch nicht, denn Thomas wusste sich zu wehren. Er hielt seine Becher richtig fest, steckte die Kekse aus der anderen Hand zwischen die Zähne, so dass diese frei war und schlug mit einem einzigen Faustschlag den Mann k.o., genau auf die „Zwölf“. Es war eine direkte Gerade wie aus einem Boxerlehrbuch. Der Trunkenbold ging zu Boden. Das Blut spritzte aus der Nase und der aufgeplatzten Lippe. Nach wenigen Minuten sah er wie ein geschlachtetes Schwein aus. Mir wurde mulmig. Thomas fraß unbeeindruckt weiter. Die Kioskfrau konnte die Blutung mit einem nassen Handtuch stoppen. Der Geschlagene winselte nur wirres Zeug. Er kam nicht mehr selbständig auf die Beine.

Ein Krankenwagen brachte ihn in die Klinik. Von da an fing die Geschichte erst richtig an. Der diensthabende Arzt der Notaufnahme rief unseren Direktor an. Er erklärte, dass ein Patienten mit Nasenbeinbruch und mit einer Verletzung an der Lippe, die genäht werden muss, in der Klinik sei. Nach der Schilderung des Patienten wurde er von einem wild gewordenen Affen im Zoo angegriffen. Dieser Patient wollte nun die Polizei rufen, um Anzeige zu erstatten.

Wie schon erwähnt, war die Frau unseres Chefs auch Ärztin. Wir waren durch das kranke Affenmädchen Regi im Krankenhaus bekannt. Dadurch kannten wir viele Mediziner. Sie glaubten uns mehr als dem Trunkenbold. Der Mann war so alkoholisiert, dass er auch im Krankenhaus zu randalieren anfing. Er wollte sich dort selbst entlassen. Jetzt kam die Polizei ins Spiel. Die Freunde und Helfer der Ordnung mussten die nächste Beschimpfungsrunde ertragen.

Der behandelnde Arzt teilte den Polizisten den Blutalkoholwert des Mannes mit. Nachdem sie sich das wirre Gerede eines Affenangriffs angehört hatten, gaben sie dem Geschädigten den guten Rat, nicht mehr so viel zu trinken, dann würde er keine Affen sehen, sondern nur am anderen Tag einen haben. Er könne froh sein, dass man ihm nicht die Kosten der Behandlung und des Polizeieinsatzes in Rechnung stellte. Mit frisch genähter Lippe brachten sie ihn danach nach Hause. Dort soll ihn seine Frau mit Kopfschütteln empfangen haben.

Leider enden hier meine Kenntnisse über den weiteren Verlauf. Den Rest kann sich jeder denken. Besonders das, was er seiner Frau erzählte.

 

 

 

 

 

 

 

Eine Tiergeschichte, die nicht ganz unpolitisch ist

 

Vor kurzem diskutierten in einer Fernsehsendung Schüler einer zehnten Klasse über die DDR. Heute, im Jahr 2013, ist das über 24 Jahre her. Selbst die meisten Lehrer haben diese Zeit nicht wirklich miterlebt.

Ich, der 1948, ein Jahr vor Gründung der DDR geboren wurde, will von einigen, nicht ganz unpolitischen Geschehnissen mit Tieren aus der Zeit des „real...

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